Spielbericht

22. Spieltag - Regionalliga Nord - Saison 2002/2003
Hamburger SV II
Hamburger SV II
0:0
Chemnitzer FC
Chemnitzer FC

Von gelben Zäpfchen, braunen Vorbildern und 50 Fans der Kategorie "C"...

von Frank Neubert

Das Positive:
Der CFC hat sich bei seinem Gastspiel in der Hansestadt Hamburg für die peinliche Niederlage im Heimspiel (1:4) teilweise rehabilitiert und einen verdienten Punkt erkämpft. Erfreulich war auch, dass die gegen Verl arg kritisierte Abwehr diesmal besser stand und während des ganzen Spieles nur 2 richtige Torchancen für die Norddeutschen zuliess. Bei etwas mehr Glück und Konzentration bei den himmelblauen Kontern wäre vielleicht sogar mehr möglich gewesen.
Gleich zu Beginn des Spieles hatte Ersin Demir eine Riesenchance, als er frei vor Hillenbrand steht, aber die Kugel nicht unter Kontrolle bringen kann. Die ca. 100 mitgereisten CFC-Fans sahen in der ersten Halbzeit ein ausgeglichenes Spiel, obwohl die HSV-Amateure mal wieder durch 5 (!) Profis aus dem Erstligakader (Antar, Christensen, Kitzbichler, Bester, Yilmaz) verstärkt worden waren. Dem CFC merkte man an, dass Chefcoach Müller den himmelblauen Jungs in puncto Defensivverhalten einge Lektionen erteilt haben mußte. Selbst Meissner und M'Boma waren sich nicht zu schade, in der Abwehr auszuhelfen. Eine gute Partie lieferte Markus Ahlf ab, der anstelle von Jan Schmidt in der Abwehr agierte und HSV-Stürmer Marius Bester abmeldete. Nach mehr als einer halben Stunde gab es dann die erste Großchance für die Gastgeber, als Antar von Christensen angespielt wird und frei vor Süssner steht. Dieser wirft sich gekonnt in den Schuß und fälscht den Ball mit der Hüfte zur Ecke ab. Kurz vor der Halbzeit ertönte dann sogar Torjubel auf der Gästetribüne: Mehlhorn hatte Demir mit einer Flanke in Szene gesetzt und der Goalgetter hatte geknipst. Pech war nur, dass der Schieri gesehen haben wollte, dass Ersin den Ball mit der Hand vorgelegt hatte.

Auch in der zweiten Halbzeit bestimmten die Abwehrreihen die Partie, ohne dass das Spiel direkt langweilig gewesen wäre. Die HSV-Amas kamen mit etwas mehr Schwung aus der Kabine, konnten sich aber nur durch eine abgefälschte Flanke bemerkbar machen, die zum Entsetzen der Himmelblauen an die Latte klatschte. Das nächste Highlight des Spieles setzte der kleinlich pfeifende Schieri Herr Zinken, der nach einem Foul im Mittelfeld Meissner zum zweiten Mal mit Gelb bedachte und somit den CFC-Kapitän vorzeitig zum Duschen schickte. Chefcoach Müller reagierte und wechselte Baumann für M'Boma ein - der Nigerianer konnte leider nicht an seine gute Leistung gegen Verl anknüpfen. Trotz Überzahl sollten die HSV-Bubis keine weitere Chance bekommen, im Gegenteil, der CFC war jetzt gut im Spiel und startete immer wieder Konter. Zwei dieser Gegenangriffe erbrachten noch 2 halbe Chancen für Ersin Demir (75. und 89.min), dem man anmerkte, dass er noch nicht hundertprozentig fit ist. Gegen Ende des Spieles wechselte der CFC noch Walther für Meyer und kurz darauf Schmidt für Demir ein, um das Remis unter Dach und Fach zu bringen. Nach dem Schlusspfiff bejubelten Spieler und Fans gemeinsam den im verregneten Norden errungenen, wichtigen Auswärtspunkt.

