Spielbericht

7. Spieltag - Regionalliga Nord - Saison 2003/2004
SG Wattenscheid 09
SG Wattenscheid 09
1:2
Chemnitzer FC
Chemnitzer FC

Eiskalter CFC baut sensationelle Auswärtsbilanz weiter aus

von Frank Neubert

Blick in die CFC-KurveAm späten Freitagabend in Wattenscheid dürfte es den nächsten Gegnern der Himmelblauen erneut kalt über den Rücken gelaufen sein, denn auch diesmal fand der Gastgeber kein Mittel, dem CFC die erste Auswärtsniederlage der Saison 2003/04 beibringen zu können. Routiniert und stellungssicher stand die Abwehr, und bei den wenigen Konterchancen schlugen die Chemnitzer zweimal eiskalt zu. Mit derselben Konzeption hatte der CFC zur Freude seiner Anhänger schon in Leipzig und in Uerdingen gesiegt. Selbst die Heimniederlage gegen die starken Braunschweiger schien keine Folgen im himmelblauen Team hinterlassen zu haben. Mit nunmehr 14 Punkten mischt der CFC weiter munter im Vorderfeld der Tabelle mit und empfängt am nächsten Samstag den FC St. Pauli zu einem erneuten Spitzenspiel im Stadion an der Gellertstrasse.

Vor dem Spiel bei der SG09 trübten allerdings mehrere Wölkchen die Stimmung im CFC-Lager. Trainer "Wuschi" Rohde stand vor der schweren Frage, welches spielende Personal er überhaupt noch im Mittelfeld aufbieten sollte: Falk Schindler plagte sich immer noch mit seiner Zerrung herum, Göhlert brummte fleissig seine rote Karte aus Uerdingen ab, und zu allem Überfluss lag auch noch der starke Rückkehrer Prymula mit einer Grippe im Bett. Somit mußte Gillert erneut zentral spielen und Meyer rutschte fast zwangsläufig ins Team. Auf der Bank nahm zum ersten Mal der junge Robin Lenk vom letztjährigen Aufstiegsteam des CFC-Nachwuchses platz. Zu den personellen Sorgen kam die Frage, wie gut Coach Rohde sein Team nach der Niederlage gegen die stark spielenden Braunschwieger wieder aufrichten konnte.

Nach gut 5 Stunden staufreier Fahrt erreichte man wohlbehalten den Stadtteil Wattenscheid am westlichen Rand der Stadt Bochum. Während der Fahrt wurde neben der Einnahme von allerlei Hopfentropfen natürlich über die Chancen des CFC philosophiert und letztlich kam man zu der Erkenntnis, daß allein aus himmelblau-statistischen Gründen kein dritter Sieg im 4. Auswärtsspiel anstehen konnte. Dachte man zumindest. Am Stadion trudelten dann nach und nach die üblichen Verdächtigen für einen Freitagskick ein. Während die Zaunfahnen mit Unterstützung des relaxten Ordnungsdienstes an den Zaun gebammelt wurden, bekam CFC-Coach Rohde vom MDR den "Sportstar des Monats August" in Form eines glänzend-klumpigen Hasseröder Auerhahnes überreicht. Wuschi sah dabei eher wie beim MDR-Ratespiel "Was ist das?" aus. Eine interessante Frage für Insider wäre auch gewesen, wieviel Anrufe davon allein auf das Konto der ca. 80 Mitgereisten gegangen waren.

Pünktlich 19:30 Uhr gab Schieri Koch das Leder frei und er sollte fortan in dem fairen Kick wenig zu tun bekommen. Wattenscheid vermochte zu Beginn der Partie wenig Akzente zu setzen, da der CFC bereits im Mittelfeld die Räume eng stellte und somit Angriffe der Hausherren vorzeitig abfing. So gut dies die Himmelblauen auch praktizierten, so wenig Möglichkeiten ergaben sich selbst nach vorn. Erst nach einer Viertelstunde zog der fleissige Zivic plötzlich von der Mittellinie per Heber ab und zwang den zu weit vor seinem Tor stehenden Schubert zu einer Glanzparade. Etwas später versuchten sich noch Meissner per Kopf und Biermann per Flachschuß, jedoch ohne zählbaren Erfolg. Das Spiel plätscherte sich nun etwas ein und die Canongesänge der Chemnitzer Fans wurden zum einzigen Highlight. Eine Viertelstunde vor Schluß raffte sich der Hausherr plötzlich auf und erhöhte die Schlagzahl. Löbe, dem man scheinbar eine neue Duracell eingesetzt hatte, ballerte gleich zweimal (28.min, 32.min) gefährlich auf den Kasten von Hiemann. Selbst die blasse Bundesliga-Ikone Witeczek brachte nun einen Kopfball in Richtung CFC-Tor zustande. Kurz vor dem Ablauf seiner Batterie, äh, der ersten Halbzeit, tauchte nochmals Löbe vor dem himmelblauen Kasten auf, scheitert jedoch am sicheren Chemnitzer Keeper. Mit einem leistungsgerechten 0:0 ging es in die Kabinen.

Die zweite Halbzeit begann mit kleineren Chancen auf beiden Seiten und gegenseitigen Bemühungen, daß Spiel an sich zu reißen. So richtig überzeugend gelang dies jedoch keinem der beiden Teams und so ergaben sich in loser Folge immer wieder kleinere Gelegenheiten vor den Toren. Der kleine, aber feine CFC-Fantrupp zog nun singend durch den Block und schickte sich an, den Gästesektor dreifach zu beschallen. Von der Tribüne trällerten die wilden Rentner on Tour, die UC sangen sich genau in der Kurve fest und der Rest des himmelblauen Völkchens fiel auf Torhöhe in den Singsang ein. Später zog man dann komplett in die Kurve um und vollführte eine schicke Uffta. Wie schon in Uerdingen, so wurde der CFC-Trupp auch diesmal wieder durch Essener und Gladbacher Supporter unterstützt - Danke, Jungs!
Die Veranstaltung auf dem grünen Rasen roch langsam nach einem 0:0, als Hiemann nach 76 Spielminuten einen Abschlag weit nach vorn drischt. Rolleder kommt nicht an das Leder, ebenso verpasst Grauer den Ball - einzig Meissner schnappt sich die Kugel, geht 15m und zieht aus halbrechts unvermittelt ins lange Eck ab. Schubert zeigt sich völlig überrascht und schon schlägt das Leder zum 1:0 für den CFC in die Maschen des Wattenscheider Tores ein! YEEAAHH! Freudetrunkene Fans auf den Rängen - feiernde Spieler auf dem Rasen, und irgendwie verspürte man das geile Gefühl, daß dieses eine Törchen heute bereits langen könnte! Beleg dafür auch die eifrige Hilflosigkeit der Wattenscheider nach dem Gegentor.
Vier Minuten vor Toresschluß gibt es Ecke von links: Die Abwehr der SG09 klärt, Zivci kommt ans Leder und zieht fulminant ab - Schubert reißt die Hände nach oben und faustet weit nach vorn ab. Genau dort lauert aber schon der eingewechselte Robin Lenk, der frech und unbekümmert aus ca. 30m volley abzieht - und der Wattenscheider Goali kann nur zuschauen, wie der Sonntagsschuß hinten links zum 0:2 einschlägt! Freudenexplosion im Gästeblock und auf dem Rasen - Knäule von hüpfenden CFC-Fans rollen durch die Lohrheide und der sein erstes Spiel bestreitende Lenk wird von den Kollegen vor Freude fast erdrückt. Unglaublich - der dritte Auswärtssieg im vierten Awaykick nahm konkrete Gestalt an.
Die Spieler in der CFC-KurveAls einige Fans noch aufgeregt am Handy hingen, um die sächsische Heimat auf die nächtlichen himmelblauen Feierlichkeiten vorzubereiten, und die Spieler noch schulterklopfend an ihre Positionen zurücktrabten, schlugen die Gastgeber eiskalt zu. Völlig vergnatzt ob der Feierlichkeiten in ihrem Stadion schleppte man den Ball in Rekordtempo zum Anstosspunkt und kurbelte los. Löbe erspäht (jaja, die mit dem Kupferkopf!) den noch viel zu weit vor seinem Kasten jubilierenden Hiemann und schaufelt einen frustbewältigenden Heber ins verwaiste Chemnitzer Tor. Mein Gott, wie unnötig - nur noch 1:2! Trotzdem tat dies der Feierlaune keinen wirklichen Abbruch und nach einer letzten Schrecksekunde (91.min, Kopfball von Grauer) erfolgte der Schlußpfiff. Fans und Mannschaft feierten noch ordentlich am Zaun, Abklatschen und La-Ola inklusive, und der MDR führte beim Abknüpfen der Zaunfahnen noch Exklusivinterviews mit den Torschützen Meißner und Lenk. Vor dem Stadion wurden dann noch 1, 2 oder auch mehr Siegesbierchen gezischt und dann ging es mit 3 weiteren Hinkelsteinen auf die weite Heimreise in die geilste Stadt der Welt.

Fazit: Der CFC bastelt weiter an seiner nahezu sensationellen Auswärtsbilanz. Zum letzten Mal hatten die Himmelblauen eine Bilanz von 10 Punkten in 4 Away-Kicks am Ende (!) der Saison 1998/99 erzielt! Zu irgendwelchen Übermut besteht aber weiterhin kein Anlass. Der Sieg in Wattenscheid entsprang mehr eiskalter Cleverness als spielerischer Überlegenheit - trotzdem macht es viel Freude, der engagierten Truppe zuzuschauen. Wo die Grenzen des CFC liegen, hatte vor einer Woche Spitzenreiter Braunschweig klar aufgezeigt. Trainer Rohde ist es hoch anzurechnen, daß er das Team nach der Heimniederlage wieder aufgerichtet und so stark für das Spiel beim selbsternannten Aufstiegsaspiranten Wattenscheid eingestellt hat. Mit dem FC St. Pauli kommt nun die nächste harte Nuß an die Gellertstraße - und erneut kann man von einem richtigen Spitzenspiel in C-Town sprechen. Es wäre zu hoffen und zu wünschen, daß der CFC nun auch zu Hause einmal beweisen kann, daß die Erfolge in der Fremde keine Zufälle sind und das man durch die engagierte und disziplinierte Spielanlage sehr wohl in der Lage ist, auf der Fischerwiese einen Favoriten in die Knie zu zwingen. Auf gehts, Jungs - entert das Piratenschiff!


Wertung: 2,5

Beste Himmelblaue: Meissner, Gillert, Teichmann, Karl

Pressestimmen

Freie Presse Chemnitz
Meißner macht‘s am meisten [..] Nach dem dritten Auswärtssieg im vierten Spiel entspannt sich Meißners Miene schnell. „Wir haben mal wieder eine sehr engagierte Leistung auswärts gezeigt“, sagt der Mittelstürmer. „Wir sind konzentriert zu Werke gegangen, haben 25 Minuten gut gespielt, dann aber den Faden verloren.“ Nicht aber die Punkte. [..]

Chemnitzer Morgenpost
Zwillingstaktik ging super auf! [..] Chefcoach Frank "Wuschi" Rohde schickte schon wieder eine "Wunderwaffe" in die Regionalligaschlacht und gewann mit seiner Truppe auch in Wattenscheid mit 2:1! [..] Nach dem 19-jährigen Sascha Gillert brachte der "Glückshändler" diesmal dessen "Zwillingsbruder" Robin Lenk - beide sind am 27.März 1984 geboren - in der letzten Viertelstunde. Und "Lenker" lederte den Ball aus 20 Metern volley zum 2:0 in den Torwinkel. [..]

Westdeutsche Allgemeine Zeitung
1:2 macht den Fehlstart perfekt [..] Viel zu brav, viel zu bieder und viel zu verhalten agierten die Gastgeber gegen eine mittelprächtige Auswahl aus Chemnitz. 75 Minuten lang erinnerte die Partie an ein typisches 0:0-Spiel. Die Kontrahenten auf dem Rasen scheuten hüben wie drüben das letzte Risiko, herausgespielte Torchancen gab es auf beiden Seiten nur ganz selten zu bestaunen.

Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Von Aufstieg redet jetzt niemand mehr [..] Im Anschluss daran jedoch sprach der 09-Trainer die Punkte in schonungsloser Offenheit an, die ihm nicht gefallen haben. Und je länger er die Begegnung mit den Sachsen Revue passieren ließ, desto länger wurde seine Mängelliste. Erstens: das Zweikampfverhalten seiner Mannschaft. "Von zehn Duellen Mann gegen Mann haben wir acht verloren."

Spielerstimmen

Markus Katriniok (SG 09)
Als ob du gegen eine Mauer läufst. Das Traurige ist: Die schlagen die Bälle nur hinten raus und machen so auch noch die Tore. Deprimierend, dass so etwas belohnt wird.

7. Spieltag - Regionalliga Nord - Saison 2003/2004
Freitag, 12. September 2003, 19:30 Uhr
Lohrheidestadion, Bochum
Zuschauer: 1.137
Schiedsrichter: Koch (Potsdam)
SG Wattenscheid 09
T Schubert
A Teichmann (66.Kuntz)
A Puschmann
A Grauer
A Pinske
M Dragovich
M TokuGelbe Karte
M Witeczek (72. Homola)
M Jurat
S Löbe
S Katriniok

Trainer: Bongartz
Chemnitzer FC
T Hiemann
A Karl
A Ahlf
A Teichmann
M Wächtler
M Zivic
M GillertGelbe Karte
M Mehlhorn
M MeissnerGelbe Karte (85. Arzt)
S  Meyer (66. RollederGelbe Karte)
S BiermannGelbe Karte (73. Lenk)

Trainer: Rohde
Tore
0:1 Meissner (76.)
0:2 Lenk (88.)
1:2 Löbe (89.)