Die Urlaubsplanung für das Frühjahr 2006 sah vor, der grünen Insel Irland mal wieder einen Besuch abzustatten. Die Reiseroute wurde geplant und der Weg mit dem PKW sollte wiederum durch England führen. Da schon länger der Wunsch(-traum) bestand, einmal das ehrwürdige Stadion an der Anfield Road in Liverpool mit einem Besuch zu beehren, sollte dies im Rahmen der geplanten Tour in Angriff genommen werden. Also fix den Spielplan der Premier League gewälzt und das ganze mit dem Urlaubsplan verglichen und siehe da, der Plan sah für den 9.4. das Heimspiel der "Reds" gegen die Bolton Wanderers vor.
Zunächst mal wurden An- und Abreise sowie die Übernachtung in Liverpool geplant und gebucht, was problemlos gelang. Der freie Verkauf der Tickets sollte etwa 3-4 Wochen vor dem Spiel beginnen. Also hieß es zunächst Geduld bewahren. Als problematisch sollte sich jedoch erweisen, dass sich Bolton nur etwa 40 km von Liverpool entfernt befindet, das Spiel also mehr oder weniger ein Derby war. Die bessere Hälfte übernahm - auf Grund deutlicher besserer Englischkenntnisse - die telefonische Kartenbestellung. Der Ticketpreis lag für alle Plätze im Stadion bei 30 Pfund (rund 42 €). Als ran an der Fernsprecher und los geht's.... Oder auch nicht.... Besetztzeichen..... Warteschleife..... Computerstimme..... Nach 6-7 Stunden vergeblichen Telefonierens dann ein Lichtblick. Eine Stimme verkündete, man sei Nr. 19. Also dranbleiben. Quälend langsames Herunterzählen.... 17 - 14 - 11 - usw.... Irgendwann war man Nummer 1 und nach einem weiteren Klicken die Frage nach dem Begehren einer menschlichen Stimme. Noch waren wenige Tickets vorhanden, zwar nicht nebeneinander, jedoch immer auf der gleichen Reihe. Also schnell "Yes" gesagt, Kreditkartendaten durchgegeben und lieber keinen Gedanken an die astronomische Telefonrechnung verschwendet. Die Abholung konnte übrigens am Spieltag direkt am Stadion erfolgen.
Es folgten noch einige Arbeitstage bis der Start endgültig erfolgen konnte. Freitags ging die Reise los, zunächst von Chemnitz nach Ostende in Belgien, welches man für die Nacht ansteuerte. Am nächsten Morgen weiter nach Calais und von dort auf die Insel nach Dover übergesetzt. Von da ging es quer durch England in Richtung Norden nach Liverpool, welches man am Nachmittag erreichen wollte, eigentlich mit dem Wunsch, das Stadion schon einen Tag vor dem Spiel zu besichtigen. Allerdings wurde die letzte Führung für 16 Uhr Ortszeit angeboten, was sich im Laufe des Tages als nicht erreichbar herausstellte. Man erreichte zwar etwa um diese Zeit die Stadtgrenze, jedoch hatte man das Stadion da noch nicht gefunden. Und genau diese Suche sollte sich als etwas schwierig gestalten. Zwar fand man relativ schnell einen Wegweiser und den einen oder anderen Stadtplanausschnitt hatte man auch zur Hand, allerdings erleichterte dies die Suche nur unwesentlich. Da aber der Instinkt eines Fußballfans am Ende doch siegt, fand sich zunächst ein Hinweisschild für einen Fußweg sowohl zur Anfield-Road, als auch - interessanterweise - zum Stadion des Stadtrivalen Everton.
