Prestigeduell bei Kultverein im Sinkflug…
von Timo Görner
…denn beim 1. FC Magdeburg regiert seit der Winterpause die sportliche Tristesse. Der Mitfavorit auf Staffelsieg und Aufstieg präsentiert sich im Jahr 2010 auf Punktspielebene eher als Absteiger.
Die aktuelle Saison unseres Gegners bislang
Vor der Winterpause regierte Optimismus. Die sportliche Bilanz lag zwar wieder unter den Erwartungen, aber noch war Platz 1 machbar, wenn auch bei Rang 5 und 10 Punkten Rückstand auf Staffelprimus Babelsberg nur mit einer sehr starken Frühjahrsrunde.
Der Start in die Saison misslang mit 4 sieglosen Begegnungen gegen durchschnittlich starke Gegner (Lübeck, HSV II, Türkiyemspor, Hansa II) zunächst. Der 1. Sieg gelang in Plauen (4:1) und positive Heimauftritte gegen Wolfsburg II (3:1), Hertha BSC II (3:0), Tennis Borussia (7:0) folgten. Auch bei St. Pauli II (3:0) zeigte sich der FCM als Spitzenmannschaft. In den Spitzenspielen beim CFC und Halle (jeweils 1:1) sowie in Babelsberg (2:3) hielt Magdeburg auch gut dagegen. Ärgerlich waren dagegen die Pleiten in Oberneuland und Meuselwitz (0:1). Mit Heimstärke und einer Serie von 7 Siegen bei 25:6 Toren auf eigenem Platz hielt wenigstens halbwegs der Kontakt nach ganz oben.
Was sich dann bislang 2010 abspielt, ist für Fans und Vereinsführung nicht zu begreifen: Aus 10 Partien gab es nur 6 Zähler. Mau und ein Rückschlag in der Aufholjagd war bereits der Auftakt gegen Türkiyemspor (1:1) in der eigenen Arena. Nach zwei weiteren enttäuschenden Auftritten in Rostock und gegen Plauen (jeweils 0:1) wackelte der Stuhl von Steffen Baumgart bereits gewaltig. Vom Aufstieg sprach schon kaum noch jemand. Die klare Arbeitsverweigerung in Hannover (1:4) war schließlich das endgültige Aus für den Ex-Rostocker. Die rasante Talfahrt konnte Interimslösung Carsten Müller nicht stoppen, bestenfalls etwas abbremsen. Auswärts bleibt der FCM in diesem Jahr weiter ohne Sieg, selbst beim Schlusslicht Goslar gelang nur ein Remis (1:1). Höhepunkt der Trostlosigkeit war am vergangenen Wochenende der peinliche Auftritt bei Hertha II (0:3). Nur St. Pauli (1:0) konnte bezwungen werden - "3 Punkte für den Klassenerhalt" wurde bereits gemutmaßt.
Trotzdem ist die Heimbilanz (Rang 5) mit erst 3 Niederlagen noch einigermaßen "im Rahmen". Als Gastkollektiv zählt Magdeburg mit erst 2 Siegen mittlerweile zu den schwächeren Gemeinschaften. Offensiv kann man sich nach wie vor zu den sehr guten Teams zählen (44), die Defensive (32) arbeitete auch noch ordentlich. Die Diskrepanz Herbst/Frühjahrsrunde ist allerdings deutlich: 39:18 - 5:14 Tore.
Im DFB-Pokal war Magdeburg in Runde 1 an Zweitligist Cottbus (1:3) gescheitert. Im Landespokal war im Halbfinale Endstation. Am Mittwoch unterlag der FCM in Halberstadt (Oberliga) mit 0:1.
Delegierungen seit dem Hinspiel
Robert Littmann (23/Abwehr) wechselte nach nur einem halben Jahr und 8 Einsätzen beim FCM zu Oberligist BFC Dynamo. Die beiden anderen Akteure schafften ebenfalls nicht den Durchbruch. Tobias Friebertshäuser (22/Abwehr) spielte bis Juli 2009 1 Jahr in Reutlingen bevor es November 2009 wieder zurück nach Magdeburg ging. Ebenfalls seit Saisonende 2008/2009 ohne Verein war Hendrik Großöhmichen (24/Mittelfeld), davor aktiv für Holstein Kiel. Im Februar zog es ihn dann ebenfalls zum FCM.
Der Trainer
Seit dem 24.03.2010 wird die 1. Mannschaft von Carsten Müller (38) betreut. Der Leiter des Nachwuchszentrums und ehemalige Co-Trainer Baumgarts wird dieses Amt nur noch bis zum Ende der Saison ausüben. Er macht dann Platz für Ruud Kaiser (49). Der ehemalige Coach der SG Dynamo Dresden erhielt einen Vertrag bis Juli 2012.
