Spielbericht

16. Spieltag - Regionalliga Nord - Saison 2002/2003
1. FC Dynamo Dresden
1. FC Dynamo Dresden
2:1
Chemnitzer FC
Chemnitzer FC

Unglückliche CFC-Niederlage bei Erzrivale Dynamo Dresden

von Frank Neubert

14 Tage vor Weihnachten sollte man langsam an Geschenke denken, allerdings sollten diese nicht so aussehen, wie sie der CFC letzten Samstag bei Dynamo Dresden verteilte. Ein himmelblaues Eigentor - dazu das Tor eines Chemnitzer Urgesteins in Dresdner Diensten und noch dazu ein Gabensack mit vielen versiebten guten Torchancen - eine wahrlich freudige Bescherung für die schwarzgelben Kicker aus der Landeshauptstadt...

Aber der Reihe nach: Trotz klirrender Kälte hatten sich im Rudolf-Harbig-Stadion zu Dresden 7.130 Zuschauer eingefunden, die das Anfang November wegen mangelnder Polizeipräsenz abgesagte Sachsenderby nunmehr als Saisonabschlußbonbon genießen wollten. Im Gästeblock tummelten sich ca. 1.200 gut gelaunte Himmelblaue, darunter auch viele bekannte Gesichter von Altvorderen, die schon vor gut 13 Jahren den legendären 4:3-Sieg des FCK bei der SG Dynamo miterlebt haben dürften. Beide Mannschaften beklagten im Vorfeld der Partie die Ausfälle mehrerer Stammkräfte, beim CFC fielen u.a. Hiemann und Walther aus.

Vor Anpfiff der Partie gab es in beiden Fanlagern gelungene Intros zu sehen - die Dresdner tauchten ihren K-Block in ein Meer aus schwarzgelben Täfelchen und präsentierten in der Mitte den Goldenen Reiter im Dynamogewand. Im Gästeblock wurden schicke blaue Plastikbahnen entrollt und in der Mitte eine große Blockfahne gezeigt, auf der eine himmelblaue Kämpfernatur samst CFC-Fahne gerade ein Dynamoenblem zertritt.

Den besseren Beginn erwischten die Himmelblauen, die in den Anfangsminuten das Spiel bestimmten und schon nach kurzer Zeit im Dresdner Strafraum ein ergebnisloses Eckenfestival veranstalteten. Nach 7 gespielten Minuten stieg im Dresdner Block eine Leuchtrakete hoch und krachte auf das Spielfeld - nach einer kurzen Unterbrechung ging es weiter. Auf dem hartgefrorenen Rasen durfte Ratke für Dynamo die erste Ecke ausführen - der Ball kommt herein, Süßner rutscht am kurzen Pfosten weg, Jörres will per Kopf klären - und köpft den Ball im Umfallen ins eigene Tor. Entsetzen im Gästeblock - na toll, ein Eigentor, was für ein weihnachtliches Osterei für die Landeshauptstadt *würg*...
Das Tor wirkte auf das Spiel wie ein Filmschnitt, denn ab sofort war Dynamo am Drücker und der CFC hechelte dem Ball ziemlich erfolglos hinterher. Die in den letzten Spielen solide spielende Abwehr erwies sich als Unruheherd und wenn dann doch einmal das Leder in den eigenen Reihen war, wurde es spätestens im Mittelfeld verstolpert oder durch unnötiges Schönspielen auf dem glatten Geläuf vertändelt. Dresden wirkte in dieser Phase stärker und zielstrebiger, war einem Tor auf jeden Fall näher als der CFC, spielte sich jedoch keine echten Großchancen heraus. Nach 24 Minuten schlägt Bittermann einen Ball nach vorn, Ahanfouf legt zurück auf Heidrich, der aus dem Hinterhalt sofort abzieht. Süßner sieht die Kugel zu spät und schon stand es 2:0 für Dynamo. Na Klasse, nach dem Eigentor nun auch noch ein altes CFC-Eigengewächs, daß für schwarzgelbe Freude sorgte *würgwürg*...
Dynamo zog sich jetzt zurück, und ließ den CFC wieder ins Spiel kommen. Nächster Aufreger war dann ein klares Foul des übereifrigen Heidrichs an Tchipev, wobei der CFC'er aufspringt und seinen Gegenüber zu Boden befördert. Bange Blicke zum Schieri, doch der Men in Black machte alles richtig und gab beiden Streithähnen die gelbe Karte. Kurz vor der Pause kamen die himmelblauen Fans noch einmal in Wallung, als nach einem weiten Einwurf des CFC Ersin wie aus dem Nichts vor dem Dresdner Tor auftaucht, aber leider Gottes die Kugel aus 5m Entfernung nicht ins Netz befördern kann *jaul*...