Man war also nah dran und nach den nächsten 2-3 Kurven sah man doch tatsächlich einen großen Stahlträger der etwas über die umstehenden Gebäude herausragte. Man war fast am Ziel, aber eben nur fast. Denn die Parkplatzsuche sollte sich als nächste, kleine Hürde erweisen. Das Stadion liegt - typisch englisch - inmitten eines Wohngebietes. Und das kann man durchaus wörtlich nehmen. Die Tribünen liegen direkt an den Straßen als Verlängerung der Häuserfluchten. Um das Stadion herum gibt es kaum Freiflächen. Das Ganze hat zwar wirklich Kultstatus, erschwert allerdings die Parkplatzsuche. Glücklicherweise erwiesen sich Einheimische und Mitarbeiter des FC Liverpool als hilfsbereit, da sie zum einem vor Knöllchen und vorm Abschleppen warnten, einen gleichzeitig auch auf den kleinen Parkplatz vor dem Fanshop innerhalb des gusseisernen Stadionzaunes hinwiesen.
Man hatte es also geschafft. Liverpool Anfield Road - eine Kultstätte europäischen Vereinsfußballs. Wahnsinn.
Leider war es bereits kurz vor 17 Uhr und das Museum hatte auch bereits die Pforten geschlossen. Glücklicherweise war es möglich noch den Fanshop zu besuchen sowie das direkte Stadionumfeld in Augenschein zu nehmen.
Direkt vor dem Fanshop befindet sich das Denkmal eines der größten Trainer, die Liverpool je gesehen hat. Nämlich von Bill Shankly, dem der Verein viele große Erfolge zu verdanken hat.
Direkt an der Anfield Road, vom Fanshop aus gesehen am anderen Ende des Stadions befindet sich das "Liverpool Memorial". Es erinnert an eines der tragischsten Unglücke im englischen Fußball. Am 16. April 1989 sollten sich im Sheffielder Stadion "Hillsborough" Liverpool und Nottingham Forrest im Halbfinale des FA-Cups gegenüberstehen. Viel zu viele Fans drängten damals in den Block, der bereits restlos überfüllt war. Die Fans an den Zäunen wurden regelrecht erdrückt und es gab keine Fluchtmöglichkeiten. Insgesamt fanden 96 Fans des FC Liverpool den Tod. Ihnen ist das Ehrenmal gewidmet, jeder einzelne wird namentlich genannt. Immer wieder werden Blumen, Kränze und auch Wimpel (auch andere Vereine) niedergelegt und jährlich findet am 16.4. eine Gedenkveranstaltung statt. In Folge dieser Katastrophe wurden in englischen Stadien die Zäune abgebaut. Außerdem entstand die Initiative "Liverpool FC should never play again on April 16th" (Liverpool sollte nie wieder an einem 16. April spielen), was bisher wohl auch, zumindest im Rahmen des englischen Vereinsfußballs eingehalten wurde.
Das Stadion wurde noch vollständig umrundet und der Fanshop mit einem Besuch beehrt, sowie um einige Pfund bereichert. Und vor allem nahm man sich vor, am nächsten Tag zu Fuß anzureisen, was sich glücklicherweise auf Grund der gelungenen Hotelauswahl als durchaus leicht durchführbar herausstellte.
Der Spieltag kam und sehr zeitig machte man sich diesmal zu Fuß auf in Richtung Anfield Road. Schon 2-3 Stunden vor Spielbeginn wimmelte es um das Stadion herum von Fans in roten Trikots und Schals, die die zahlreichen Verkaufs- und Imbissstände rund ums Stadion belagerten. Und vor dem Fanshop hatte sich bereits eine beträchtliche Schlange gebildet. Der erste Weg führte allerdings zum Ticket-Schalter. Unter Einbeziehung der Kreditkartendaten bekam man völlig problemlos die georderten Tickets, welche sogar (die WM ließ Grüßen *g*) mit Namen versehen waren. Aber egal, man hielt sie in der Hand.
