Comeback in Kiel nach 2 Jahren und 7 Monaten beim Aufsteiger im Abwärtstrend...
von Timo Görner
...der nach starkem Saisonauftakt zuletzt 10 Spiele nicht mehr gewonnen hat. An den 17. April 2011 erinnern sich Freunde des himmelblauen Fußballs gerne. Das 2:0 damals war zweifellos ein "Sieg für den Kopf", dem bis zum Finale 6 weitere Siege folgten.
Die letzte Saison unseres Gegners
2010 stieg der ambitionierte Traditionsverein zum zweiten Mal innerhalb von drei Jahren aus der dritthöchsten Spielklasse ab. Das Fernziel "2. Bundesliga" war wieder weit entrückt. Die erste Saison in der neuen Regionalliga Nord absolvierten die "Störche" als 6. fernab vom Aufstiegskampf mit 27 Punkten Rückstand auf den CFC. In der Folgesaison lieferte man sich mit dem HFC bis zum letzten Spieltag einen spannenden Zweikampf um den Aufstieg.
2011/2012 galt Kiel dann in der wieder reformierten 4. Liga als Topfavorit der Nord-Staffel, in der sich nicht die U23-Teams aus Wolfsburg und Hannover als härteste Konkurrenten entwickeln sollten, sondern der TSV Havelse. Erst im vorletzten Spiel der beiden Rivalen wurde der Zweikampf entschieden. Verdient war der "Platz an der Sonne" allemal. Nach 17 Spielen war die Herbstmeisterschaft 2012 3 Punkte vor Hannover 96 II und 4 vor Havelse gezeitigt. Zwölfmal wurde gewonnen, lediglich zweimal verloren. In Oldenburg (0:1) und gegen Wilhelmshaven (0:2) kassierte man unerwartete Niederlagen, deklassierte dafür Cloppenburg (5:0), die Hamburger Reserven St. Pauli II (6:0) und Hamburger SV II (6:1) wie auch Ex-Zweitligist Meppen (4:1) im eigenen Stadion. Das Highlight auf Reisen setzte man in Neumünster (4:1). Das Ziel für die Frühjahrsrunde war klar und der Start gelang mit zwei knappen Siegen gegen Rehden (2:1) und in Cloppenburg (1:0), zudem wurde Neumünster (4:0) erneut vom Platz gefegt. Nach der letzten Saisonpleite in Wolfsburg (1:2) gab es bis zum vorletzten – unverhofft entscheidenden - Spiel keine Pleite mehr. Den 2:1-Sieg gegen den direkten Verfolger Havelse rundeten die Störche mit dem 3:0 im „Testspiel“ vor der Relegation gegen Victoria Hamburg ab. Hier erwischte man mit dem Staffelsieger Südwest aus Kassel kein einfaches Los, erwies sich aber als klar besser. Nach 2:0 im Hinspiel ließ man auch in Hessen (2:1) nichts mehr anbrennen und sorgte mit 1:0 nach 20 Minuten für eine Vorentscheidung. Mehrere Spitzenwerte wurde gesetzt: 74 Tore konnte keine anderen Nord-Mannschaft annähernd erreichen. Auf Reisen war man die beste Elf und auch in der Defensive mit nur 13 Gegentreffern.
Im Landespokal war man weniger erfolgreich, scheiterte im Halbfinale bei Oberligist TSV Kropp mit 2:4 nach Elfmeterschießen.
Delegierungen für diese Saison bislang
Es gab ein paar Veränderungen, aber mit 8 Neuzugängen und 5 Abgängen keinen größeren Umbruch.
Mit Morten Jensen (26) ging als einziger wichtiger Abgang der Stammtorwart (23 Spiele) zum SV Elversberg.
Unter den Neuzugängen finden sich keine "Kracher", unter anderen 3 Spieler aus der A-Jugend. Für das Tor wurde Maximilian Riedmüller (25) vom FC Bayern München verpflichtet. Er war dort im Profikader, aber ohne Einsätze und nur in der Reserve aktiv. In der Abwehr ist Hauke Wahl (19) einer aus der A-Jugend. Im Mittelfeld ist der japanisch US-Amerikaner Takuya Okada (19) neu, Empfehlung: 5 Tore in der A-Jugend Bundesliga Nord/Nordost. Patrick Breitkreuz (21) war letzte Saison noch Schützling von Karsten Heine und überzeugte bei Herthas Reserve in der Regionalliga Nordost mit 5 Treffern und 7 Vorlagen. Aus der gleichen Liga stammt Darryl Geurts (19/Cottbus II). Der höherklassigste Neuzugang ist Tim Danneberg (27) aus Sandhausen. Er war dort im Vorjahr nach größerer Verletzung in der Anfangsphase nur sporadisch Stammspieler. Einziger Neuer im Angriff ist Onur Akdogan (19) als 3. Akteur aus der U19. Referenz: 13 Treffer in der obersten Etage seiner Altersklasse. Anfang Oktober kam dann der bislang letzte Zugang mit George Kelbel (20). 2004 wechselte er aus der Nachwuchsabteilung des Altonaer FC 93 zum Hamburger SV und blieb dort bis Juli 2013 in der U19 und U23 am Ball.
