Heute vor 80 Jahren: Eröffnung der "Großkampfbahn" Chemnitz
18.09.2018, 12:25 Uhr | 3556 Aufrufe
Ein großes Gewusel muss es gewesen, damals vor 80 Jahren, am 18. September 1938. Die Stadt hatte extra eine Autobuslinie "B" aus der Stadtmitte hinaus zum Stadion in Bernsdorf für die Massen zur Verfügung gestellt. Zum ersten Mal spielte die Deutsche Nationalmannschaft in Chemnitz, und noch dazu wurde an diesem Septembertag die neue "Großkampfbahn" der Stadt eingeweiht. Am Ende strömten sage und schreibe 60.000 Zuschauer herbei, um einen 4:1-Sieg der Nationalelf unter Trainer Sepp Herberger zu erleben, der noch im Sommer 1938 bei der WM in Frankreich als einer Favoriten kläglich ausgeschieden war. Im Aufgebot für Chemnitz stand u.a. der junge Helmut Schön vom Dresdner SC, der nicht nur das 2:1 (54.) erzielte, sondern 1964 das Amt des Bundestrainers von Sepp Herberger übernehmen sollte. Alle weiteren drei deutschen Tore erzielte Josef "Jupp" Gauchel (35., 59., 62.) vom TuS Neuendorf, einem Vorläufer des heutigen TuS Koblenz. Den polnischen Ehrentreffer markierte Teodor Peterek (Ruch Chorzów) kurz nach der Halbzeitpause (49.).
Auf dem Sportareal an der Reichenhainer Straße wurde bereits seit 1921 Sport getrieben. In den Folgejahren wurden die ersten Anlagen für Fussball und Tennis errichtet und der Komplex als "Südkampfbahn" am 11. Juli 1926 eingeweiht. Im Jahr 1930 fand auf dem Areal vom 6. bis 13. Juli das 5. Sächsische Landesturnfest statt. Ab 1935 wurde wieder gebaut - die Nationalsozialisten wollten die Spielstätte zur Großkampfbahn ausbauen und hinter dem Befehlsturm eine Stadionallee für Aufmärsche herrichten. Bei der Eröffnung zum Länderspiel gegen Polen schrieb der damalige Chemnitzer Oberbürgermeister Walter Schmidt im Vorwort zum Spiel: "Diese Großkampfbahn ist entstanden aus einer alten, völlig verbauten und für Großveranstaltungen völlig unzulänglichen Anlage. Fern jeder Ueberheblichkeit können wir nunmehr feststellen, daß mit dieser Anlage Chemnitz Anschluß findet an die anderen Großstädte des Reiches." Später, während des zweiten Weltkrieges, befand sich schräg hinter dem Befehlsturm eine von fünf Chemnitzer Flak-Stellungen zur Fliegerabwehr.
Nach dem 2. Weltkrieg bekam das Stadiongelände 1950 von der Chemnitzer Stadtverordneten-Versammlung den Name Sportforum "Ernst Thälmann" verliehen. Dort wurde es 1956 wieder mächtig eng, als die DDR-Nationalmannschaft gegen Indonesien antrat und vor 50.000 Besuchern mit 3:1 siegte. Die DDR-Nationalelf trug insgesamt 9 Partien im Sportforum "Ernst Thälmann" aus, und stets ging die DDR dabei als Sieger vom Platz. Als der FCK in seinem
Meisterjahr 1966-67 die Tabellenspitze erklomm und die Zuschauerzahlen an der Gellertstraße explodierten, zog der Club in das Bernsdorfer Stadion um. Das vorentscheidende
2:0 gegen Lok Leipzig im April 1967 sahen 45.000 Zuschauer! Vier Wochen später erhielten die himmelblauen Helden gegen
Jena ihre Medaillen und ihre Urkunden für die (leider einzige) Meisterschaft in den Händen!
In der Folgezeit nutzten vor allen die Leichtathlethen des SCK die Sportanlagen, aber auch politische Veranstaltungen wurden durchgeführt - so zum Beispiel das Pioniertreffen 1988 in Karl-Marx-Stadt. 1989 rückte wieder der FCK an, die Heimspiele im Europapokal gegen
Porto,
Sion und
Turin wurden unter Flutlicht im "Thälmann" ausgetragen. Am Vorabend der Deutschen Einheit gastierte am 2. Oktober 1990 Borussia Dortmund zum
EC-Rückspiel im weiten Rund. Von 1991 bis 1996 trug der Chemnitzer FC seine Zweitliga-Heimspiele in dem nunmehr "Sportforum Chemnitz" heißenden Areal aus. Mit der 1996 erfolgten Rückkehr an die Gellertstraße verfiel das Sportforum in einen Dornröschenschlaf. Die Farbe blätterte ab und die Traversen verfielen dem wuchernden Grün, lediglich die Zweite, die A-Junioren und Damen des CFC nutzen den Rasen für ihre Partien. Auf
Beschluss des Stadtrates soll das Hauptstadion ab 2019 zurückgebaut und saniert werden. Die alte Haupttribüne soll erhalten bleiben, die Ränge sollen Platz für 5.000 Zuschauer bieten und in den alten Befehlsturm soll der Olympiastützpunkt Chemnitz-Dresden einziehen.