Das Negative:
Die Würde des Menschen ist unantastbar - so steht es im Grundgesetz. Zu den Zeiten eines Hamburger Innensenators namens Schill und einer freidrehenden HSV-Security scheint dies aber in der "freien" Hansestadt nicht mehr zu gelten. Gästefans sind von vornherein abgrundtief böse und hässliche Kreaturen, die man am liebsten vor dem hanseatischen Stadttor in den Graben kippen und dort ersaufen lassen würde. Warum schreibt man nicht gleich "Gästefans unerwünscht!" oder "Nur für HSV-Fans!" an das Stadteingangsschild!? Zumindest durfte der geneigte CFC-Fan diese Eindrücke aus dem Norden mit auf die Reise nach Sachsen nehmen.
Bevor der Sportplatz neben dem Hagenbecker Zoo, offiziell als Wolfgang-Meyer-Stadion betitelt, betreten werden durfte, musste man an den Bewachern des Schmuckkästchens vorbeikommen, welche in grässlichen gelben Kampfregenjacken und mit Knopf im Ohr (ferngesteuert?) ausgestattet waren. Mit grimmigster Mine wurden die bunt gekleideten Gäste (Mottofahrt "Karneval") gemustert - am Eingang durfte immer nur Einer rein, damit das gelbe Zäpfchen mit der Handycam auch jeden einzelnen Chemnitzer Schwerverbrecher vor der Linse hatte. Dann folgte eine Leibesvisitation, wo sogar die Stasi noch etwas hätte lernen können. Fummelnde und grapschende Hände in allen Klamottenlöchern und an wirklich allen Körperteilen - die Damen auf der Reeperbahn hätten man(n) nicht intensiver behandeln können. Zigarettenschachtel? Öffnen! Handy? Vorzeigen! Asthmaspray? Muss ich angucken! Ein hochgefährlicher Kopfschmuck aus Pappe mußte draußen bleiben. Ebenso das Megaphon, mit dem die CFC-Fans höchstwahrscheinlich zum kommunistischen Umsturz in Hamburg aufgerufen hätten. Handtaschen weiblicher Fans waren nicht erlaubt und wurden in einer Ecke auf dem Boden (!) zwischengestapelt. Eine extrem klein und gefährlich aussehende Digicam mußte aus Hülle gepuhlt werden, dazu noch die Akkus einzeln vorgezeigt und als Krönung des Ganzen auch noch die Akkus aus der durchsichtigen Plastehülle entnommen werden. Ein letzter Blick in die nach vorn gezerrte Hose des Verdächtigen - und der gefährliche Hooligan durfte samst Digicam ins Stadion. Allerdings hatten die gelben Zäpfchen bei der Einschätzung des Digicam-Verbrechers vollkommen recht - erdreistete sich dieser doch, ein Bild von der perversen Eingangskontrolle zu machen! Sofort zerrten 3 gelbe Zäpfchen den Terroristen beiseite und sorgten dafür, dass das Bild gelöscht und keine Lügenbilder aus dem friedliebenden Hamburg verbreitet würden.
Irgendwann waren dann alle Verdächtigen im Gästesektor angelangt, welcher auch wieder streng unterteilt war. Hinter der einheimischen Trainerbank herrschte striktes Stehverbot - tja, besser ist das, denn erst kürzlich wurde wieder eine Bank gesprengt *g*. Trotz der geheimdiensttauglichen Durchsuchungen hatten die gelben HSV-Zäpfchen irgendetwas falsch gemacht, denn kurz vor der Halbzeit stieg im CFC-Block eine feine Rauchsäule auf *abfeier*! Tipp für den HSV: Am besten alle Zäpfchen sofort entlassen! Oder das nächste Mal am Eingang vielleicht ne' Darmspiegelung bei den Gästen machen. Im Angesicht ihres Misserfolges drehten die Zäpfchen nun völlig frei und boxten sich mit der sächsischen Faschingstruppe auf der Tribüne herum. Nicht gerade erfolgreich, denn kurze Zeit später wurden die Helfer in Grün um Hilfe angefleht, die dann auch 3 der hochgefährlichen Subjekte aus dem CFC-Block entfernten. In Halbzeit 2 durfte dann der oberste Rang von den CFC-Fans nicht mehr betreten werden, um den Ordnern freie Bahn zu gewährleisten, falls die entmenschte Gästehorde erneut versuchen sollte, diverse Anschläge auf das Leben der Hansestadt vorzubereiten. Zum Glück gab es genügend Filmmaterial, um von rechts, links, oben und unten Aufnahmen vom Chemnitzer Pöbel zu machen. Vielleicht gibt es ja demnächst einen Ufa-Film namens "Entartete Fans"...
Als hochinteressant erwies sich ein etwas abseits geführtes Gespräch mit einem halbwegs vernünftig aussehenden gelben Zäpfchen, welches damit prahlte, dass man stolz darauf sei, dass die HSV-Security beim DFB das höchste Ansehen geniessen würde, man die Nummer Eins in Deutschland sei und nur deshalb Hamburg als allererster Austragungsort der WM 2006 beim DFB festgestanden hätte. Interessant! Ach und im Übrigen wären von den Beamten aus Chemnitz ca. 200 Gästefans, darunter mindestens 50 der Kategorie "C" (also Hooligan) angemeldet worden. Sehr interessant! Auf die Frage, ob er denn die anwesenden Fans als "C" einstufen würde, kam keine Antwort. Dafür erfuhr man aber, dass auf der Heimseite keinesfalls so streng kontrolliert worden wäre, denn diese Leute würde man ja alle kennen und mit solchen Massnahmen bloss vergraulen. Ach guck!
Nach dutzenden anderen ungenannten Schikanen gab es zum Spielschluß noch einen schicken Showdown, als sich die gelben Zäpfchen genötigt sahen, einen Fan vom harmlosen CFC-Fanclub "Wilde Rentner on Tour" per Schwitzkasten aus dem Stadion zu entfernen, weil er beim Abnehmen der Fahne die Rasenfläche betreten hatte. Die letzte Sinnlosigkeit fand dann am Ausgang selbst statt, als in der rechten Seite des zweiflügeligen (und offenen!) Tores ein gelber Kuschelbär stand und die Gästefans grunzend zur linken Torhälfte beförderte. Selbst die anwesende Polizei schüttelte nur noch mit dem Kopf und etwas später pfiff auch das Oberzäpfchen seinen Bär zurück, so dass auf einmal beide Ausgänge genutzt werden konnten. Beim Smalltalk mit einem Hamburger Polizisten erzählte dieser dann auch kurz, daß es schon desöfteren mit dieser Security Probleme gegeben habe und man sehr genau wisse, dass diese Ordnungskräfte keinesfalls deeskalierend wirken. Der fällige Polizeibericht werde dies auch so erwähnen und berücksichtigen. Im Übrigen lägen bereits mehrere Anzeigen gegen den HSV-Ordnungsdienst vor. Na toll! Da bleibt nur zu hoffen, daß dieses Wissen auch beim NOFV vorhanden ist und die dortigen Schreibtischtäter nicht wieder mit Strafen gegen den CFC wegen seinen "gewalttätigen" Fans kommen. Ach, und der Hamburger Bürgerschaft sei empfohlen, dem HSV-Ordnungsdienst beim nächsten Gastspiel des CFC mindestens ein halbes Dutzend Kampfhubschrauber und paar Räumpanzer zu unterstellen. Und vielleicht zur Sicherheit noch ein kleines Schlachtschiff auf der Binnenalster...

Das Nachdenkliche:
Wer bereits am Freitagabend in den Norden gereist war, durfte sich einen vergnüglichen Abend auf der Reeperbahn gönnen, oder, noch besser, am frühen Abend die Zweitligapartie FC St. Pauli gegen den SVW Mannheim reinziehen. Für den fischerwiesenerprobten Fussballgucker war es mehr als beeindruckend, mit welcher unglaublicher Kampfkraft und Moral die braunweissen Kicker vom Millerntor bei ihrem Abstiegskampf (!) auftreten. Ob man nun Freund oder Feind der bunten Truppe ist, egal - ein Fakt hat ganz schwer beeindruckt - wie dort nach jedem Ball gefightet und jeder Gegenspieler bedingslos gestellt wid. Als Mannheim in der zweiten Halbzeit (ganz stark: Ex-CFC'er Ratkowski!) der Ausgleich gelang, ging durch die ganze Piraten-Truppe ein Ruck und im Schulterschluss mit tausenden frenetischen Fans zwang man Mannheim kurz vor Schluß mit 2:1 nahezu logisch in die Knie! Von dieser Kampfkraft und diesem unbeugsamen Willen darf sich der CFC herzlichst gern mehrere dicke Scheiben abschneiden!!!
Und es gab noch etwas zum Abschneiden - diesmal aber für die Ordner-Spacken vom HSV. Mehrere Mannheimer Fans sassen nach dem Ausgleich auf dem Zaun des Gästeblockes und feierten ihr Team. Pauli's Ordner schauten es sich gelassen an und ging später dazu über, die Jungs friedlich zu überreden (Beifall!), wieder abzusteigen. Klappte auch, bis auf einen letzten Sitzenbleiber. Ein Bär von Ordner textete dann eine ganze Weile mit dem SVW-Fan herum, bis dieser dann sein Bier an den Ordner überreichte und vom Zaun kletterte. Unten angekommen, gab ihm der Ordner durch den Zaun das Bier zurück - und am Ende gab's noch ein Shake-Hand. Tja, vielleicht sollten die gelben Zäpfchen des HSV mal bei Pauli in die Schule gehen - aber damit würde sich dieser Bericht zutiefst in die intimen Streitigkeiten und Fussballwelten der Hansestadt einmischen ;-)...


Wertung: 3

Bester Himmelblauer: Ahlf

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Pressestimmen

Freie Presse Chemnitz
„Catenaccio“ reicht nicht für Regionalliga [..] „Uns ging es vor allem darum, nach dem katastrophalen 2:4 gegen Verl unsere mannschaftliche Geschlossenheit wieder zu finden“, stellte Trainer Joachim Müller nach dem 0:0 des Chemnitzer FC im Fußball-Regionalliga-Spiel bei den Amateuren des Hamburger SV fest. Das zumindest ist den Himmelblauen auch geglückt. Allerdings dürfte dieser „Sachsen-Catenaccio“ auf Dauer nicht reichen, um die Klasse zu erhalten. [..]

Hamburger Abendblatt
0:0 - Dolls Ärger beim Heimdebüt [..] "Ich kann, unabhängig vom Resultat, mit diesem Spiel nicht zufrieden sein", stellte Doll nach der Partie fest. Noch deutlicher wurde sein Mannschaftskapitän Marco Grote: "Das war ganz schlecht von uns. Gegen diese Chemnitzer haben wir versäumt, Fußball zu spielen."

Hamburger Morgenpost
0:0 - Dolls Heim-Premiere verpatzt [..] Niveauarmes Spiel der Amateure in der Regionalliga gegen den Chemnitzer FC [..] Doch statt mit eindrucksvollem Flügelspiel die massive Deckung der Sachsen auseinander zu nehmen, rannten sich die Hamburger ein ums andere Mal fest.

22. Spieltag - Regionalliga Nord - Saison 2002/2003
Samstag, 08. März 2003, 14:00 Uhr
Wolfgang-Meyer-Sportplatz, Hamburg
Zuschauer: 370
Schiedsrichter: Zinken (Mechernich)
Hamburger SV II
T Hillebrand
A Kitzbichler
A Grote
A Leschinski
A StreitGelbe Karte
M Yilmaz
M Dogan
M Bröcker (73. Shaurzadeh)
M Antar
S Bester
S Christensen (58. Schindler)

Trainer: Doll
Chemnitzer FC
T Süssner
A Zedi
A GöhlertGelbe Karte
A Ahlf
M Jörres
M MeissnerGelbrote Karte
M Tchipev
M Mehlhorn
S Meyer (85. Walther)
S Mboma (69. Baumann)
S Demir (90. Schmidt)

Trainer: Müller
Tore
Tore Fehlanzeige