Spielbericht

9. Spieltag - Regionalliga Nord - Saison 2002/2003
Chemnitzer FC
Chemnitzer FC
2:2
FC Erzgebirge Aue
FC Erzgebirge Aue

Und wieder 20 bemerkenswerte Schlussminuten

von Erik Büttner

Um 15:46 beendete Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus das Derby zwischen dem Chemnitzer FC und dem FC Erzgebirge Aue. Nicht immer war es für sie eine leichte Partie, die aggressiv, aber nicht zu hart geführt wurde. Letztendlich hatte die Polizeibeamtin aus Niedersachsen die 22 Jungs auf dem Grün bestens im Griff, dennoch fiel sie auch des öfteren auf Schauspieleinlagen herein. So wie in der 70. Minute, als Rainer Krieg wie vom Blitz getroffen zu Boden sank und aus der Folge des anschließenden Freistoßes der Anschlusstreffer für Chemnitz fiel. Für die Gäste aus dem Erzgebirge war das der Anfang vom (noch glücklichen) Ende.

Was jedoch davor eine Stunde lang abgelaufen war, trieb den vielen himmelblauen Sympathisanten die Zornesröte ins Gesicht. Dabei hatte doch alles so gut angefangen. Knapp 10.000 Fans, davon etwa 1500 in Lila, hatten den Weg trotz angekündigter Schauer auf die Fischerwiese gefunden. Die Südkurve präsentierte die Wappen des FCK, des CFC und der Ultras. Das gesamte Ensemble wurde garniert mit dem Schriftzug "3 gute Gründe für euch zu siegen".
Dieser Aufforderung wollten die heute erstmals in Himmelblau spielenden Schützlinge von Matthias Schulz auch sofort nachkommen. 6. Minute, eine schöne Kombination über M'boma und Meissner endet beim freistehenden Demir. Der aber setzt den Ball knapp neben das Tor von FCE-Torwart Hahnel.
Die Gäste aus dem Lößnitztal kamen nun immer besser ins Spiel, zeigten teils schöne Spielzüge, die so langsam ein ungutes Gefühl auf den Rängen hochkommen ließen. Das dies nicht unbegründet war, bewies dann die 17. Minute. Freistoß für den FCE, ausgeführt von Tetzner. Im Strafraum lässt sich Rudolf Zedi von Nikolce Noveski überspringen, Hiemann ohne Chance, und ausgelassener Jubel bei den Anhängern der Erzgebirgler.
Noch war dieser nicht abgeklungen, da zappelte der Ball schon wieder hinter dem CFC-Keeper im Netz. Nach einer Ecke wehrt Rudolf Zedi den Ball unglücklich auf die Füße des an der Strafraumgrenze lauernden Heidrich ab. Dieser zögert nicht und drischt das Leder mit einem satten Schuss ins Angel. Hiemann und Demir auf der Linie ohne Abwehrchance. Dafür schon wieder freudige Erregung im Auer Lager. Bei den himmelblauen Fans dagegen war sofort die Erinnerung an die Demütigung vom Frühjahr wieder in den Köpfen präsent.
Und genau so ging es weiter. Die Gäste stellten sich kompakt in die Abwehr und ließ die Hausherren anrennen. Vorne warteten die drei Spitzen Ullmann, Tetzner und Jank auf Konter. Den Chemnitzern fehlten jegliche Mittel um das Bollwerk der Erzgebirgler sprengen zu können. Einzig eine direkte Ecke von Mehlhorn und ein Kopfball von Meissner brachten Gefahr für Hahnels Tor.
Aber auch auf der Gegenseite langweilte sich Holger Hiemann zu Tode. Die Abwehr des CFC zwar immer wieder mit groben Fehlern. Besonders Alexandas Vesovic gab keinen guten Part ab. Er war allerdings auch angeschlagen in die Partie gegangen, und auch Daniel Göhlert konnte in dieser Phase des Spiels nicht überzeugen. Die in Führung liegenden Gäste konnten dennoch das CFC-Tor nicht in weitere Gefahr versetzen.
Unter einem lauten Pfeifkonzert verabschiedeten sich beide Mannschaften beim Stand von 0:2 in die Halbzeitpause. Den meisten der himmelblauen Fans dürfte zu diesem Zeitpunkt schon zum Nachhausegehen zu Mute gewesen sein. Das sie es nicht taten, sollten sie später nicht bereuen.

Die Ansprache von Matthias Schulz muss deutlich ausgefallen sein, auch wenn das zunächst noch nicht den Anschein hatte. Der Wiederanstoß durch die Chemnitzer landete direkt in den Reihen der Gäste. Auch personell hatte der CFC-Trainer reagiert: Alexandas Vesovic war in der Kabine geblieben, dafür kam Andreas Biermann, der die linke Seite von Ingo Walther übernahm. Walther dafür nun rechts in der Abwehr und später als sicherer und einzigster Abwehrspieler bei Offensivaktionen seiner Mannschaftskameraden.
Doch das Spiel glich unmittelbar nach der Pause weiter der ersten Hälfte. Der CFC rannte ziemlich planlos an und der FCE lauerte auf Kontermöglichkeiten. Einzigster Unterschied, die Himmelblauen konnten jetzt ein paar Möglichkeiten mehr verbuchen. Zunächst hätte beinahe Biermann FCE-Torwart Hahnel, der etwas zu weit vor seinem Kasten stand, überlistet. Dann konnte Grund gerade noch in letzter Sekunde gegen den durchmarschierten Demir retten.
Der CFC baute sich langsam aber sicher an solchen Aktionen auf. Und sie profitierten von der immer emotionaler werdenden Partie. Besonders Kay-Uwe Jendrossek spielte hier eine etwas unglückliche Rolle. Erst ließ er sich 2x Mal nach zugegeben teilweise bösen Fouls lange behandeln, um anschließend wieder mopsfidel auf's Feld zu spazieren, dann legte er sich vorm Spielertunnel mit Rudolf Zedi an. Der Knackpunkt aber dann in der 70. Minute - ein Freistoß. Krieg war gefallen, doch Demir hatte den Ball und umkurvte völlig frei den Auer Torwart Hahnel. Dieser verletzte sich dabei ohne Einwirkung des Gegners so schwer, dass Russi Petkov ihn ersetzen musste. Der Freistoß aber brachte nichts, außer einer Ecke. Diese brachte Biermann in den Strafraum herein und die Auer nicht mehr heraus. Gewühl aller Orten, Zedi legt zurück auf Tchipev, der hält aus 16m drauf und versenkt die Kugel im Netz. Tobende Chemnitzer auf den Rängen und dem Spielfeld.
Plötzlich hatte man wieder das dringende Gefühl, das wird noch was. 20 Minuten waren ja noch zu spielen.
Dieser Anschlusstreffer entpuppte sich als wahre Energiequelle für Spieler und Fans. Der FCE dagegen begann zu schlingern. Plötzlich gingen auch bei den Gästen Bälle unbedrängt ins Aus, Pässe kamen nicht mehr an.
Der CFC drückte. Rainer Krieg scheiterte nur Sekunden nach dem 1:2 mit einem herrlichen Schuss am glänzend parierenden Petkov im Auer Tor. Ecke um Ecke segelte nun der FCE-Abwehr um die Ohren. Biermann, M'boma, Krieg, Tchipev, Demir rackerten unermüdlich, doch die Zeit spielte für die Gäste, die nun entgültig in der Offensive abgemeldet waren.
Die 87. Minute: Biermann legt im Mittelfeld quer zu Tchipev. Der lupft den Ball über das Auer Bollwerk, Krieg verlängert mit dem Kopf auf Demir, der sich blitzschnell um den Gegenspieler dreht und den Ball ins Eck schiebt. Tausende Menschen auf den Tribünen liegen sich, wie die himmelblauen Akteure auf dem Grün, in den Armen und können kaum begreifen, dass es doch noch geklappt hat. Welch Erleichterung! Nun konnte man am Montag doch erhobenen Hauptes auf Arbeit/in die Schule gehen, ohne sich von den Freunden der lilanen Fußball-Kunst demütigen lassen zu müssen.
Der Fußball-Gott hatte endlich wieder einmal ein Einsehen mit der himmelblauen Anhängerschaft.
Doch noch war das Spiel nicht vorbei. Der CFC drängte weiter, zu schnell jedoch beendete Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus das 76. Derby. Denn wäre das Spiel nur wenige Minuten länger gegangen, Aue hätte sich nicht über den kompletten Punktverlust beklagen dürfen.

Am Ende zeigten sie sich dennoch im himmelblauen Lager mit dem Remis zufrieden: "Wir haben alles oder nichts gespielt und sind am Ende noch belohnt worden.", gewinnt Ulf Mehlhorn dem Spiel ein positives Ergebnis ab. Und auch Matthias Schulz fand nach dem Spiel nur lobende Worte: "Ich bin mit der zweiten Halbzeit zufrieden, zumal die Mannschaft in der Woche mächtig unter Druck stand. Nachdem wir auch in Dortmund die Führung verspielten, war es wichtig, dass wir heute einen Rückstand noch aufholen konnten. Die Psyche und Kampfbereitschaft der Mannschaft stimmt. Ich bin stolz auf die Mannschaft, dass sie noch so zurück gekommen ist." Verärgert dagegen der Coach der Veilchen, Gerd Schädlich: "Es war deprimierend, wie meine Mannschaft in der zweiten Halbzeit aufgetreten ist. Wenn ich mit 2:0 führe, muss ich auch weiter Druck ausüben. Wir haben nach der Pause überhaupt keinen Fußball mehr gespielt."

Fazit: Letztlich ist das 2:2 ein gerechtes Ergebnis. Die Chemnitzer wurden in der ersten Halbzeit ihrer einfach nicht Herr und produzierten so Fehler am laufenden Band. Aue spielte einen ruhigen, sicheren Ball und verdiente sich damit die Tore, die natürlich zu einem guten Zeitpunkt fielen, redlich. Nach der Pause agierte Aue einfach zu passiv und baute so den CFC auf. Das engagierte Auftreten der Himmelblauen in den letzten 30 Minuten hatte dann 2 Tore verdient.
Aber man darf keine Augenwischerei betreiben. Gerade in der 1. Spielhälfte wurden viele Unzulänglichkeiten des Chemnitzer FC sichtbar. Daniel Göhlert ist längst nicht mehr der sichere Abwehrorganisator wie noch vor einem Jahr. Auch Stefan Meissner ist nach wie vor auf der rechten Seite verschenkt. Nur selten kann er dort positive Akzente setzten und seine Gegner muss er häufig durch Fouls stoppen.
Überhaupt lahmt es im Mittelfeld. Zu viele Pässen finden einfach nicht den Adressaten, zu oft werden vielversprechende Angriffe abgebrochen. Ein Lichtblick ist dagegen die Offensive. Mit Cesar Mboma ist ein Spieler ins Team gekommen, der den Ball halten und verteilen kann. Noch fehlt es aber an der Abstimmung, doch hier bringt wohl die Zeit Abhilfe. Ersin Demir beweist weiter, dass er immer für ein Tor gut ist, und Rainer Krieg glänzt als Vorarbeiter, der sich allerdings ab und zu auch mal weniger fallen lassen könnten.
Es wartet also noch viel Arbeit auf Matthias Schulz, soll es mit dem Saisonziel etwas werden. Denn die (sächsische) Konkurrenz ist nicht schlecht, aber der CFC von einer Spitzenmannschaft zur Zeit weit entfernt.

Wertung: 2,5 (Eine Stunde Grauen, dann wurde es interessant)

Beste Himmelblaue: M'boma, Demir, Tchipev

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Pressestimmen

Freie Presse
Kopflos! Brauchen CFC-Spieler Psychologen?"
"[..] Nach zwei Standards und jeweils Gegentoren wirkten die Himmelblauen nach nur 20 Minuten geschockt, gelähmt und ratlos. [..]den fehlgeschlagenen Versuch, in der ersten Halbzeit Fußball zu spielen. Hinzu kommt, dass der Club weder bei Standards selbst Gefahr zu erzeugen vermag, noch bei gegnerischen Ecken und Freistößen Gefahr zu verhindern weiß. [..] Der Kampfgeist stimmte. [..] Ohne die freundliche Unterstützung der Lila-Weißen hätte es wohl ein himmelblaues Debakel gegeben.

Freie Presse - Lokalsport Chemnitz
Grottenkick mit spätem Chemnitzer Toreglück"
"[..] Planlos, einfallslos, ja hilflos wirkten die Aktionen der Himmelblauen[..] Der schwache Auftritt war mit Blick auf die tolle Kulisse von exakt 9963 Zuschauern um so ärgerlicher. [..] Genau diesen Vorwurf mussten sich auch die Gäste am Samstagnachmittag machen lassen. Durch viel zu passive Spielweise bauten sie den eigentlich schon mausetoten Erzrivalen noch einmal auf. [..]

DPA
Chemnitzer FC und Erzgebirge Aue trennen sich 2:2 "
"Die Chemnitzer erspielten sich bis zur Pause zwei Chancen, die Demir und Cesar M'Boma jedoch nicht nutzen konnten. Erst nach dem Seitenwechsel hatte Tschipew mit einem schönen Fernschuss Erfolg. Die knappe Führung wollten die Gäste danach nur noch über die Zeit bringen, doch Demir durchkreuzte diese Absicht mit seinem Tor.

Kicker
Nach 20 Minuten war die Chemnitzer Taktik hinfällig. [..] Aue dominierte bis zur Pause nach Belieben, ohne hochkarätige Chancen. Chemnitz fand kein Mittel, die Auer zu knacken. Die Bälle wurden planlos nach vorn geschlagen, Regisseur M'boma nicht einbezogen. Als sich FCE-Keeper Hahnel sich ohne Einwirkung des Gegners verletzte, wendete sich das Blatt.[..]

9. Spieltag - Regionalliga Nord - Saison 2002/2003
Samstag, 21. September 2002, 14:00 Uhr
Fischerwiese, Chemnitz
Zuschauer: 9.963
Schiedsrichter: Steinhaus (Bad Lauterberg)
Chemnitzer FC
T Hiemann
A GöhlertGelbe Karte
A Vesovic (46. Biermann)
A Mehlhorn
M Walther
M Tchipev
M Zedi
M MeissnerGelbe Karte
M Mboma
S Demir
S Krieg

Trainer: Schulz
FC Erzgebirge Aue
T Hahnel (68. Petkov)
A Grund
A Emmerich
A Noveski
M Görke
M HeidrichGelbe Karte
M Berger
M Jendrossek
S Jank
S Ullmann (64. Broum)
S TetznerGelbe Karte (83. Kurth)

Trainer: Schädlich
Tore
0:1 Noveski (17.)
0:2 Heidrich (20.)
1:2 Tchipev (72.)
2:2 Demir (87.)