Spielbericht

27. Spieltag - Regionalliga Nord - Saison 2002/2003
Chemnitzer FC
Chemnitzer FC
2:0
Bayer Leverkusen II
Bayer Leverkusen II

Drei wichtige Punkte in einem wirklich kuriosen Spiel

von Thoralf Wätzold

Dieser verregnete Ostersamstag hatte einiges zu bieten, was die 2.010 offiziellen Zuschauer, beide Mannschaften und allen voran der wirklich unglücklich agierende Schiedsrichter Plaggenborg wohl so schnell nicht vergessen werden.

Aber von vorn: Das Spiel begann sehr trostlos, zumindest auf den Rängen. Keine Stimmung in der ersten Hälfte sowie keine einzige Zaunfahne zierten das Stadionrund, lediglich ein Plakat mit der Aufschrift „Dunkelheit in Chemnitz ... L.I.C.H.T. an!“ sollte die Vereinsoberen zum Nachdenken über ein jüngst verhängtes Hausverbot anregen. Die Mannschaft zeigte sich davon unbeeindruckt und machte von Beginn an deutlich, dass sie den Ernst der Lage erkannt haben und unbedingt gewillt sind, sich die 3 Punkte am heutigen Tag selbst ins Osternest zu legen. Mit Hiemann, Schmidt, Tchipev und Mboma für Süssner, Ahlf, Jörres und Rolleder veränderte Joachim Müller seine Elf gleich auf 4 Positionen gegenüber der Niederlage vom letzten Wochenende in Aue. Bei den Amateuren von Leverkusen war Thomas Brdaric im Aufgebot, was wieder in die Abteilung Wettbewerbsverzerrung von Amateurclubs fällt. Aber auch davon ließ sich der CFC nicht beeindrucken und spielte von der ersten Minute an munter drauf los. Vor allem Tchipev, nach seiner Verletzungspause wieder dabei, versuchte sich recht erfolgreich im Mittelfeld für einen geordneten Spielaufbau. Und so kamen die Himmelblauen zu Chancen: Meißner scheitert von der Strafraumgrenze am Torwart Starke, Sebastian Meyer schießt aus einem Meter neben das Tor, nachdem Starke einen Kopfball von Demir nur abprallen lassen konnte. Mboma und Zedi versuchten sich mit Schüssen aus der Distanz.

Von Leverkusen war nicht viel zu sehen. Vor allem technisch zeigten sich die Amateure verunsichert, oft wurde der Ball verstolpert sowie viele Fehlabspiele ließen nur selten einen geordneten Spielaufbau zu. Zweimal kamen sie in Halbzeit eins gefährlich vor das Tor von Holger Hiemann, doch einmal konnte Dzaka den Ball im Fünfmeterraum (zum Glück) nicht richtig unter Kontrolle bringen, ein weiteres Mal parierte Hiemann glänzend.

In der 39. Minute durften die himmelblauen Anhänger dann doch jubeln. Ersin Demir setzt sich an der Grundlinie schön durch und erobert sich den bereits verlorenen Ball zurück, seine Flanke in den Strafraum kann Tom Starke nur wegfausten und Ingo Walther verwandelt per Volleyschuss von der Strafraumgrenze zum verdienten 1:0. Auffällig war noch, das die Leverkusener, besonders Brdaric, oft mehr mit dem Mundwerk in Richtung Schiedsrichter als mit den Füssen am Ball aktiv waren. Man kann bei den Profis eben viel lernen.

Mit diesem 1:0 ging es in die Halbzeit und die wurde von den Fans genutzt, um nun mit ihren Fahnen die Zäune zu schmücken und für die zweite Halbzeit schon einmal die Stimmbänder zu lockern. Die zweite Halbzeit hatte es dann in sich. Jetzt auch von den Rängen gesangsmäßig unterstützt, knüpfte der Club an die gute kämpferische Leistung der ersten Hälfte an. Vor allem Ingo Walther war hier wieder ein Vorbild. Gute Chancen konnte man sich aber nicht herausspielen, lediglich einen Lupfer von Demir konnte der Leverkusener Torhüter herunter fischen. Auffällig war Demir weiterhin nur dadurch, dass er wirklich permanent im Abseits stand. Man hatte den Eindruck, so richtig Lust auf Fussball hatte er an diesem Tag nicht. Hoffentlich war dies eine Ausnahme. Bis zur 71. Minute plätscherte das Spiel so dahin. Es war kein unfaires Spiel, jedoch verstand es der Schiedsrichter nicht, die ständigen Proteste und Meckereien der Leverkusen zu unterbinden und auch der Einsatz der Gelben Karte schien nicht immer angebracht. So langsam glitt dem Schiri das Spiel aus der Hand, und man hatte das Gefühl, er wolle ein Zeichen setzen. Als Ingo Walther an der Seitenauslinie beim Versuch, den Ball zu spielen, zu spät kam und seinen Gegenspieler von der Seite zu Fall brachte, sah er dafür zum Unverständnis aller die Rote Karte. Gelb wäre hier verdient gewesen. Ein falsches Zeichen, wie sich im Nachhinein heraus stellte, denn das Spiel wurde nun härter. 10 Minuten vor Schluss hatte der CFC Glück, als Thomas Brdaric aus dem Gewühl heraus den Ball an Hiemann vorbei ins Tor brachte, jedoch zuvor zunächst passiv im Abseits stand und dann, während der selben Spielsituation, noch ins Spielgeschehen eingriff. Korrekte Abseitsentschiedung also, was wiederum Brdaric, bereits wegen Meckerns verwarnt, anders sah und völlig unverständlich hier nicht die Gelb/Rote Karte sah, zumal der Schiedsrichter die Gelbe Karte bereits in der Hand hielt, sie dann jedoch wieder einsteckte.

