Gastspiel an der "Bremer Brücke" ohne Druck...
von Timo Görner
...im Gegensatz zum VfL, der mitten im Aufstiegsrennen ist und nach der Pleite der Vorwoche punkten muss.
Die aktuelle Saison unseres Gegners bislang
Der VfL Osnabrück steht nach 28 Spieltagen auf einem direkten Aufstiegsplatz und damit im Soll. Der Vorsprung auf Rang 3 beträgt jedoch lediglich einen knappen Zähler und drei auf den "undankbaren 4. Platz".
Die Niedersachsen etablierten sich seit Saisonbeginn an der Spitze, unter anderem mit dem gelungen der Auftakt gegen Aufsteiger Dortmund II (2:0). Nach 5 Spieltagen war der VfL eine von drei ungeschlagenen Mannschaften, viermal wurde gewonnen und nur ein Tor kassiert. Umso bemerkenswerter fiel die erste Pleite beim Abstiegskandidaten in Stuttgart (0:3) aus. Doch bis zur Winterpause hielt Osnabrück das Niveau und beendete die 22 Spiele 2012 als Tabellenführer. Lediglich 3 Niederlagen standen zu Buche: Neben der Abfuhr in Degerloch wurde erneut überraschend in Babelsberg (0:1) verloren und nicht zuletzt die schmerzliche Pleite im Derby gegen Münster (0:2) kassiert. Das kompensierte man durch eine Reihe von starken Auftritten zu Hause gegen Unterhaching oder Saarbrücken (je 3:0) und konnte aber auch auswärts in Chemnitz, Rostock (3:0), Offenbach (5:1) und Heidenheim (3:1) Überzeugen. Die Lila-Weißen sind mit Abstand zu den Konkurrenten Bielefeld, Münster, Karlsruhe die beste Auswärtsmannschaft mit 24 Zählern aus 12 Auftritten. Auf eigenem Rasen reichte es nur zu Platz 4, knapp hinter diesen Teams. Grund dafür ist aber eher die Stärke der Mitbewerber im eigenen Stadion, die Bilanz unseres Gegners mit 7 Siegen in 10 Begegnungen und der Münster-Pleite ist dennoch stark. Auswärts Spitze und die Defensive waren Grundsteine zur Tabellenführung. Mit nur 14 Gegentoren konnte nur der KSC mithalten. Mehr Vorsprung wurde durch Patzer in Babelsberg, Stuttgart, Dortmund (1:1) verspielt. Nicht optimal zudem Heimspiele, wo man sich schwer tat. Erfurt, Darmstadt wurden nur knapp (1:0) besiegt, gegen die Hessen das 1:0 erst 4 Minuten vor Ende erzielt. Wehen Wiesbaden (2:2) führte bis Minute mit 2:1.
In der Winterpause wurde im Angriff nachgebessert. Der Start 2013 ging im "Skandal-Spiel" gegen Mitkonkurrent Karlsruhe mit 2:3 daneben. Dazu gab es eine Pleite in Erfurt (1:2). Eine Serie von 3 Siegen in Folge hielt der VfL weiter im Rennen. Gegen die Stuttgarter Kickers (3:1) wurde sich revanchiert und in Unterhaching (2:0) sicher gesiegt. Hart erkämpft die nächste Revanche: Babelsberg (1:0). Das war eine deutliche Ansage an die Konkurrenz vor dem brisanten Derby in Münster, wo jedoch schon nach 25 Minuten mit dem 0:3 alles verloren war. Mehr als der Ehrentreffer gelang nicht, damit war die Tabellenführung verloren. Die Tendenz 2013 ist mit 3 Siegen und 3 Niederlagen nicht aufstiegsreif. Bielefeld, Karlsruhe, Münster und auch Heidenheim zeigen sich erfolgreicher. In der Defensive sind nun zwei besser, in der Offensive drei. Osnabrück ist weiter bester Gast, aber nicht mehr so eindeutig. Als Platz bauende Gemeinschaft muss man sich steigern, hier sind die drei Rivalen besser. Bemerkenswert ist, dass 7 Mannschaften zuhause mehr Tore erzielt haben (22).
Im Niedersachsenpokal spielt man am 24.03.2013 im Viertelfinale in Havelse. Bei den möglichen Gegnern im Halbfinale ist der SV Wilhelmshaven aus der Nord-Staffel der 4. Liga der höherklassigste Gegner, der Pokalgewinn somit Pflicht.
Delegierungen seit dem Hinspiel bislang
Stürmer Christian Pauli (21) wurde an Regionalligist SV Wilhelmshaven ausgeliehen, um dort Spielpraxis zu sammeln. Er soll nach Saisonende wieder zurückkehren und hat noch Vertrag bis 2015.
Für das Tor verpflichtete Osnabrück Marcus Rickert (29) aus Erfurt, der dort ab Mitte November durch Andreas Sponsel abgelöst wurde. Grund für diese Personalie war die Verletzung von Stammkeeper Manuel Riemann. Ironie der Geschichte: Rickert flog gleich im ersten Spiel gegen den KSC nach Foul vom Platz. Nachdem Riemann schneller wieder fit wurde als gedacht, blieb es bei einem weiteren Einsatz. Im Angriff wechselte der Rumäne Emil Jula (33) auf Leihbasis vom MSV Duisburg zum VfL. Er war unter Wollitz in Cottbus aktiv und Juli 2012 an den zypriotischen Erstligisten Anorthosis Famagusta ausgeliehen. Bei den Südeuropäern spielte er keine große Rolle; seine Bilanz in Duisburg: 24 Spiele mit 4 Torerfolgen.
Der Trainer
Claus-Dieter Wollitz (47) hat seit einem Jahr und zwei Monaten wieder das Sagen auf der Kommandobrücke. Sein Vertrag läuft noch bis Juli 2015. In der Herbstrunde gab es immer wieder Anzeichen für einen Rücktritt des streitbaren Fußballlehrers. Die Gründe lagen im Umfeld des Vereins, unter anderem in den Trainingsbedingungen. Die Vereinsspitze gab sich alle Mühe, den Erfolgstrainer zu halten, zumal der VfL Wolfsburg (angeblich) Interesse hatte.
Die Mannschaft
Nummer Eins im Tor ist mit Manuel Riemann (24) einer der besten Keeper dieser Liga. Sein Vertreter während der Verletzung war Markus Rickert (29). Nach dessen Platzverweis musste Nils Zumbeel (23) ran. Die Abwehr sieht David Pisot (25), Alexander Krük (26) und Nils Fischer (26) als Gerüst. Dazu kommen mit Timo Beermann (22) und Sebastian Neumann (22) zwei junge Akteure sowie der Tscheche Martin Hudec (30), der in der Herbstrunde zum Stamm zählte. Seit Januar 2013 fällt er wegen einer Erkrankung (Pfeiffersches Drüsenfieber) aus - Comeback noch unbekannt.
Im Mittelfeld haben der Ungar Daniel Nagy (21), Marcus Piossek (22) und Timo Staffeldt (29) die Nase vorne. Claus Costa (28) kämpft um den Sprung in diesen Kreis, wurde 13x eingewechselt. Er zeichnet für 3 Tore verantwortlich. Erfolgreichster Akteur in diesem Sektor ist Marcus Piossek mit der Bilanz von 5 Toren und 6 Vorlagen. Als Vorbereiter konnte zudem Daniel Nagy (6) glänzen. Auch hier muss Wollitz Ausfälle verkraften. Niels Hansen (29) zog sich vor Saisonbeginn einen Kreuzbandriss zu, fällt noch bis Ende März 2013 aus. Routinier Massimilian Porcello (32) hat ebenfalls noch kein Spiel absolviert (Knorpelschaden). Piossek fällt nach Gelb-Rot gegen Münster gegen den CFC ebenfalls aus.
Im Angriff hat Osnabrück mit Gaetano Manno (30) und "Jungspund" Simon Zoller (21) ein starkes Sturmduo. Zoller erzielte bereits 10 Tore zuzüglich 5 Vorlagen, Manno kommt auf 8 Treffer und bereitete immerhin neunmal vor. Adriano Grimaldi (21) bleibt auch in Osnabrück Ergänzungsspieler, erwies sich zweimal als "Joker". Emil Jula (33) ist noch ohne Erfolg. 29 Spieler stehen im Kader, darunter 4 Torhüter. 24,9 Jahre im Schnitt bedeuten ein relativ junges Aufgebot, die Aufstiegs-Mitkonkurrenten liegen alle darüber. Der VfL ist besetzt mit herausragenden Kickern dieser Liga: Riemann, Manno, Zoller, Piossek, Nagy. Bemerkenswert auch, dass mehrere junge Aktive zu den festen Größen zählen. Ob dies im knallharten Aufstiegsrennen ein Nachteil ist, wird sich herausstellen.
Die Einkaufsbilanz
18 Neuzugänge stehen bislang zu Buche. Von denen konnten sich Neumann, Piossek, Zoller, Pisot, Krük, Manno, Staffeldt und Nagy etablieren. Alle 3 Neuen vom KSC (Zoller, Staffeldt, Piossek) sind darunter und wie Manno sowie Nagy echte Verstärkungen. Fazit: gut eingekauft.
Gewinner der Saison bislang
Simon Zoller (21) kam letzte Saison in Karlsruhe nur zu 6 Kurzeinsätzen, beim VfL ist er gesetzt und Leistungsträger. Daniel Nagy (21) kam aus der 4. Liga vom Hamburger SV II und packte den Sprung in den Stammkader einer Spitzenmannschaft der 3. Liga. Marcus Piossek (23) spielte eine noch kleinere Rolle beim KSC als Zoller, schaffte ebenfalls den Durchbruch. Möglich aber, dass der Erfolg solcher Talente für den VfL das bringen wird, was auch der CFC zur Genüge kennt...
Prognose
Ich für meine Person sehe den VfL im Aufstiegsrennen eher auf Platz 3 oder 4 hinter Karlsruhe und Bielefeld, die etwas beständiger scheinen. Wichtig wird sein, wie die Talente im Team mit dem Druck aus dem Umfeld klar kommen werden. Da sehe ich die beiden oben genannten Teams im Vorteil.
Das Umfeld
In der "11 Freunde" März 2013 wird der VfL Osnabrück als "einer der letzten Klubs alter Schule" gelobt. Doch trotz Platz 2 und guter Aufstiegschancen ist die Stimmung weniger rosig. Finanzielle Probleme belasten den Verein nach wie vor. Ende November 2012 bekannte "Pele" Wollitz, dass er den Job nicht angenommen hätte, "wenn er die Situation gekannt hätte." Zu dem Zeitpunkt betrugen die Verbindlichkeiten rund 9 Mio. EUR. Die Rettung bestand darin, dass die Stadt 7,6 Mio. EUR für die Stadionimmobilie inklusive Schulden löhnt und diese dann wieder an den VfL zurück vermietet. Die Bedingung spaltete den Verein in zwei Lager, von denen eines die Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung kategorisch ablehnte. Am Ende reichte es für die notwendige Mehrheit von mindestens 75% der Mitglieder für die Satzungsänderung. Ein schwer erkämpfter Sieg für den bei Teilen der Anhänger und Mitglieder umstrittenen Vereinschef Gert Lehker. Bei einer Niederlage hätte die Insolvenz gedroht. Für die Verpflichtung von Markus Rickert aus Erfurt musste man sich das "OK" des DFB holen. Wie in Rostock bleibt die Größe des Kaders (29) trotz der Engpässe bemerkenswert. Gerd Lehker, der nach dem Rücktritt von Gerd Rasche im Februar 2012 kommissarisch das Ruder übernommen hatte und später durch Prof. Dr. Christian Kröger (Rechnungswesen) abgelöst wurde, legte Mitte Februar 2013 sein Amt nieder. Folge eines auch nach außen sichtbaren Machtkampfes zweier Lager. Pro Risiko (Lehker) gegen weitere Konsolidierung (Kröger). Hinzu kommt die Basis-Opposition NfdV ("Nur für den Verein"), die sich vor allem an der mangelnden Transparenz stört.
Mit welchem Zuschauerschnitt man diese Saison kalkuliert, ist nicht bekannt. 2011/2012 waren es 9.700, erreicht wurden 8.719. Ein Grund für die Schieflage. Diese Spielzeit bewegt man sich bei deutlich mehr, 10.654 im Schnitt besuchten die Spiele an der "Bremer Brücke". Mehr hat nur Aachen. Allerdings sind die beiden "Kassenschlager" gegen Bielefeld (16.000) und Münster (15.000) schon Vergangenheit. Macht dann aber immer noch beeindruckende 9.772. Neben Bielefeld und Münster wurde noch 5x die 10.000er "geknackt", zuletzt mit 10.000 gegen die Stuttgarter Kickers und nicht zu vergessen 13.000 im "Gipfeltreffen" gegen den KSC. Babelsberg sahen im letzten Heimmatch vor dem CFC eher enttäuschende 7.700 Zuschauer, was aber vielleicht auch an der Kälte und dem NDR-Livestream lag. Zahlreich vertreten waren die Osnabrücker Fußballfreunde beim Derby in Münster, wo 2.400 die Mannschaft begleiteten. Auch mit "Nebengeräuschen" der Pyrotechnik – in beiden Lagern. Es ist eines der brisantesten Derbys dieser Fußballrepublik.