Gewinner der Saison bislang
Matthias Tischer (24) wurde nach nur 2 Berufungen in der abgelaufenen Spielzeit die neue Nummer 1 im Tor. Moritz Instenberg (20/Mittelfeld) profitierte von Interimslösung Carsten Müller, er wurde bereits 5x in die Anfangsformationen berufen. Ansonsten fällt es schwer Gewinner in dieser verkorksten Saison zu finden.
Die Mannschaft
Im Tor ist der "Magdeburger Junge" Matthias Tischer (24) klar gesetzt. Die Abwehr vor ihm bildeten bislang meist Stephan Neumann (29), Marcel Probst (27), Christian Prest (29) und Silvio Bankert (24). Andreas Gaebler (26) gelang es noch nicht sich dauerhaft als Stammkader zu etablieren.
Im Mittelfeld glänzt Routinier Catalin Racanel (33) mit 12 Vorlagen als Top-Vorbereiter dieser Staffel. Maximilian Watzka (23), Simon Tüting (23), Martin Zander (23) komplettieren das Gerüst in der Zentrale. Tobias Friebertshäuser (21) konnte sich ebenfalls seit seinem Wechsel etablieren. Racanel als Vorlagengeber und Watzka als Torschütze (7) sind durchaus positiv herauszuheben. Noch ohne besondere Rolle war bislang Neuverpflichtung Hendrik Großöhmichen (24), der momentan durch Müller in die 2. Mannschaft delegiert ist.
Im Sturm hat der FCM 2 der herausragenden Angreifer der Nord-Staffel zur Verfügung. Radovan Vujanovic (28) kann auf 14 Treffer und 5 Vorlagen verweisen - Partner Lars Fuchs (27) auf 13 und 8. Auch hier gilt allerdings: die fette Beute wurde eigentlich 2009 gemacht. Die Bilanz der beiden im Jahr 2010: jeweils 2 und 1 Treffer. Viel ist das nicht. Große Konkurrenz und Alternativen im Sturm sind nicht zu sehen. Deniz Siga (22) schaffte 2 Tore in 15 Einsätzen, Marko Verkic (20) kann nur als "Joker" angesehen werden. Denis Wolf sollte im Sturm eine Verstärkung werden, ist aber bis Anfang März 2010 ausgefallen.
Angesichts des guten Personals kann man eigentlich nicht begreifen, wie Magdeburg nach der Winterpause derart einbrechen konnte. Schon der aktuelle Platz 8 ist für dieses Aufgebot eigentlich undiskutabel.
Die Einkaufsbilanz
Aktuell sind 9 Verpflichtungen zu bewerten. Von denen schafften Fuchs und Tüting den Status "Stammspieler". Gaebler konnte dies nur zeitweise erreichen, Friebertshäuser ist auf einem ganz guten Weg. Pech dagegen, das Denis Wolf nach einer Beinverletzung in der bisherigen Saison ausfiel. Fazit: ordentlich.
Prognose
38 Punkte reichen am Ende eventuell nicht für den Klassenverbleib. Die fehlenden 2,3 Zähler wird man noch holen. Tipp: der FCM steigert sich noch mal etwas und kommt am Ende zwischen Rang 6 und 8 ein.
Umfeld
Es rumort – nach dem Landespokalaus am Mittwoch nur noch mehr. Nach dem Fast-Aufstieg in die 2. Bundesliga 2007 galt der knappe Abstieg durch die knallharte Relegation in die neue Regionalliga Nord noch als "Betriebsunfall". In den letzten fast 2 Jahren macht sich allerdings schleichende Stagnation mit Tendenzen zum Rückschritt deutlich. Parallelen zum CFC nach dem Abstieg aus Liga 2 im Jahr 2001 sind nicht ganz vom Tisch zu wischen. Die Talfahrt zu verhindern wird Aufgabe der momentan umstrittenen Vereinsführung sein. Für die kommende Saison wird man abspecken müssen, es ist mit Abgängen von Stammspielern zu rechnen. Ob man Leistungsträger wie Vujanovic, Fuchs oder Watzka wird halten können, erscheint zumindest fraglich. Ruud Kaiser soll eher mit dem Neuaufbau der Mannschaft beginnen. Bei Watzka jedenfalls deutet sich eine Rückkehr nach Leipzig an, zum "neuen Krösus der Nord-Staffel", der mit ungleich besseren Voraussetzungen an den Start gehen wird als der FCM nach 2 eher durchwachsenen Jahren 4. Liga.
Deutliche Anzeichen der Unzufriedenheit im Fanlager waren die letzten Zuschauerzahlen. Mit gerade mal 3.200 Besuchern gegen den FC St. Pauli II erlebte die Magdeburger Arena nach ihrem Neubau einen Minusrekord, bereits zuvor 3.500 gegen Plauen waren die "Abstimmung mit dem Fernbleiben". Für den FCM stehen schwierige Zeiten bevor, die Rückkehr in die 3. Liga erscheint ferner den je.