Erfreulicherweise konnte man das Museum des Vereins auch am Spieltag besichtigen und sich so einen kleinen Überblick über die geschichtliche Entwicklung des Vereins verschaffen, welcher interessanterweise einstmals aus dem FC Everton hervorging. Highlight zum damaligen Zeitpunkt war natürlich die Trophäe des Champions League Triumphes aus dem Vorjahr, verbunden mit einigen Devotionalien von diesem Spiel, welches in einem Extraraum via Video ebenfalls noch einmal bewundert werden konnte. Ein Bezug zum CFC konnte leider nicht festgestellt werden, jedoch war immerhin ein Trikot von Dynamo Dresden aus deren erfolgreichen Europapokalzeiten der 70-er Jahre ausgestellt.
Danach wurde man langsam neugierig auf das Stadioninnere. Inzwischen trafen im Umfeld die Fans der Bolton Wanderers ein (am Ende sollten es etwa 2500 sein), die sich völlig frei zwischen den Fans der Reds bewegen konnte. Hinter der Haupttribüne kam es inzwischen zu einer großen Menschenansammlung, die die Ankunft der Liverpooler Mannschaft am Stadion erwartete. Nachdem man den Bau noch einmal umrundete waren die letzten Tore geöffnet worden und man bekam nach angenehm unauffälligen Sicherheitskontrollen Zugang. Die erworbenen Plätze befanden sich in der ersten Reihe der Gegengerade, etwa 3-4 m neben der Seitenauslinie genau auf Höhe der Mittellinie. Eine sehr interessante Perspektive.
Die Engländer selbst fanden sich nur sehr langsam auf ihren Plätzen ein und so war das Stadion selbst 30 Minuten vor Spielbeginn noch fast leer. Man kam ins Gespräch mit einem freundlichen Ordner, der uns Auswärtigen den einen oder anderen Tipp geben konnte. Angenehm ist übrigens zu bemerken, dass im Stadion selbst nur relativ leise Musik lief und der Fan von der aus Deutschland bekannten Vollbeschallung verschont wird. Außerdem wurde während des gesamten Spiels auch keine nervige Werbung eingespielt. Nur leider gab es auch kein Einsingen der Fangruppen. Selbst "The Kop Stand", die Tribüne der eingefleischten LFC-Fans war noch sehr ruhig. Laut wurde es erst, als die Teams zum Warmmachen einliefen und als der Stadionsprecher etwa 10 Minuten vor dem Spiel die Mannschaftsaufstellungen verkündete.
Dann kam der Moment, der zumindest von uns mit am sehnsüchtigsten erwartet wurde. Im Stadion wurde es kurz still und danach erklangen die ersten Töne von "You'll never walk alone", der Hymne der Liverpooler. Was soll ich sagen - Wahnsinn! Gänsehautstimmung pur. In der Liverpooler Kurve ging dabei eine kleine Blockfahne nach oben und spätestens beim Refrain stimmte das ganze Stadion in den Gesang ein. Diese Stimmung lässt sich mit Worten wirklich nur sehr schwer beschreiben.... Man muss es erlebt haben.
Das Spiel selbst war kein fußballerisches Highlight, jedoch durchaus sehenswert. Es gab genau das zu sehen, was vom englischen Vereinsfußball erwartet wurde. Harte, aber faire Zweikämpfe, herzhafte Tacklings, aber kaum Reklamieren oder Schauspielerei. Durchaus angenehm zu sehen. Vorallem ließ auch der Schiri die gesunde Härte zu, entschied er doch in Halbzeit eins nur etwa 5 mal auf Freistoß nach Foulspiel. Die Anfangsphase gehörte den Gästen, (mit dem aus der Bundesliga bekannten Jay Jay Okocha), die sich die eine oder andere Chance erspielen konnten. Auch die Fans der Wanderers konnten ab und an lautstark vernommen werden. Jedoch war dies kein Vergleich mit der deutlichen Mehrheit der Heimfans, die lautstärke- und gesangsmäßig durchaus zu gefallen wussten. Augenscheinlich gab es für jeden Spieler und sogar den Trainer einen eignen Gesang.
