1. Runde im DFB-Pokal
CFC-Überfall mit Bundesligaroutine abgewehrt
Chemnitzer FC gg. 1.FC Köln 2:5 (2:3)
Austragungsort: Fischerwiese, Chemnitz
Datum und Zeit: Sonntag, den 26.08.2001 um 15.30 Uhr
Aufstellungen:
Chemnitzer FC: Hiemann - Bittermann, Hauptmann, Schmidt, Franke (67. Chudzik) - Walther, Tchipev, Göhlert, Fröhlich (84. Ratkowski) - Meissner (58. Podszus), Krieg | Trainer: Schulz
1.FC Köln: Bade - Dziwior, Cullmann - Reeb, Balitsch, Springer (79. Sinkala), Voigt - Kreuz - Scherz, Baranek (79. Kurth), Donkov (64. Reich) | Trainer: Lienen
Schiri: Minskowski (Hanstedt)
Zuschauer: 4.330
Gelbe Karten: Franke - Voigt
Torfolge:
1:0 Fröhlich (7.)
2:0 Krieg (9.)
2:1 Scherz (10.)
2:2 Donkov (19.)
2:3 Kreuz (42.)
2:4 Scherz (66.)
2:5 Scherz (75.)
Zum Spiel:
Nach dem fragwürdigen Gekicke in Bremen, wo die CFC-Fans sogar den Mannschaftsbus anhielten, um nachzufragen, welche Sportart den dort überhaupt seitens der Himmelblauen dargeboten wurde, konnte es einem bei den Gedanken an das Pokalspiel gegen den 1.FC Köln schon irgendwie schlecht werden. Aber da war ja noch etwas - und zwar die Beurlaubung des leider glücklosen Coaches Dirk Karkuth und die damit verbundene Inthronisierung von Matthias Schulz als neuen CFC-Trainer. Schulz blieb auch gleich beim Abwehrsystem mit Libero, wo Ralf Hauptmann nun gegen seinen alten Verein zeigen konnte, was er noch drauf hat. Nebengeräusche aus der Mannschaft, wie "für den neuen Trainer zerreißen" und Schulzes ernsthafte Ankündigung, die nächste Runde erreichen zu wollen, machten Mut.
Aus Köln waren ca. 300 Gästefans angerückt, bißchen schwach für einen Erstligisten und einen hübschen Sonntagnachmittag. Zur Strafe durften die Domstädter dann auch zu Spielbeginn eine imposante Choreo der Ultras bewundern, wo in der Südkurve ein blaues Meer aus Müllsäcken entstand, in dem unter höhnischen Gesängen der Kölner Dom unterging. Und ein fettes Plakt schrie zum Gästeblock "Es kommt die Zeit, in der das Wasser wieder steigt" hinüber. Hübsch gemacht und schon fast allein den Eintritt wert.
Auf dem Rasen wollten nun die himmelblauen Zweibeiner ihren Fans in nichts nachstehen und ließen von der ersten Minute an überhaupt keinen Zweifel aufkommen, wer hier der Chef im Hause ist. Der CFC explodierte förmlich auf dem Rasen, und alle Fans, die das Gegurke gegen Paderborn miterleben durften, glaubten wohl, im falschen Film zu sein. Walther, Fröhlich, Bittermann waren überall auf dem Platz und die Kölner wurden in der eigenen Hälfte regelrecht eingeschnürt. Auch der Fußballgott schien heute zuzugucken, und so ließ er das Leder völlig verdient in der 7. Minute im Kölner Kasten einschlagen. Walther bolzt von der rechten Seite nach innen, Köln wehrt vor die Füße von Krieg ab, welcher clever den Ball hält und auf Tchipev spitzelt - der sieht wiederum Fröhlich, welcher nun die Kugel überlegt in die lange Ecke einnetzt. Riesenjubel unter den himmelblauen Artgenossen.
Und weiter ging es, die Kölner nun erst recht beeindruckt und hilflos wie der Dom bei Hochwasser. Zwei Minuten später eine Ecke von links. Die Murmel segelt zum langen Pfosten, wo das Luftduell Schmidt-Voigt remis endet und der Ball unbeirrt durch den Strafraum zu Rainer Krieg hoppelt. Der Mann mit der Torgarantie und den scheinbar magnetischen Füßen steht mit dem Rücken zum Tor, aber das stört den "Apparat" nicht - annehmen, rumdrehen, schießen - alles eine Bewegung, und zum Entsetzen der Kölner kracht das Leder genau in das rechte Dreiangel. 2:0 für Chemnitz - Weihnachten und Ostern fielen zusammen. Unglaublicher Jubel auf den Rängen und ein himmelblaues Freudenknäuel rollte auf dem Rasen herum.