Die zweite Halbzeit begann mit einem früh aus der Kabine gekommenen CFC, der gesteigerten Tatendurst andeutete. Diesen hätte auch sogleich Ersin Demir stillen können, als er nach Zuspiel von Jörres das Leder am langen Pfosten wie auf dem Präsentierteller bekommt - doch erneut knipst der Knipser nicht und Bittermann kann per Kopf klären. Aber der CFC wirkte nun tatsächlich entschlossener und trug durch Tchipev und Meissner immer wieder den Ball nach vorne, wobei auch Meyer auf der linken Außenbahn zu gefallen wußte. Dynamo beschränkte seine Spielanteile auf ein gepflegtes Konterspiel, welches meist über Heidrich und Neubert vorgetragen wurde. Genau diese beiden Spieler hatten dann auch beste Gelegenheiten, das dritte Tor für die Gastgeber zu erzielen. Neubert säbelte jedoch am rechten Pfosten vorbei und Heidrich ließ sich von Süßner den Ball vom Fuß pflücken, wobei er grob unsportlich in den Chemnitzer Keeper hineingrätschte. Pfui, Herr Heidrich!
Im Gästeblock wurde zur zweiten Halbzeit fleißig gezündelt - erst stieg eine fette schwarze Säule in die Luft, dann folgte noch eine weiße Nebelwand. Die Stimmung im Block wurde damit zwar zusehends besser, allerdings wurde der Rauch auch dazu genützt, um mehrere Knaller und eine Rakete in den Himmel aufsteigen zu lassen. Bleibt nur zu hoffen, daß der auf dem schwarzgelben Auge scheinbar blinde NOFV den Himmelblauen keine unangenehme Weihnachtspost schickt.
Auf dem Spielfeld wurde es nun langsam Zeit für himmelblaue Taten. Und diese sollten in der 63. Minute folgen: Nach schöner Vorarbeit von Meyer kommt Meissner an der Strafraumgrenze zum Schuß und hämmert das Leder unhaltbar zum 1:2 in die Maschen. Na endlich! Freudentaumel, Schnipsel und Gesänge im Gästeblock und betroffenes Schweigen beim dynamischen Anhang. Und der CFC blieb am Drücker - Dresden kam jetzt kaum noch zum Kontern und die Himmelblauen erarbeiteten sich weitere gute Möglichkeiten. Nach einer Flanke von rechts steigt Zedi zusammen mit Kresic in die Luft, der Keeper verfehlt den Ball, und Zedis Kopfballverlängerung wird von Ersin Demir ins Tor befördert - der Ausgleich zum 2:2! Nach ersten Jubelsprüngen der Blick zum Schieri - Abgepfiffen! Herr Margenberg entschied auf Foul am Torwart, obwohl dieser den 5m-Raum klar verlassen hatte. Eigentlich sollten ihm die Dresdner dafür einen Stollen vom Striezelmarkt mit auf die Heimfahrt geben...
Eine Viertelstunde vor Schluß waren dann wieder alle Augen auf die Ränge gerichtet, da sich ein größerer Dynamo-Mob aus dem K-Block in Richtung Gästeterrain aufmachte. Wie später bekannt wurde, hatten auf CFC-Seite eine paar ganz Clevere es tatsächlich geschafft, im Harbig-Stadion eine Dresdner Zaunfahne zu zocken. Der rachsüchtige Mob tauchte kurz danach in der leeren Badkurve auf, und die ersten Kaputten rannten tatsächlich zum Gästeblock weiter, der an dieser Seite von ca. 15 Polizisten flankiert wurde. Die grünen Männlein setzten gelassen ihre Helme auf und trabten gemächlich den Randalierern entgegen. Und siehe da, der ganze große Mob machte kehrt und flutete wie die Lemminge zurück in den eigenen Stadionbereich. Der größere Anteil der Kaputten verließ allerdings jetzt schon das Stadion, um die dritte Halbzeit vorzubereiten.
Auf dem Rasen spielte immer noch der CFC den besseren Ball, allerdings tat sich vor dem Dresdner Tor nicht mehr allzuviel. Meissner zog noch einmal aus dem Hinterhalt gefährlich ab, erwischte Kresic sogar auf dem falschen Fuß, dennoch kam der Dresdner Keeper irgendwie an das Leder. Dresdner Konter blieben mittlerweile ganz aus, da Dynamo mit Mann und Maus den wertvollen Vorsprung retten wollte. Beide Teams schöpften ihr Wechselkontigent voll aus, wobei beim CFC unverständlich blieb, warum man trotz Zeitnot in der 89. Minute noch M'Boma für Jörres einwechselte. Wie auch immer, am Ende blieben die himmelblauen Bemühungen um den Ausgleich unbelohnt, und die Dresdner lagen sich nach dem Abpfiff in den Armen. Genügend Chancen zum Ausgleich hatte der CFC gehabt, und ohne das dumme Eigentor wäre vielleicht sogar noch mehr drin gewesen...