Der Trainer
Mit Karsten Neitzel (45) hat ein gebürtiger Dresdner das Sagen bei der 1. Mannschaft. 1989 noch mit Dynamo Dresden DDR-Meister ging es danach als Spieler über die Stationen Halle und Stuttgarter Kickers zum SC Freiburg. Dort beendete er 1997 seine Laufbahn in der er 18 Spiele in der 1. Bundesliga absolvierte, dazu 102 Zweitligaspiele für Halle und Stuttgart. 1997 startete er als Co-Trainer unter Volker Finke. Zu den Urawa Red Diamonds nach Japan ging es bis Jahresende 2010 als Co-Trainer von Andreas Bergmann, dem er schließlich zum VfL Bochum in die 2. Bundesliga folgte. Ende Oktober 2012 löste er ihn ab, zunächst als Interim und nach gutem Beginn als Cheftrainer. Mit dem Absturz des VfL in die Abstiegszone war Anfang April 2013 dann Schluss. In Kiel löste Neitzel zum 1. Juli 2013 Thorsten Gutzeit (47) ab, der die Störche nach 3 Jahren Viertklassigkeit mit stetigem Aufwärtstrend als 6., 2. und 1. zurück in die 3. Liga führte, aber Anfang Juni dann zurücktrat. Als Grund gab er die zu erwartende Doppelbelastung als Trainer und Lehrgangsteilnehmer für die Lizenz in Köln an.
Die Mannschaft
Etatmäßige Nummer 1 im Tor ist Maximilian Riedmüller (25), am Samstag werden aber entweder Niklas Jakusch (23) oder Daniel Strähle (22) im Kasten stehen. Riedmüller fällt verletzungsbedingt (Fingerbruch) noch bis Jahresende aus. Die Abwehr bilden Patrick Herrmann (25), Fabian Wetter (24), Hauke Wahl (19) und Marcel Gebers (27). Gebers ragt hier mit 4 Toren heraus, traf zuletzt allerdings am 24.08.2013. Den Sprung in diesen Kreis versucht Manuel Hartmann (29), er pendelt zwischen Ersatzbank, Anfangsformation und Tribüne. Das Mittelfeld besteht im Rumpf aus Kapitän Rafael Kazior (30), Tim Siedschlag (26), dem Dänen Casper Johansen (25) und Neuzugang Tim Danneberg (27). Patrick Breitkreuz (21) hat sich noch nicht ganz etablieren können, zeigt aber mit einem Tor und zwei Vorlagen gute Ansätze. Siedschlag konnte neben zwei Treffern noch viermal als Vorlagengeber glänzen. Neben Riedmüller gibt es auch hier Verletzungspech. Marlon Krause (23) war in den ersten 9 Spielen gesetzt, zog sich dann einen Kreuzbandriss zu und fällt nun bis Ende März 2014 aus. Die gleiche Verletzung erlitt nach nur zwei Spieltagen mit dem Polen Jaroslaw Lindner (24) ein weiterer potentieller Stammkader. Mitte Oktober erwischte es dann Andy Hebler (24) mit einem Achillessehnenriss, nach zuvor fast 7 Monaten Pause wegen…Kreuzbandriss. Auch im Angriff gab es mit Marc Heider (27) Einweisungen ins Krankenlager. Er fiel Anfang September für 4 Wochen aus und kommt dennoch auf 4 Tore. Fiete Sykora (31) ist bei einem Tor weitestgehend Ergänzungsspieler, nach 10 Treffern im Vorjahr; Marcel Schied (30/1) ebenfalls. Onur Akdogan (19) spielt erwartungsgemäß noch keine Rolle wie auch George Kelbel (21). Drei der acht Neuverpflichtungen sind feste Größen, wobei Hauke Wahl absolut überrascht hat. Patrick Breitkreuz steht noch vor dem Sprung in diesen Kreis. 27 Spieler stehen im Aufgebot, inklusive dreier Torhüter.
Die aktuelle Saison bislang
Nach 6 Spieltagen hing der Kieler Fußball-Himmel voller Geigen, denn dem als Abstiegskandidat gehandelten Aufsteiger war ein starker Start gelungen. Keines der Spiele wurden verloren, dafür 4 gewonnen; besser war nur Wehen Wiesbaden. Zwei Partien ragten dabei heraus: Saarbrücken wurde zum Heimauftakt mit 5:1 deklassiert, ebenso Münster in deren eigenem Stadion (3:0). Heimstärke war Trumpf, weder Halle (1:0), Saarbrücken noch Burghausen (2:1) konnten im "Holstein-Stadion" punkten. So wurde das Gastspiel bei RB Leipzig in Runde 7 zum Spitzenspiel, wo man aber nur eine Halbzeit mithalten konnte, aus dem 1:0 wurde ein 1:3. Diese Partie war auch der Beginn der Talfahrt und Spiel eins einer Serie mittlerweile 10 sieglosen Anläufen in Folge. Bedenklich ist vor allem die Ausbeute auf eigenem Rasen nach der Serie zu Beginn. 4 der 5 Duelle wurden verloren, nur gegen Osnabrück (1:1) ein Punkt geholt. Dafür hielten sich Erfurt (1:2), Duisburg (0:1) und Elversberg (1:2) schadlos, ebenso Heidenheim (0:1). Gegen Erfurt und Elversberg rannte man dabei einem 0:2 hinterher. Dagegen stehen ordentliche Auftritte in Wiesbaden, beim VfB Stuttgart II (jeweils 1:1) und Unterhaching (0:0). In Regensburg war bis 4 Minuten vor Ende zumindest ein weiteres Remis drin, eher unser Ex-Stürmer Romas Dressler die Suppe versalzte. Aus Rang 2 ist der 15. Geworden und die Abstiegsplätze sind nur noch 2 Punkte entfernt. Wie der CFC ist man als Platz bauende Gemeinschaft im negativen Saldo bei 3 Siegen gegenüber 4 Niederlagen, zumindest defensiv steht man aber solide bei 9 Gegentoren da. Auswärts ist man vergleichsweise etwas besser, kassierte nur 2 Niederlagen in 8 Gastspielen und geizte auf beiden Seiten mit Toren (7:7) wie Siegen (1). 18:16 Tore bedeuten für die Offensive "befriedigend", für die drittbeste Defensive der Liga ein "sehr gut".
Im Landespokal ist man bedeutend weiter als der CFC und steht bereits im Endspiel gegen den starken Regionalligisten ETSV Weiche Flensburg. Gegner im Halbfinale war Oberligist TSV Kropp (3:1).
Prognose
Für den Kieler SV Holstein zählt nur der Klassenerhalt. Nur wenn man von weiteren längeren Ausfällen der Leistungsträger wie Heider, Kazior, Riedmüller, Siedschlag verschont bleibt und zu Hause wieder zulegt, wird es reichen.
Das Umfeld
Mit aktuell 5.474 Besuchern im Schnitt hat man gegenüber der Vorsaison in der Regionalliga (3.628) relativ deutlich zulegen können und auch im Vergleich zur letzten Drittligaspielzeit 2009/2010 mit deren 3.850. Duisburg und Osnabrück mobilisierten gute 6.000 zahlende Fußballfreunde ins aktuell 11.386 Zuschauer fassende "Holstein-Stadion". Heidenheim sahen zuletzt 5.000. Mittlerweile verfügt die Arena über eine Rasenheizung; Kosten inklusive der neuen Drainage rund 700.000 EUR.
Auf dem Trikot prangt nach wie vor das Logo einer norddeutschen Supermarkt-Kette, dazu kommen mittelständische Unternehmen als Trägerbetriebe. Die "fetten Jahre" sind bei den "Störchen" vorbei. In der vergangenen Spielzeit in der 4. Liga wurde nach inoffiziellen Angaben mit einem Etat von rund 2,3 Mio. EUR gewirtschaftet. Die Personalpolitik auch für die aktuelle Saison spricht für die neue Zeit beim KSV. Bei den Neuzugängen hielt man sich insgesamt eher zurück, holte lediglich einen Akteur aus Liga 2 und baute mehrere Spieler aus dem eigenen Nachwuchs ein. Seitens der Infrastruktur ist man jedenfalls besser aufgestellt als noch vor Jahren. Der dritte Abstieg aus der Drittklassigkeit seit 2007 soll unbedingt verhindert werden, denn er wäre ein enormer erneuter Rückschlag zum mittelfristigen Ziel 2. Bundesliga.
Vereinschef ist seit Juli 2007 Roland Reime, zuvor aktiv in der Chefetage der Versicherungsbranche und als Funktionär beim SC Preußen Münster sowie Handball-Meister THW Kiel. Für günstige Verstärkungen soll auch das Nachwuchsleistungszentrum sorgen, die A-Jugend spielt in der Bundesliga Nord/Nordost eine gute Rolle im Mittelfeld. Mit Hauke Wahl schaffte ein A-Jugendlicher den Sprung in die 3. Liga, weitere sollen folgen.