Auch die unmittelbare Nähe zum Spielfeld sollte sich als interessant erweisen. Nach dem der Linienrichter vor uns, nach einem Einwurf interessanterweise und logischerweise falsch auf Abseits gegen Liverpool entschied, wurde er zum "Liebling" der Massen. In dem Fall war es schon bedauerlich, das englische Schimpfwortrepertoire nicht zu kennen. Aber ich glaube, das Wort "F**K" in seinen Abwandlungen, war noch eher harmlos ;-).
Liverpool kam immer besser ins Spiel und damit auch zu Chancen. Das Tor des Tages war dann in der 44. Minute Publikumsliebling und Rückkehrer (während der Saison) Robbie Fowler vorbehalten. Der "goldene" Torschütze, machte sich damit selbst ein Geburtstagsgeschenk.
In Halbzeit zwei kontrollierte der Gastgeber das Spiel weiter. Das Bemühen von Bolton war dabei zwar spürbar, jedoch fehlte die Durchschlagskraft vor dem Tor. Doch auch die Reds (bei denen Didi Hamann eingewechselt wurde) konnten aus den erspielten Chancen kein weiteres Kapital schlagen. Das tat der guten Stimmung jedoch keinen Abbruch und am Ende half der 1:0-Erfolg den dritten Platz in der Premiere League zu festigen.
Nach dem Schlusspfiff leerte sich das Stadion wiederum sehr schnell, so das man selbst freundlich gebeten wurde, es den anderen Fans gleich zu tun. Um das Stadion herum wimmelte es natürlich von Fans, die unterem anderem den Fuhrpark der Liverpooler Spieler auf dem Parkplatz in Augenschein nehmen konnten. Auch hier war durchaus die eine oder andere Entdeckung möglich.
Positiv bleibt weiterhin zu erwähnen, dass es während der gesamten Zeit absolut friedlich blieb und vor allem auch Polizei und Ordner sehr zurückhaltend und freundlich waren. Die Fans verweilten noch beim Bier und Fish'n'Chips bzw. deckten sich einige noch bei verschiedensten Straßenhändler mit Fanartikeln ein. Zufrieden trat man selbst den Heimweg an, nachdem man noch einen Teil der Stimmung in sich aufgesogen hatte.
Alles in allem bleibt die Erinnerung an ein wirklich unvergessliches Erlebnis, an einer der traditionsreichsten Stätten des Fußballs überhaupt. Schon allein wegen der Minuten vor dem Spiel, in denen über 40.000 Fans "You'll never walk alone" intonieren, wird dieser Ausflug zu einem Highlight, welches man jedem Fan nur empfehlen kann. Auch die Stimmung in dem engen Stadion sowie die Art und Weise des englischen Ligafußballs wussten zu gefallen.
Bleibt nur zu hoffen, dass der FC Liverpool noch sehr lange in der ehrwürdigen Anfield Road seine Spiele austrägt. Immerhin ist der Neubau eines Stadions im Gespräch. Jedoch sollte genau der Standort in der Enge des Stadtteils Anfield niemals aufgeben werden. Die Atmosphäre in dieser engen Gegend an einem Spieltag ist doch nahezu einzigartig.
Es ist jedem empfohlen, der Anfield Road in Liverpool einen Besuch abzustatten. Jedoch sind starke Nerven bei der Ticketbestellung erforderlich. Allerdings lohnt sich der "Stress" allemal. Wer mehr über den FC Liverpool erfahren will, dem sei die offizielle Homepage www.liverpoolfc.tv ans Herz gelegt. Und auch im deutschsprachigen Raum des "www" findet sich die eine oder andere Homepage über den Verein.
Linktipp:
http://www.liverpoolfc.tv
Bericht: Andreas Schreiter (himmelblau01)
Impressionen von der Anfield Road: