Saisonstart mit einem echten Gradmesser …
von Timo Görner
… gegen den Halleschen FC, der als Drittligaabsteiger klar ambitioniert auf die sofortige Rückkehr in Liga 3 in diese Spielzeit geht.
Die letzte Saison:
Mit dem HFC verabschiedete sich der zweite mitteldeutsche "Dino der 3. Liga". 2012 gelang der Aufstieg, mit Sven Köhler als Trainer. 12 Jahre danach konnte man den Abstiegskampf nicht erfolgreich bestreiten. Hauptgrund war die größtenteils nicht drittligataugliche Defensive. Die Hallenser kassierten 68 Tore, mehr kassierte nur Mitabsteiger Lübeck. Der Trainerwechsel kam wohl auch zu spät, zumindest gelang mit dem neuen Coach eine gewisse Stabilisierung der Abwehr. Was aber nicht reichen sollte.
Dabei ging es gut los, zum Auftakt wurde Spitzenteam RWE bezwungen (2:1), auch Zweitligaabsteiger Sandhausen (4:1) ging in Halle leer aus. Gegen Duisburg gab es ein Remis (1:1), am Ende fehlten die Punkte. Mit 7 Zählern aus 5 Spielen ordnete sich der HFC im Mittelfeld ein. Bedenklich waren 7 Gegentreffer bei den Gastspielen in Ingolstadt (0:4) und Mannheim (2:3): Die Anfälligkeit der Abwehr blieb Baustelle Nummer 1. In der Winterpause rangierten die Rot-Weißen auf Abstiegsplatz 17. Mehr war bei 18 Punkten aus 19 Begegnungen nicht drin.
Immerhin 3-mal wurde auswärts gewonnen. Wichtig war das 2:1 in Freiburg, überraschend der Sieg in Ulm (3:2). Immer wenn man mit dem Rücken zur Wand stand, erhielten Achtungszeichen die Hoffnungen. Im eigenen Stadion schmerzten die Pleiten gegen München, Saarbrücken (0:2), Münster (1:4). Auch das 2:2 gegen Bielefeld war ungenügend. Zumal die Arminen in der Schlussphase zum Ausgleich kamen. Personell wurde in der Winterpause reagiert. Ein neuer Torwart, Innenverteidiger und Rechtsaußen sollten das Blatt wenden.
Am Ende kamen in 19 Partien 2024 noch 22 Zähler dazu, das blieb ungenügend. Weil die Mitkonkurrenten Bielefeld, Mannheim, München zulegten. Nach Spieltag 31 musste Sreto Ristic gehen. Der HFC stand nach dem Spiel in Regensburg (0:2) auf Rang 18 mit 2 Zählern zum rettenden Platz. Ristic gelang die Wende nicht. Wieder hatte man einen guten Auftakt, erst gegen Ingolstadt (3:1) und gelang ein wertvolles 3:2 in Duisburg. Lohn war der Sprung ans rettende Ufer. Der Trend blieb nicht. Es gab Lichtblicke gegen Lübeck (3:0) und Dresden (1:0). Dafür aber Nackenschläge gegen Freiburg II mit dem 2:2 in Minute 90+7 und das 2:3 gegen Aue nach zweimaliger Führung.
Stefan Reisinger übernahm für 7 Spiele. Vor Runde 34 erfolgte die Trennung von Sportdirektor Thomas Sobotzik, der schon beim Trainerwechsel außen vor war. Es war Sobotziks zweites Aus in kurzer Zeit nach Offenbach. Reisinger begann mit 2 Pleiten. 0:2 gegen Ulm, 2:4 bei Viktoria Köln (2:0). Die Abwehrprobleme bekam er leidlich in den Griff, bis zum Ende 3:2 Tore und die 1:0-Erfolge gegen Verl und in Saarbrücken. Den notwendigen Sieg in Bielefeld beim dramatischen 0:0 verpasste man. Jetzt haperte die Offensive.
50:68 Tore für den Angriff reichte für Rang 14, das Grundproblem war hinten. Zu wenig wurde zudem im heimischen Revier geholt, hier war der Saldo negativ: 7-4-8. Nur Freiburg II verlor auf Reisen mehr. Ein wenig Trost gab es am Saisonende, der HFC holte sich den Pokal im Endspiel bei Ex-Regionalligist Halberstadt. Wenn auch mühsam mit 4:2 n. V..
Delegierungen für diese Saison:
Wie nicht anders zu erwarten gab es nach dem Abstieg einige personelle Veränderungen, schon allein weil nur ganz wenige Akteure auch einen Vertrag für die Regionalliga hatten. 24 Spieler sind aus dem Vorjahr weg, 21 kamen neu dazu. Nur 4 verblieben.
"Leihgabe" Philipp Schulze (21) im Tor kehrte nach Wolfsburg zurück, mittlerweile an Drittligist Verl ausgeliehen. Er war 14-mal die Nr. 1. Rechtsverteidiger Julian Eitschberger (20/Hertha BSC) musste auch zurück. Manndecker Brian Behrendt (32/Stuttgarter Kicker) zog es in die Staffel Südwest. Er war erst Januar 2024 aus Braunschweig gekommen.