Nach dem Spiel gab es beim Abmarsch der CFC-Fans noch wüste Szenen im Umfeld des Stadions, obwohl man eigentlich die Erwartung hatte, daß nach den schweren Ausschreitungen beim Dresdner Stadtderby Lehren gezogen worden wären. Einzig erkennbare Maßnahme war, den Dresdner Fans die Ausgänge zur Lennestraße zu verschließen, was bringt es jedoch, wenn der Mob einfach um das Stadion herumläuft!? Die Chemnitzer Autofahrer sahen sich in Richtung des Hygienemuseums nahezu ungeschützt dem Mob ausgesetzt, der unter Androhung bzw. Anwendung körperlicher Gewalt Fanutensilien in seinen Besitz brachte. Der unter Polizeieskorte zum Bahnhof geleitete Pulk der Zugfahrer wurde von beiden Seiten der Lennestraße mit Pflastersteinen, schweren Ästen und Leuchtspurmunition beschossen. Am Lenneplatz hatten Dresdner Idioten sogar eine Sperre aus Bauzäunen errichtet, um den Tross aufzuhalten. Trotz dieser massiven Angriffe kam nach bisherigen Erkenntnissen zum Glück kein Chemnitzer zu Schaden. Da diese Vorfälle in Dresden jedoch nicht zum ersten Male passierten, stellt sich die Frage, wie lange der NOFV bzw. der DFB diesen Auswüchsen noch tatenlos zuschauen wollen.

Fazit: Der CFC verschenkt in Dresden mindestens einen Punkt, was vor allem auf die schwache Leistung in der ersten Halbzeit zurückzuführen ist. Negativ kommt ebenfalls hinzu, daß man unter Trainer Müller sowohl die ersten Gegentore als auch die erste Niederlage kassiert hat. Mit dieser Niederlage dürfte auch den kühnen Optimisten Einhalt geboten worden sein, die schon die große Serie unter Joachim Müller bis hinauf in die Spitze der RL gewittert haben. Der CFC überwintert 4 Punkte vor einem Abstiegsplatz, und sollte sich tunlichst darauf konzentrieren, diesen Abstand nach der Winterpause zu vergrößern.
Die erneuten Ausschreitungen in Dresden sind absolut zu Verurteilen. Sie schaden nicht nur dem Dresdner Fußball, sondern auch dem Ruf der ostdeutschen Fans insgesamt und nicht zuletzt der sächsischen Olympiabewerbung. Erschütternd ist, daß scheinbar niemand gewillt ist, gegen diese seit langem in Dresden zu beobachtenten Zustände etwas zu unternehmen. Das leidige Thema Fahnenklau ist ebenso verurteilenswert. Durch beide Ultragruppierungen vor einiger Zeit entfacht, trifft es doch zumeist Fanclubs, die mit dem Ultradenken nix am Hut haben und nur Opfer in einem sinnlosen Räuber- und Gendarmspiel werden. Fahnenklau ist strafbarer Diebstahl, nicht mehr und nicht weniger, und dies gilt für beide Seiten.


Wertung: 2,5

Beste Himmelblaue: Meissner, Meyer, Tchipev

Pressestimmen

Morgenpost am Sonntag
Derby mit Rasse und Klasse: Tempo, Tore, Dramatik und Zittern bis zum Schlußpfiff

Dresdner Morgenpost
Ex-Himmelblauer Steffen Heidrich jubelte: "Die hab&

16. Spieltag - Regionalliga Nord - Saison 2002/2003
+++ Nachholespiel +++
Samstag, 14. Dezember 2002, 13:30 Uhr
Rudolf-Harbig-Stadion, Dresden
Zuschauer: 7.130
Schiedsrichter: Margenberg (Wermelskirchen)
1. FC Dynamo Dresden
T Kresic
A Paulus
A Bittermann
A Oppitz
A ZiebigGelbe Karte
M Wagefeld
M Petrowsky (73. Heller)
M Ratke (69. MildeGelbe Karte)
M HeidrichGelbe Karte
M Ahanfouf (88. Hähnge)
S Neubert

Trainer: Franke
Chemnitzer FC
T Süssner
A Göhlert
A Zedi
A Schmidt
M Jörres (89. Mboma)
M TchipevGelbe Karte
M Mehlhorn
M Meissner
S Meyer (82. Baumann)
S Demir
S Krieg (63. Simic)

Trainer: Müller
Tore
1:0 Jörres/Eigentor (13.)
2:0 Heidrich (24.)
2:1 Meissner (63.)