Trauer in Fußballchemnitz. Die Himmelblauen haben das so eminent wichtige Spiel gegen den bis dato Tabellenletzten aus Köln mit 0:3 verloren und zieren nun selbst das Tabellenende. Auch wenn der Klassenerhalt theoretisch noch möglich ist, so dürfte selbst der größte Optimist an diesem verregneten Samstagnachmittag seine Hoffnung zu Grabe getragen haben. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird der Chemnitzer Fußballclub am Ende der Saison den bitteren Gang in die Viertklassigkeit antreten müssen.
Lange hatten die CFC-Fans auf den Heimspielauftakt im Jahre 2006 warten müssen. Gleich drei Heimspiele mussten wegen Väterchen Frost abgesagt werden. In der Fremde setzte es dafür Niederlagen bei den Top-Teams aus Jena und Essen. Nun aber kam das Tabellenschlusslicht aus der Domstadt, ebenfalls noch ohne Punkt im Jahre 2006 und ähnlich wie die erste Mannschaft in der Bundesliga vor dem sicheren Abstieg. Diese Mannschaft mußte man einfach schlagen!
So dachten sicherlich viele der 2.250 Fans, die trotz des Schmuddelwetters den Weg an die Gellertstraße nicht gescheut hatten. Diese sahen einen auf vier Positionen veränderten CFC. Coach Müller wollte die spielen lassen, die psychisch am besten drauf waren. Mayer, Devoli und Berger gehörten nach Einschätzung des Trainers wohl nicht dazu, denn neben dem gelb-rot gesperrten Adamu fehlten sie im Vergleich zum peinlichen Auftritt in Essen in der Startformation. Dafür spielten Ahlf, Schumann, Lenk und in seinem allerersten Punktspiel für den Club, der so sehnlichst erwartete Regisseur, Borislav Tomoski. Im Tor vertraute Müller, trotz seines Fussballdeutschland erheiternden Aussetzers, Steffen Süßner.
Beim Einlaufen der beiden Mannschaften präsentierte die Südkurve eine gigantische Choreo, die an das 40jährige Vereinsjubiläum, welches der Club am 15. Januar beging, erinnern sollte. Über die gesamte Breite der Blöcke 5 und 6 wurden riesige himmelblau-weiße Planen hochgezogen und in der Mitte erschien eine goldene 40, flankiert von zwei Löwen. Direkt am Zaun wurde in einer Art Chronik an die glorreichen Momente der Vereinsgeschichte, wie den 67er Meistertitel oder die Europapokalspiele Ende der 90er, erinnert. Danke für diese tolle Choreo, auch wenn es im gleichen Moment schmerzte, da man unweigerlich an die aktuelle Trostlosigkeit in Himmelblau denken mußte.
Was werden sich wohl die 11 Spieler mit dem CFC-Logo auf der Brust gedacht haben, als sie beim Einlaufen dieses beeindruckende Bild in der Südkurve sahen? Ob ihnen zumindest ein Stück weit bewußt war, wie die Menschen in Chemnitz an ihrem CFC hängen und wie sehr sie darunter leiden, weil ihr geliebter Verein seit Jahren vor sich hinvegetiert? Und dass sie als Spieler einen entscheidenden Anteil an diesem Desaster haben? Man weiss es nicht. Jedenfalls bildeten sie einen Kreis und machten sich gegenseitig Mut.
Was die Anwesenden in den ersten 45 Minuten geboten bekamen, war nicht viel ausser einer Bestätigung der Tabellensituation beider Mannschaften. Auch wenn die Einsatzbereitschaft stimmte, so war die Nervosität der Akteure deutlich spürbar, spielerisch lief kaum was zusammen und echte Torchancen waren Fehlanzeige. Auffällig bei den Himmelblauen war die Einfallslosigkeit im "Angriffsspiel". Die "Taktik" bestand darin, weite Bälle, meist direkt durch Abschlag von Süßner, in die Spitze zu spielen, wo Rolleder das Leder mit dem Kopf auf einen Mitspieler ablegen sollte, um so einen Angriff einzuleiten. Das funktionierte natürlich nicht, da die Kölner auch nicht auf den Kopf gefallen waren und sich schnell auf dieses leicht zu durchschauende Schema einstellten. Obwohl daraus keinerlei Torgefahr resultierte, probierte man es immer und immer wieder.
Ebenfalls an Harmlosigkeit nicht zu überbieten waren die vielen Ecken der CFC-Spieler an diesem Tag, ganz gleich ob sie von links oder von rechts, ganz egal ob sie von Schumann, Tomoski, Görke oder später Devoli getreten wurden.
Kleine Lichtblicke gab es nur dann, wenn Tomoski am Ball war. Was der kleine Mazedonier machte, hatte Hand und Fuß und es war einfach nur toll zu beobachten, wie er seine Mitspieler in Szene setzte. Tomoski war auch an den zwei vielversprechendsten Situationen für den CFC in Halbzeit 1 beteiligt. In der 15. Minute wurde er von Görke im Strafraum angespielt, drehte sich dann um seinen Gegenspieler, der ihn zu Fall brachte. Für sowas geben andere Pfeifenmänner auch schon mal einen Elfer. Schiri Maier aus München tat uns den Gefallen nicht. Und in der 31. Minute servierte er eine Flanke auf den Nischl von Rolleder, dessen Kopfball für den Kölner-Keeper jedoch keine Gefahr darstellte.
So ging es nach einer nivauarmen ersten Halbzeit torlos in die Kabine.