Aber auch die Zweifler sollten nicht enttäuscht werden, denn der gute alte CFC-Trott bewies sich nur eine Minute später. Beim Wiederanstoß pennt die komplette Abwehr, Scherz schnappt sich die Kugel, rennt durch den Strafraum, am Statisten Marco Franke vorbei, und hat nur wenig Mühe, Hiemann aus spitzen Winkel zu überwinden. Mist, nur noch 2:1 - einfach unfassbar, diese Schlafeinlagen in der Abwehr. Aber es sollte noch dicker kommen. Die Platzbesitzer nun etwas vorsichtiger und Köln besser im Spiel. Sofort fiel auf, daß die Chemnitzer Abwehr mit Donkov und Scherz Gegner hatte, denen sie nicht gewachsen war. Bittermann und Franke mühten sich zwar, aber es langte vor allem beim jungen Franke nicht. So kam die 19.Minute, als Donkov per Doppelpass auf der linken Seite in Szene gesetzt wird, dabei Bitti und Schmidt vernascht und mit einem flachen Heber über den herausstürzenden Hiemann das 2:2 erzielt. Schade CFC, der kleine himmelblaue Traum begann im Nebel zu zerfließen.
Die nächste Spielphase war vom Kampf beider Teams gekennzeichnet, das dritte Tor erzielen zu wollen. Der CFC immer noch mit viel Leidenschaft, vor allem Fröhlich zerrte im Mittelfeld an den Ketten. Köln wirkte jetzt souveräner und stütze sich auf seine bundesligaerprobten spielerischen Mittel, denen der CFC nur Kampfgeist entgegensetzen konnte. Kurz vor der Halbzeit dann die fast schon gewohnte kalte Dusche - der Gegner macht kurz vor dem Pausentee ein Törchen. Und wie immer überflüssig wie ein Schuhanzieher in der Wüste. Eine Donkov-Flanke von rechts schwebt in den Strafraum, wo Walther in der Mitte mit dem Kopf zu kurz abwehrt - der Ball kommt zu Kreuz, und alle schauen staunend zu, wie der Kölner mit einem strammen Schuß das Spielgerät ins Dreiangel befördert. 2:3, na toll, aber als echter Masochist steckt man das ja locker weg.
Scheinbar war das dem zeitweilig indisponierten Herrn in Schwarz, auch Minskowski genannt, nicht genug. Beim letzten Kölner Angriff vor der Pause, wo der rotebehemdete Spieler vom Atem eines himmelblauen Akteurs zu Boden geworfen wird, tritt die Pfeife in Aktion und es gibt Elfmeter für die Domstädter. Da aber unberechtigte Elfer nie reingehen, und wir außerdem einen Hi-Man im Tor haben, bleibt es beim 2:3 zur Pause. Klasseparade des heimgekehrten himmelblauen Sohnes - auf dem Weg in die falsche Ecke die Faust ausgefahren und dabei den Ball um die entlegene Ecke gelenkt - mit tosenden Beifall für Hieme und die insgesamt doch ganz ansehnliche CFC-Leistung geht es in die Pause.
Die zweite Halbzeit nun mit CFC-Spielrichtung auf die Südkurve - früher mal ein Schmackofatz und Garantie für himmelblaue Heimsiege. Der CFC aber erstmal ohne den Überfallfußball der ersten Halbzeit, man mühte sich zwar redlich, versuchte aber auch, hinten dichter zu stehen. Die Kölner eher skeptisch ob des unberechenbaren Gegners - auch hier erst mal mehr Kontertaktik, als intensive Bemühungen nach vorn. Man belauerte sich gegenseitig - und der Bundesligist gewann, leider. 66 Minuten waren gespielt, als wieder einmal Donkov zur Grundlinie durchbricht, von dort auf den langen Pfosten flankt und der starke Scherz keine Mühe hat, gegen die Laufrichtung von Hieman den Ball im Netz zappeln zu lassen. Einfach zum piepen - neuer Spielstand 2:4, Freude bei den Rheinstädtern und der moralische Genickbruch für die Nischelstädter [tm]. Irgendwie war nun die Luft raus, und auch die Stimmung auf den Rängen trübte sich ein. Erstaunlich allerdings, das die Fans des Erstligisten außer Meterware an Zaunfahnen keine wahrnehmbaren Aktivitäten entwickelten - tja, hätte mal lieber der CFC mit 4:2 geführt ;-).
Trainer Schulz wechselte den überforderten Franke gegen Chudzik aus, der aber auch seine Sorgen mit den schnellen Kölnern bekam. Dann die Ansage von Olaf Kadner, daß sich 4300 Zuschauer im Ground eingefunden hatten - und ein mitleidiges Augenzwinkern für die Kölner, die ja die Hälfte der Einnahmen zur Sanierung des Doms (oder doch der Müngersdorfer Betongrube?) mit an den Rhein nehmen durften. Das Spiel plätscherte nun vor sich hin - der CFC resignierend und die Kölner mit Routinefussball. Einzig Scherz hatte noch nicht genug. Eine Viertelstunde vor Spielende greift Chudzik nicht energisch genug ein und prompt schießt Scherz die Kugel zum 2:5 in die Maschen. Schade, das Spiel hatte wie ein Märchen begonnen, aber am Ende bleibe es beim "Es war einmal ein 2:0, ...".
Kurz vor Toresschluß knallt Fröhlich den Ball nochmals an den Kölner Pfosten, aber es sollte eben nicht sein, daß das Ergebnis noch eine kosmetische Korrektur bekam. Dann war Schluß und das Chemnitzer Publikum zollte den Akteuren artigen Beifall. Immerhin hatte man in der ersten Halbzeit endlich einmal wieder vernünftigen himmelblauen Fußball gesehen, und der CFC lange Zeit dem Bundesligisten erfolgreich Paroli geboten. Die Spieler kamen zum Abklatschen in die Kurve, wo sie nochmal verbalen Trost bekamen.
Fazit: Der CFC hat das Fußballspielen noch nicht verlernt. Die offensive Darbietung in der ersten Hälfte war ansehnlich und macht Mut für die nächsten Spiele in der Liga. Andererseits müssen sich die Spieler ab jetzt auch Fragen gefallen lassen, ob man in den vorherigen Spielen nicht demonstrativ gegen Dirk Karkuth gekickt hat. Ärgerlich sind nach wie vor die Schwächen im Abwehrbereich, und leider deutet es sich an, daß außer der Alternative Ratkowski kaum Aussichten auf Besserung erkennbar sind. Die Frage, was bei einer leistungsfähigen CFC-Verteidigung nach dem 2:0 möglich gewesen wäre, blieb daher unbeantwortet. In den nächsten Spielen wird das Wohl und Wehe eines CFC-Sieges daher in erster Linie von der Treffsicherheit im Sturm abhängen.
Bericht: Frank Neubert
CFC-Spielwertung: Note 2,5.
Beste Spieler beim CFC: Fröhlich, Bittermann
Pressestimmen:
Freie Presse: "Scherz versteht keinen Spaß [..] Der Chemnitzer FC hat zwar keine Pokal-Sensation geschafft, sieht aber nach den Querelen der letzten Wochen und der Trainer-Entlassung von Dirk Karkuth wieder Licht am Ende des Tunnels, obwohl in der 1. Hauptrunde gegen den Bundesligisten 1. FC Köln mit 2:5 (2:3) der kürzere gezogen wurde. Der Sieg der Elf von Trainer Ewald Lienen war letztlich auch in dieser Höhe verdient, weil die Gäste die insgesamt reifere Spielanlage besaßen, in puncto Schnelligkeit klar Vorteile aufweisen konnten und auch wesentlich ballsicherer agierten.
Dennoch lag zumindest in den ersten 20 Minuten so etwas wie eine Pokal-Überraschung in der Luft, als die Chemnitzer zur Überraschung der Kölner mit 2:0 in Führung gegangen waren. [..]
Denn Kaltschnäuzigkeit und letztendlich auch die spielerische Klasse fehlten dem Zweitliga-Absteiger, um diesen Zwei-Tore-Vorsprung über einen längeren Zeitraum zu behaupten.
"
Kölner Express: "Scherz verscheuchte Lienens Angst [..] Nach acht Minuten war es wieder da, dieses Magdeburg-Gefühl. Das Stadion glich einem Tollhaus, die Kölner standen fassungslos in der sengenden Sonne. 2:0 führte der Drittligist gegen den Bundesligisten - nach nur acht Minuten. [..] Doch Matthias Scherz, der auf der rechten Außenbahn unheimlich viel Dampf machte, zerstörte die Träume des Davids Chemnitz."
Kölnische Rundschau: "Lienens Adelung für Matchwinner Matthias Scherz [..] Es war ein seltsames Schauspiel, das die 4331 Zuschauer im Stadion an der Gellertstraße in der ersten Halbzeit durchlebten. Insbesondere in den ersten 20 Minuten präsentierten sich beide Teams, als hätten sie sich zum Dorfkick auf dem Bolzplatz verabredet."
Bilder vom Spiel: