Vereinsgeschichte
Persoenlichkeiten


Steffen Karl

Nichts geht mehr, Steffen Karl!

Portraetbild Steffen Karl in der Saison 2003/2004 Am 16. März 2005 zog der Chemnitzer FC einen Schlußstrich. Er beendete den Vertrag mit dem 35jährigen Abwehrspieler und reagierte damit auf die Verstrickungen in den Bestechungsskandal um Schiedsrichter Robert Hoyzer. Der bisherige Co-Trainer und Kapitän des CFC hatte gestanden, den Cottbusser Torwart Georg Koch zu Spielmanipulationen aufgefordert zu haben. Galt bis zuletzt die Unschuldsvermutung, so gelangten nun zahlreiche Details ans Tageslicht. Zuvor hatte Karl in einer eidesstattlichen Erklärung seine Nichtverwicklung bekundet und damit die Personen, die zu ihm hielten, schwer enttäuscht. Nicht nur das Kapitel Chemnitz dürfte für den Fußballprofi aus Sachsen-Anhalt nun zu Ende sein. Auch sein Name hat schweren Schaden genommen.

Wer aber war eigentlich Steffen Karl?

Die Spurensuche beginnt in Halle an der Saale in den letzten Jahren der DDR. In der grauen Chemiearbeiterstadt soll der Fußball von Arbeit und Alltag ablenken, und dazu holt man begabte Spieler aus allen Teilen des Bezirkes. So auch Steffen Karl, geboren am 3. 2. 1970 in Hohenmölsen. Über die Stationen Medizin Halle-Nietleben und Empor Halle gelangte er 1982 zum Leistungszentrum HFC Chemie. Er zählt zu den Supertalenten der DDR, und von seinem 15. Lebensjahr an spielt er in allen Auswahlmannschaften des Landes. Sein größter Erfolg: Ein dritter Platz bei der Junioren-EM 1988. Das Debüt in der Fußball-Oberliga gab er im April 1988 im heimischen Kurt-Wabbel-Stadion. Die Presse überschlug sich vor Lob. "Abgeklärte Spielweise eines 18jährigen" schrieb das Sportecho beispielsweise und Trainer Trautmann bescheinigte "strategische Fähigkeiten". Tatsächlich zeigte Karl bereits frühzeitig Sinn und Verstand fürs Kombinieren sowie die Fähigkeit, genaueste Pässe zu schlagen. Nach 6 Einsätzen (1 Tor) im ersten Jahr war er ab 1988/1989 aus der Stammelf des HFC nicht mehr wegzudenken. Gemeinsam mit Dariuz Wosz und René Tretschok bildete er ein Mittelfeld, das zu den besten seiner Zeit gehörte.

Steffen Karl auf einer Autogrammkarte von Borussia Dortmund Im Sommer 1989 verschwindet Steffen Karl plötzlich aus Halle und taucht im Kader des Bezirksligisten Stahl Hettstedt wieder auf. Was war passiert? Während in Ungarn die Grenzzäune fielen, erläuterte er in einer Diskothek der Saalestadt seine späteren Pläne für die Bundesliga. Man schrieb mit, und das Aus vom Leistungssport folgte auf dem Fuße. Die Wende in der DDR und seine Rehabilitierung am 22. Dezember verfolgte Karl von Rostock aus, wo er seinen NVA-Dienst ableisten mußte. Anfang Januar 1990 nutzt der Soldat einen Urlaub zur Übersiedlung in die BRD und unterschreibt bei Horst Köppel in Dortmund einen Vertrag. Der HFC protestierte, doch Karl war nun dort, wo er immer hinwollte. Im westdeutschen Profifußball. Von 1990 bis 1994 spielt er für die Borussia im Westfalenstadion und erlebt glanzvolle Zeiten. Die Zeitungen in Halle beruhigen sich nun, nachdem sie viel über Karls Schwächen publizierten. Querschläger, Ausbrecher, Egoist hieß es da über einen Jungen, der gern im Mittelpunkt stand. Jedoch nach einer Alkoholfahrt am Jahresanfang 1994 strich Otmar Hitzfeld ihn aus dem Programm, und Eisen-Karl wechselte zu Manchester City. Hier heißt er "deutscher Panzer" und ist wieder ein gefeierter Star. Ehefrau Peggy mit Sohn Maximilian halten zu ihm. Es folgen weitere Gastspiele beim FC Sion, Hertha BSC, FC St. Pauli und Valerengen Oslo, wo er stets zu den Besten gehört. Im März 1999 wird Steffen Karl erpresst, wie die Hamburger Morgenpost schreibt, und taucht unter. Genauere Informationen bleiben aus. Auch der Wechsel zu Lok Sofia 2001 steht unter keinem guten Stern, denn dieser Verein gehört dem Millionär und Waffenhändler Nikolai Gigov mit Zweitwohnsitz Paris.

Steffen Karl (li.) und Darius Wosz beim HFC Chemie Im Sommer 2003 wird der Berliner Frank Rohde Trainer beim Chemnitzer FC. In seinem Gepäck befindet sich Steffen Karl, mit 5 Kilo Übergewicht, aber auch mit Routine und spielerischer Klasse. Trainer Rohde weiß, daß Karl auch als Spielervermittler tätig ist und sechs Chemnitzer Spieler, darunter Mario Fillinger betreut. Der Routinier speckt ab und zählt als Libero zu den Leistungsträgern einer nur durchschnittlichen Elf. Mit ihm und vielleicht auch durch ihn, wie Rohde später unterstreicht, wird knapp der Klassenerhalt geschafft. In jenen Tagen des Mai 2004 unternimmt Steffen Karl den folgenschweren Versuch, im Auftrag einer Berliner Wettmafia den Cottbusser Tormann Koch zu bestechen. Der Versuch scheitert und gelangt erst Monate später durch den Schiedsrichterskandal ans Tageslicht. Bis zu seiner Verhaftung am 11. März 2005 beteuert er Freunden, Mitspielern und dem Verein gegenüber seine Unschuld. Für den Chemnitzer FC ist der Image-Schaden groß, wird er doch ständig im Zusammenhang genannt. Konsequent erfolgt die Trennung vom ehemaligen Kapitän. Noch immer ist Entsetzen und Enttäuschung unter den Fans groß, gerade weil der CFC bislang von Skandalen verschont blieb. Doch nun hat auch ihn das Wolfsgesetz des Kapitalismus erreicht, daß erst das Fressen kommt, und dann die Moral. Steffen Karl ist ein Spiegelbild unserer Gesellschaft, in der einzig materielle Werte zählen. Für 50 Einsätze und zwei Tore sei gedankt, jedoch nicht für falsches Spiel und Egoismus!

(Stand 20.03.2005)
Steffen Karl (re.) und Uwe Jaehnig als DDR-Junioren-Nationalspieler Zur Person:
  • Geboren: 03.02.1970 in Hohenmölsen
  • Größe: 1,82 m
  • Familie: 1 Sohn
Stationen:
  • Empor Halle
  • Hallescher FC Chemie
  • Stahl Hettstedt
  • Borussia Dortmund
  • Manchester City
  • FC Sion
  • Hertha BSC Berlin
  • FC St. Pauli
  • Valerenga Oslo
  • Lokomotive Sofia
  • Vom 30.07.2003 bis 16.03.2005 Chemnitzer FC
Spiele und Tore
  • 99 Spiele in der 1. Bundesliga
  • 31 Spiele in der 2. Bundesliga
  • 50 Regionalligaspiele für den CFC
  • 4 Sachsenpokalspiele für den CFC
  • 2 Regionalligatore für den CFC
Erfolge
  • UEFA-Cup-Finalteilnahme 1993
  • Norwegischer Meister 2001
Fotos: CFC-Fanpage, FuWo, Sportbild, HFC Chemie

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