Spielbericht

30. Spieltag - Regionalliga Nord - Saison 2002/2003
SC Paderborn
SC Paderborn
3:4
Chemnitzer FC
Chemnitzer FC

Ungewöhnliche Vorfälle in Himmelblau: 4 Chancen ergeben 4 Tore

von Frank Neubert

Mal ehrlich - welcher geneigte Fan hätte vor dem Spiel in Paderborn wirklich daran geglaubt, dass der CFC dort etwas reissen kann? Acht Gegentore in den letzten beiden Auswärtsspielen, gegen Uerdingen 5 Hundertprozentige versemmelt, und am Freitag verletzte sich ausgerechnet Spielknotenknüpfer Tchipev beim Abschlusstraining. Der allgemeine Tenor im Vorfeld der Partie tendierte daraufhin zu einem erwürgtem 0:0 als Höchstmöglichem aller Gefühle. Aber man hätte sein Herz ja nicht an die Himmelblauen verschleudert, um genau zu wissen, dass es eh immer anders kommt, und dass selbst ein Nostradamus zum Thema CFC-Prophezeiungen nur müde abgewinkt hätte. Ergo: Auf nach Paderborn!

Pünktlich 9 Uhr traf sich in C-Nord eine bunte Mischung aus 4 Fanclubs (Bert, Golfi, Griesgram, OC), um die Verfolgung der Mobile von cr97 und Sagie aufzunehmen. Irgendwo hinter Jena wurden dann die ersten Freundlichkeiten von Scheibe zu Scheibe ausgetragen, bei denen selbst Schumi blass geworden wäre. Kurz vor Eisenach sperrte man zu zweit erstmal kurz die Fahrbahnen ab, um dann brüderlich in die Raststätte zu rollen - unerhört! Dort gab es für die aufgeschreckten Kaffeeschlürfer eine schicke Fahnenparade, bestehend aus den Bannern der Clubsurfer, der Emigranten und der Uns Ulfer. Kurzer Plausch mit dem einrollenden Peter Müller und weiter ging es Richtung Paderborn. Einer der Höhepunkte der Fahrt (neben Autos in Fehlfarben und wiehernden Pferden) war die Frage von Bert an Golfi (Uns ULF), ob er denn ein Fan von Mehlhorn wäre *gg*...

Der eigenen Spürnase vertrauend, noch immer ein gegnerisches Stadion gefunden zu haben, steuerte man prompt PB-Zentrum an, was sich kurz darauf nur als Kohl.., Cola.., äh.., Kollateralziel herausstellen sollte. Spätestens am Hauptbahnhof erinnerte man sich an die warnenden Worte der Zugfahrer, dass der Weg vom Bahnhof bis zum Stadion schicke 8km betrug. Häh? Grmpf! An der nächsten Ecke traf man tröstenderweise erneut auf Peter Müller und mit vereinter Kraft wurde dann Schloss Neuhaus angesteuert. Das ist ein Nachbarort von PB, der mit vielen schicken Transpis "Der Ortskern stirbt!" seine Gäste begrüsst. Netter Eindruck. Am Waldesrand dann endlich das Hermann-Löns-Stadion, hineingequetscht in den Zwischenraum zweier überdimensionaler Hochspannungsmasten. Nicht wirklich toll. Passend dazu auch ein kleiner Talk mit einem Eingeborenen, der uns erzählte, das in PB kein Mensch Interesse an Fussball hätte - entweder würde es regnen, oder wenn nicht, dann würden die Glocken läuten.

Trainer Müller machte aus der Personalnot eine Tugend und bot zum ersten Mal Sascha Gillert von den A-Junioren auf. Auch Rolleder und Baumann durften sich von Beginn an austoben, wogegen M'Boma, Meyer und Ahlf (grübel?) die Bank anwärmen durften. Paderborn begann zügig und ließ in den Anfangsminuten keinen Zweifel aufkommen, wer die Heimmannschaft ist. Der Elan des SCP verpuffte jedoch etwas später im knisternden Hochspannungsfeld und der CFC schickte sich an, das gegnerische Gelände aufzuklären. Walther und Meissner stampften durch das Mittelfeld nagelten dort den Ball fest. Keine Torchance auf beiden Seiten und das erwürgte 0:0 schien sich zu gestalten. Leider hatte niemand dem Youngster Gillert Bescheid gesagt - denn als in der 27. Minute Rolleder einen weiten Einwurf von Zedi mit dem Kopf verlängert, zieht Gillert aus 20m unvermittelt ab - und es steht 1:0 für Nischel-Town!! Jubel, Trubel, Heiterkeit in Himmelblau! Aber der CFC wäre ja nicht der CFC, wenn nicht... Na?? Na klar doch - keine 5 Minuten später darf sich Kushev mit Owomoyela im Doppelpass üben, das Mehlhorn wird böse vernascht, und Hieme hütet scheinbar nur die linke Ecke des Tores - wutsch, da saust die Kugel rechts vorbei in die lange Ecke. 1:1 der Spielstand. Der drittbeste Angriff der Liga (21 Tore in den letzten 5 Heimspielen!) bekam nun Appetit und wusch bei den Gästen scharf nach. Zwei Minuten später lag die Kugel zum Entsetzen der ca. 100 mitgereisten Fans schon wieder in Hiemanns Kiste. Diesmal hatte Schmidt den anderen Schmidt nicht bremsen können und Dobry durfte zum 2:1 für den SCP vollenden. "Typisch", war wohl das meistausgesprochene Wort in der Gästekurve. Das Spiel nahm nun seinen üblichen Lauf, der CFC unter Druck und Hiemann verhindert mit Mühe und Not das dritte Gegentor, als er einen angeschnippelten Freistoss entschärft. Müde und entgeisterte Blicke folgten dem Spielgeschehen, als ein weiter Schlag aus der Chemnitzer Abwehr kommt, Walther mit Demir per Doppelpass nie erahntes Spielverständnis offenbart und der "weisse Büffel" aus 16m knallhart abzieht. Das Ding schlägt ein wie ein mit Wasser gefüllter Turnbeutel auf dem Marktplatz zu Köln und versetzt den tobenden Gästeblock in höchste Glückszustände. 2:2 zur Pause, wer hätte dieses Zwischenergebnis jemals zu erträumen gewagt?

In der Halbzeit verkaufte der Mex fleissig Krachtürme im Arschtaschenformat und die Lichtgestalt übte sich im Innenraum an Filmaufnahmen des himmelblauen Away-Sektors. Sehr interessant und lustig waren dabei auch die im Innenraum aufgestellten 6 unübersehbaren knallroten Feuerlöscher vor dem Gästeblock, die, so nach Ordnerauskunft, seit dem Auftritt der Dynamos zur Grundausrüstung der Ordner bei Ostmannschaften gehören. Hach, wie rührend.

Pünktlich kamen die Spieler wieder über ihre Brücke gelatscht - in PB gibt's nämlich keinen Spielertunnel, sondern eine Brücke. Aber der allgegenwärtige DFB hat schon vorgeschrieben, dass er nächstes Jahr so etwas auf keinen Fall mehr erdulden kann. Auf dem Rasen lief derselbe Film wie in Halbzeit 1 ab, Paderborn machte etwas Druck, ohne sich wirklich Chancen zu erspielen. Dem Paderborner Treiben liess dann Schieri Frank etwas Unterstützung zukommen, als er in Minute 57 bei einem Rempler von Walther gegen Devoli sein Pfeifutensil erschallen lässt und das Spiel mit einem Naja-Elfer aufpeppt. Gerov läuft an, Hiemann hypnotisiert den Ball und lenkt diesen mit scharfen Blick an die Querlatte ;o). Glück gehabt, CFC! Gut eine Stunde war gespielt, als Gillert einen Angriff durch das Mittelfeld einleitet, Walther in bester Spiellaune (gedopt, oder was?) auf Meissner verlängert, der sich rechts bis zum Strafraum tankt und mit einer wunderhübschen Bogenlampe über den herauseilenden Joswig hinweg das 3:2 für die Guten erzielt. Jetzt steppte im Gästeblock der Bär und "Auswärtssieg, Auswärtssieg" schallte über den Rasen zwischen den Hochspannungsmasten. Wahrscheinlich spielte der CFC jetzt mit dem Strom, denn nur 5 Minuten später tänzelt Walther einen Pass auf Meissner, der sofort auf den durchstartenden Demir verlängert. Torwart Joswig riecht den Braten, kommt aus seiner Kiste, verpasst aber irgendwie seinen Einsatz, so dass Ersin die Kugel nur noch ins leere Tor (diesmal ganz fair *g*) einzuschieben braucht! Nun fielen beim himmelblauen Völkchen alle Barrieren und Freudenknäule rollten durch den Gästeblock. Vier Tore in fremden Gefilden, und alle im richtigen Kasten - wann hatte es dies zuletzt gegeben? Richtig, vor gut 2 Jahren in Düsseldorf. Aber zurück nach Paderborn, denn dass Spielchen war noch nicht zu Ende. Ein Seitfallzieher von Saglik, den Hiemann toll pariert, verkündete den zeitlichen Beginn des üblichen Nervenflatterns. Und eben dieser Saglik steht in der 81. Minute völlig frei im Strafraum herum, als der Ball nach einem SCP-Freistoss herrenlos durch den Chemnitzer Strafraum fliegt- nur noch 3:4 und akute Herzkaspergefahr im Gästeblock. Oh Gott, die werden doch nicht etwa...!? Leichte Panik machte sich breit. Man mochte nur noch mit einem Auge hinsehen oder sich lieber gleich ganz abwenden, um den Horrorfilm der letzten 9 Minuten nicht mit anschauen zu müssen. Flanke auf Flanke flog in den Strafraum, Paderborn zog ein Powerplay wie beim Eishockey auf - Göhli, Mehlo, Walther droschen auf alles, was rund war und wie ein Ball aussah - der Kampf stimmte, aber ein planmässiges Spiel fand überhaupt nicht mehr statt. Herzstillstand in der 85. Minute, als Göhlert Dobry zu Fall bringt - und der liebe nette und gute Herr Frank KEINEN zweiten Elfer verhängt. Müller wechselte händeringend noch Jörres und Meyer ein - und dann war es geschafft - Auswärtssieg in Paderborn!!! Der Weihnachtsmann grüsste freundlich den vorbeihoppelnden Osterhasen und alle mitgereisten CFC-Fans...

Nach dem Abklatschen und Abfeiern am Zaun sammelte man alle 27 himmelblauen Zaunfahnen wieder ein und begab sich auf die Heimreise gen Sachsen. Der grösste Teil bummelte mit der Bahn und dem WE-Ticket durchs Land, und der Rest rüstete sich zum Wettrennen auf der Autobahn. Das cr97-Mobil fiel dabei klar aus der Wertung, weil der Boxenstopp in Eisenach sträflich unter den Tisch gefallen lassen wurde. Schiedlich und friedlich erreichten gegen 20 Uhr Sagie's Besatzung und die OC-Griesgram-Kombi die geilste Stadt der Welt, nachdem das Streckenkomitee in Glauchau noch eine Vollsperrung der A4 eingebaut hatte. Auf dem Parkplatz vom Chemnitz-Center entdeckte man dann noch eine Busladung schwarzgelber Alkleichen, drückte aber beide Augen zu und liess die dynamischen Brüder ungeschoren davoneilen ;-))...

Fazit: Der Fussballgott hat dem CFC ne' unverhoffte Schippe Sand unter den Kiel geschmissen und somit für etwas ruhigeres Fahrwasser im Abstiegskampf gesorgt. Mit nur noch einem Sieg ist der Klassenerhalt in greif- und machbare Nähe gerückt. Vielleicht kann mit einem Heimsieg gegen Bremen/Ama. die Saison bereits abgehakt und endlich mit den Planungen für das nächste Jahr begonnen werden. Die ersten Personallöcher durch Süssner und Demir verlangen nahezu nach himmelblauen Antworten und Zeichen für die Zukunft des Vereins. Optimistisch stimmt dabei die Tatsache, dass mit Baumann, Rolleder, König und nun auch Gillert eine Handvoll junge Leute an die Tür zur Stammelf klopfen!


Wertung: 2,5

Beste Himmelblaue: Gillert, Walther, Meissner

30. Spieltag - Regionalliga Nord - Saison 2002/2003
Samstag, 10. Mai 2003, 14:00 Uhr
Hermann-Löns-Stadion, Paderborn
Zuschauer: 1.000
Schiedsrichter: Frank (Hannover)
SC Paderborn
T Joswig
A Kushev
A Bollmann (63. Sadlik)
A Mrugalla
A Devoli
M Klöden
M Omowoyela
M Schmidt
M ValchinovGelbe Karte
S Dobry
S Gerov

Trainer: Dotchev
Chemnitzer FC
T Hiemann
A Göhlert
A Zedi
A Schmidt
A Gillert (87. Jörres)
M MehlhornGelbe Karte
M WaltherGelbe Karte
M Baumann
M MeissnerGelbe Karte
S Rolleder (59. König)
S Demir (90. Meyer)

Trainer: Müller
Tore
0:1 Gillert (27.)
1:1 Kushev (30.)
2:1 Dobry (32.)
2:2 Walther (40.)
2:3 Meissner (60.)
2:4 Demir (65.)
3:4 Saglik (81.)

Besondere Vorkommnisse:
Gerov verschießt Elfmeter an die Latte (58.)