Nach der Pause kam der Club besser ins Spiel. Man spürte, dass die Himmelblauen endlich die Führung erzielen wollten. Die erste Chance hatte der agile Lenk, der jedoch aus aussichtsreicher Position nur das Außennetz traf (48.). Auf der Gegenseite deuteten die technisch beschlagenen Kölner an, dass sie torgefährlich kontern können. So köpfte Chitsulo eine Flanke von Epstein nur knapp über das CFC-Gehäuse (56.). Dann, eine Stunde war gespielt, erlebten die treuen Clubfans die wohl spielentscheidende Szene. Nach dem besten Spielzug der Partie, Görke hatte von halblinks auf Baumann in der Mitte geflankt, dieser den Ball direkt auf den im Strafraum befindlichen Tomoski weitergeleitet, stand dieser allein vor Paucken. Einen Abwehrspieler der Kölner hatte er noch durch eine geschickte Bewegung ins Leere laufen lassen, doch anstatt den Ball über den FC-Keeper zu heben, wollte er ihn mit dem Außenrist ins Tor schießen. Paucken hielt, die Chance war vertan, Tomoski lag verzweifelt am Boden! Welche Tragik für den Mittelfeldregisseur bei seinem Comeback!
Und so kam es, wie es nach einer solchen vergebenen Chance wohl kommen mußte - Gegenangriff der Kölner, ein langer Ball erreichte Epstein, dieser schüttelte Göhlert ab, umkurvte noch Süßner und schob den Ball zum 0:1 ein. Kollektives Stöhnen auf den Rängen. Doch noch waren 13 Minuten zu spielen, so hoffte und bangte jeder eingefleischte Clubfan. Doch als der eingewechselte Mayer mit einem tollen Kopfball an Paucken scheiterte und auch Görkes Schuß aus 16 Metern seinen Weg nicht in die Maschen fand, war klar, dass es heute kein Happy End geben würde. Und es passte ins Bild dieses traurigen Tages, dass Köln die sich nun bietenden Räume konsequent nutzte und den CFC klassisch auskonterte. Pagano (82.) und ein weiteres mal Epstein (86.) waren die Nutznießer einer nicht mehr existenten CFC-Abwehr und sie erhöhten das Ergebnis auf 3:0. Dann hatte das Leiden, zumindest für diesen Tag, ein Ende, die Kölner, die wohl dennoch absteigen werden, jubelten über das unerwartete Erfolgserlebnis, während die meisten CFC-Spieler sofort im Spielertunnel verschwanden. Von den Rängen kamen nur wenige der bei solchen Ergebnissen üblichen Rufe gegen Mannschaft, Trainer oder Vereinsführung - zu groß war die Ratlosigkeit und Depression unter der Anhängerschaft. Respekt vor einem Mike Baumann, Markus Ahlf und Steffen Süßner - sie waren die Einzigen, die den wahrlich nicht leichten Gang zu den Fans antraten. An einem Tag, als Chemnitz weinte, aber paradoxerweise am Ende der wohl schwärzesten neunzig Minuten der Vereinsgeschichte, als noch die Sonne zwischen den grauen Wolken über der Fiwi hindurchlugte.
Fazit: Wer heute noch CFC-Fan ist, muß Nehmerqualitäten besitzen und leidensfähig sein. Ansonsten wäre man wohl schon lange kein Anhänger mehr dieses Vereins. Seit nunmehr drei Jahren hofft man stets aufs Neue, dass es besser wird. Doch das Gegenteil ist der Fall, trotz einer hohen Fluktuation im sportlichen Bereich geht es von Jahr zu Jahr abwärts mit dem einstigen Aushängeschild der "Sportstadt" Chemnitz. Und im entscheidenden Moment, wie am Samstag, fehlen dem Club die Siegertypen, die die anderen mitreißen und solche Spiele entscheiden können. Die Spieler haben es versucht, der Einsatz war da, doch am Ende ist das allein ungenügend. Der Club hätte die ebenfalls zutiefst verunsicherten Kölner überrennen, ihnen durch resolutes Zweikampfverhalten den Schneid abkaufen und das Tor von Paucken unter Dauerbeschuß setzen müssen. Doch am Ende hatte man nur zwei "Hundertprozentige" und es passte zur Dramaturgie des Tages, dass dem besten Mann auf dem Platz im entscheidenden Moment die Nerven versagten.
Es mag abgedroschen klingen, aber trotz aller Depression muss es weitergehen. Alle Kräfte, die dem Verein noch geblieben sind, sind zu bündeln und ab sofort ist die Planung für die Oberliga konsequent anzugehen! Denn so schlimm der Abstieg auch ist, so gibt es aufgrund der nicht gerade rosigen Finanzlage auch Szenarien, die man sich im schlimmsten Alptraum nicht vorstellen mag. Steh auf, CFC, der Du am Boden liegst! Für Dich und Deine treuen, leidgeprüften, Anhänger! Und irgendwann wird es auch mal bessere Zeiten geben, dessen ist sich der Autor dieser Zeilen sicher!
[..] Die Messen sind gesungen: Mit einem blamablen 0:3 (0:0) gegen den 1. FC Köln II, das am Ende einem Abschlachten glich, verabschiedet sich der Chemnitzer FC Richtung Oberliga.
[..] Wäre da nicht Borislav Tomoski mit seinem Klasse-Debüt für die Chemnitzer Noch-Regionalliga-Kicker aufgefallen, wären die ansonsten spielerisch nicht stattfindenden CFC-Kicker bereits vor der Pause platt gewesen.