In der 87. Minute dann die Szene des Spiels schlecht hin. Ein langer Ball in die Hälfte der Leverkusener wurde geschlagen, und Steve Rolleder sowie Tom Starke aus dem Leverkusener Tor versuchen, den Ball zu erreichen. 40 Meter vor seinem Tor ist Starke etwas eher am Ball, kann die Situation klären, wird aber vom heranrutschenden Rolleder leicht am Bein getroffen. Die Aktion von Rolleder richtete sich gegen den Ball, keinesfalls eine unfaire Attacke. Starke jedoch lässt sich theatralisch fallen, überschlägt sich mehrfach und täuscht eine Verletzung vor. Schiedsrichter Plaggenborg zeigte sofort „Weiterspielen“ an, und ein Leverkusener Spieler schoß den Ball ins Seitenaus, damit sein Torwart behandelt werden kann. Da dieser aber inzwischen wieder aufgestanden war und – welch Wunder – gar nicht verletzt war, haderte er mit dem Schiedsrichter, weil dieser nicht auf Freistoß entschieden hatte. Dieser wiederum zeigte nochmals an, dass das Spiel mit Einwurf fortgesetzt wird, was Starke nicht wirklich interessierte, denn dieser redete, nach wie vor 40 Meter vor seinem Tor, weiter auf den Schiri ein. Ein ungeschriebenes Gesetz sagt ja, das der Ball nach einer Verletzungspause an den Gegner zurückgegeben wird, wenn dieser den Ball ins Aus geschossen hat, um eine Behandlung des verletzten Spielers zu ermöglichen. Jedoch auf Grund des unsportlichen Verhaltens der Leverkusener während des gesamten Spiels (Meckern, Diskutieren) und insbesondere der Schauspieleinlage von Tom Starke, der immer noch nicht in seinem Tor war, missachtete der CFC dieses ungeschriebene Gesetz. Ulf Mehlhorn führte den Einwurf schnell aus, und Ersin Demir Schoss den Ball aus 40 Metern ins leere Tor – 2:0.

Nun kann man endlos darüber diskutieren, ob diese Aktion nun unsportlich war oder nicht, ob Mehlhorn den Ball hätte zurückgeben müssen oder nicht, ob das unsportliche Auftreten der Leverkusener zuvor die Missachtung dieses ungeschriebenen Gesetzes rechtfertigt oder nicht – es wird dazu immer die unterschiedlichsten Meinungen geben. Erwähnt sei nur, dass Bayer 04 Leverkusen in der Saison 1995/96 den Klassenerhalt in der Bundesliga nur schaffte, weil man sich am letzten Spieltag im entscheidenden Spiel gegen den 1. FC Kaiserslautern eben dieser unsportlichen Methode bediente und beim Stand von 0:1 (was den Abstieg bedeutet hätte) den Ball nach einer Verletzungspause nicht zurück gab, sondern nach dem Einwurf direkt nach vorne gespielt wurde und die Flanke in den Strafraum per Kopf zum 1:1 (Klassenerhalt) versenkt wurde. Man kennt diese Situation in Leverkusen also und hat hier glaub ich keinen Grund, sich zu beschweren.

Im Anschluss an dieses Tor kam es zu hektischen Szenen im Mittelkreis, als sich alle Spieler zum kollektiven Remmpeln und Beleidigen trafen, das gesamte Schiedsrichter-Kollektiv schlichten wollte und sogar 3 Securitys die Hitzköpfe trennen mussten. Der Leverkusener Meyer sah nach Auflösung dieser nicht angemeldeten Demonstration noch die Rote Karte, da er seine Parolen wohl zu laut gerufen hatte. In der Schlussminute kam das Schiedsrichter-Kollektiv erneut zu einer Beratung zusammen, nachdem Tom Starke, der es natürlich nun auf Ersin Demir abgesehen hatte, diesen im Strafraum mit beiden Beinen gestreckt voran umsäbelte und ihm anschließend auch noch eine Kopfnuss verpasste. Es gab hier aber keinen Strafstoß und auch keine Rote Karte für Starke, sondern Gelb für Beide.

Dann war das Spiel zu Ende, und der CFC hat mit einer starken kämpferischen Leistung drei sehr wichtige Punkte gegen einen direkten Konkurrenten im Abstiegskampf geholt. Aufbauend auf diese Leistung kann man zuversichtlich sein, dass der Klassenerhalt bald gesichert ist.

Wertung: 3,0

Beste Himmelblaue: Tchipev, Walther, Meissner

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Pressestimmen

Morgenpost am Sonntag
Das 'Kampfschwein' Walther traf & tackelte sich vom Platz [..] In einer heißen Kampfpartie schenkten sich die Kontrahenten vor 2010 Zuschauern nichts. In der Südkurve hatten die treuesten Fans vor der Pause sogar alle Transparente versteckt und waren fast totenstill, bevor sie in Halbzeit zweit ihren Männern wieder Respekt erwiesen.

Freie Presse Chemnitz
Torjäger Demir leimt seine alten Kumpels [..] Fair geht vor, nur nicht im Abstiegskampf [..] Zu Ostern gehören Überraschungen - zu Torjägern Tore: Diese theoretischen Erkenntnisse hatte CFC-Stürmer Ersin Demir am Ostersamstag perfekt verinnerlicht. Dumm nur, dass seine ehemaligen Kumpanen von den Leverkusener Amateuren am Ende ein faules Ei im Netz beklagten und eine wahrhaft böse Überraschung erlebten. [..] Leverkusens Coach Peter Herrmann fand dagegen die Szene „mehr als unsportlich. Das hat Ersin eigentlich gar nicht nötig.“ CFC-Akteur Ingo Walther sah jedoch keinen Grund, Demirs Unsportlichkeit anzuprangern: „Im Abstiegskampf gibt es kein sportlich und unsportlich. Da gibt es nur drei Punkte zu vergeben“, meinte der weißblonde Defensivspezialist, der zu Unrecht in der 71. Minute von Schiedsrichter Rainer Plaggenborg aus Friesoythe für ein „Allerweltsfoul“ die Rote Karte erhielt. [..] Egal, die drei zu vergebenen Zähler haben die Himmelblauen eingefahren. Ob mit oder ohne bitteren Beigeschmack, wird am Saisonende kaum jemanden interessieren.

Offizielle Homepage Bayer 04 Leverkusen
Es wäre wieder mal mehr drin gewesen für die Leverkusener, die zwar beileibe keine überzeugende Leistung boten, aber gegen einen ebenfalls mäßigen Gegner zumindest einen Punkt verdient gehabt hätten. [..] "Was Demir sich da erlaubt hat, war eine Unsportlichkeit sondergleichen. Eine Riesensauerei", meinte der aufgebrachte Dirk Dreher. Verständlich, dass diese Dreistigkeit von Demir auch die Leverkusener Spieler auf dem Platz auf die Palme brachte. Im großen Gedränge ließ sich Alexander Meyer zu einem Schubser hinreißen und sah dafür Rot.

BLICK Chemnitz
Großes Rasen-Theater [..] An sein 15. Saisontor wird sich der Deutsch-Türke jedenfalls lange erinnern. Bei nächster Gelegenheit stieg Starke gegen den frei auf ihn zulaufenden Demir so hart ein, dass dieser froh sein konnte, noch heil in die Kabine zu kkommen. Freunde macht man sich durch solche Treffer eben nicht, weder als einzelner Spieler noch als Mannschaft. [..] Drei wichtige Punkte sind nun im Sack, aber insgesamt hat der Chemnitzer FC Negativ-Werbung für den Chemnitzer Sport gemacht.

27. Spieltag - Regionalliga Nord - Saison 2002/2003
Samstag, 19. April 2003, 14:00 Uhr
Fischerwiese, Chemnitz
Zuschauer: 2.010
Schiedsrichter: Plaggenborg (Friesoythe)
Chemnitzer FC
T Hiemann
A Göhlert
A ZediGelbe Karte
A Schmidt
A MehlhornGelbe Karte
M Meyer (64. Simic)
M TchipevGelbe Karte
M Meissner (59. Jörres)
M WaltherRote Karte
S Mboma (70. Rolleder)
S DemirGelbe Karte

Trainer: Müller
Bayer Leverkusen II
T StarkeGelbe Karte
A El Kasmi (64. Thönes)
A BozicGelbe Karte
A Vranjes
A Callsen-Bracker (51. Coupek),
M Dogan
M Dittrich (19. SahinGelbe Karte)
M Jerat
M MeyerRote Karte
S Dzaka
S BrdaricGelbe Karte

Trainer: Hermann
Tore
1:0 Walther (39.)
2:0 Demir (87.)

Besondere Vorkommnisse:
Rote Karte für Walther (76.)