Im Mittelfeld blieben 5 in Liga 3. Enrique Lofolomo (24/Viktoria Köln), Tunay Deniz (30/1860 München), Timur Gayret (25/SC Verl), der Kosovare Besar Halimi (29/Sandhausen) und Slowene Aljaz Casar (23). Deniz Referenz: 10 Toren + 7 Vorlagen. Tom Baumgart (26) hätte man gerne behalten. Im Angriff musste man Mittelstürmer Dominic Baumann (29/15) ziehen lassen. Es war dessen dritter Abstieg in Folge nach Würzburg und Zwickau.
Das waren die wichtigsten Abgänge. Den großen Ausverkauf gab es nicht. Es gingen aber Stammspieler und Eckpfeiler wie Deniz, Baumann. Schwerlich zu vermeiden. Tarsis Bonga zählte eher weniger dazu, er war ohne Torbeteiligung. Auch im dritten Verein nach uns ohne Durchbruch. Auch der lange schwer erkrankte Niklas Kreuzer (31), erst gegen Ende der Saison wieder in Fahrt ging der Wege.
Bei 21 Neuen gelangen doch vielversprechende Personalien. Darunter einige Akteure mit HFC-Vergangenheit.
Für das Tor kam junges Personal mit Luca Bendel (20/Eilenburg), Keno-Miguel Meyer (19/Werder Bremen U19). Für die Abwehr kamen Innenverteidiger Kilian Zaruba (22/Eilenburg), Niklas Kastenhofer (25/VfB Lübeck), Routinier Jan Löhmannsröben (33/Lok Leipzig), Burim Halili (26/Jena). Bekanntermaßen auch unser Ex-Spieler Robert Berger (27) als Rechtsverteidiger. Zwei Kicker beförderte der HFC aus der U19: Sören Acker (19) auf Rechts und als Manndecker Paul Hamella (18).
Im Mittelfeld galt es die Abgänge teilweise aufzufangen. Für die Zentrale gelangen mit dem Ex-Dresdner Max Kulke (23/Altglienicke), Berk Inaler (24/Viktoria Berlin) gute Neuzugänge. Feste Größen beim Ex-Verein, Inaler war Kapitän beim FCV. Niclas Stierlin (24/Duisburg) ist "6er" mit 128 Spiele in Liga 3 für den MSV Duisburg, Unterhaching. Für die Zuarbeit zum Angriff heuerten Joscha Wosz (21/Verl) und US-Amerikaner Joe-Joe Richardson (22/Sandhausen) an. Beim SVS war Richardson nur sporadisch eingesetzt und "Leihgabe" für mehr Spielpraxis. Rechts bringt auch Marius Hauptmann (25/Lübeck) Drittliga-Erfahrung aus Zwickau, Dresden und Absteiger VfB Lübeck mit. Links gilt Pierre Weber (20/FCM II) als Talent vom Erzrivalen.
Für den Angriff zogen die Hallenser für die Mitte Anthony Roczen (24), Cyrill Akono (24/Lübeck), Luka Vujanic (20/Halle 96) und Robin Friedrich (21/Verl) an Bord. Roczen ist der dritte Neue aus Altglienicke, im Vorjahr erzielte er 5 Tore in 14 Spielen. Nicht die große Verstärkung, auch aufgrund von Verletzungen. Vujanic kam beim Lokalrivalen VfL 1896 auf 9 Treffer. Erstmals Regionalliga, wechselte er zurück. Akono pendelte beim VfB zwischen Stammelf und Ersatzbank. Friedrich war hingegen ohne Bedeutung in Verl. Rechtsaußen Marvin Awuah (19) kam aus der eigenen U19.
Alles in allem eine sehr ordentliche Bilanz. Mehrere haben höherklassig in der 3. Liga gespielt mit Kulke, Löhmannsröben, Stierlin, Hauptmann, Berger, Akono, Kastenhofer. Bemerkenswert auch das einige Neue schon mal beim HFC waren oder aus dem Nachwuchs stammen. Brendel, Löhmannsröben, Berger, Kastenhofer, Halili, Zaruba, Wosz, Vujanic.
Die sportliche Leitung:
Keine Einigung gelang mit Stefan Reisinger, so gab es den nächsten Neuen. Mark Zimmermann (50) unterschrieb, bekannt im Nordosten. 2016 bis Februar 2018 war er Chef in Jena mit dem Aufstieg in die 3. Liga. Danach ging es 4 Jahre zur II. des 1. FC Köln in der Staffel West. Als Spieler war er vor allem in Jena aktiv, dazu Unterhaching, Aachen, Stuttgarter Kickers. Als Co-Trainer unterstützt Fabio Leutenecker (34), hierzulande ein Begriff aus seiner CFC-Zeit. Seit der Vorsaison ist er auch Chefscout und Video-Analyst. Hinzu kommt als zweiter Assistent der Spanier Paco Vaz (50), der seit April 2024 beim HFC ist.
Die Keeper betreut Marian Unger (40), noch bekannt aus Zwickau und Plauen. Wechselte aus Osnabrück. Anfang Mai kam Daniel Meyer (44) als Sobotzik-Nachfolger. Meyer war ehemals Chefcoach in Aue und Braunschweig, zuletzt bei der U19 von RB Leipzig in Lohn und Brot.
Die aktuelle Saison bislang:
Nur 4 blieben aus dem Vorjahr, in der Vorbereitung musste ein fast kompletter Neuaufbau gestemmt werden. Nicht unerwartet das die Ergebnisse der Testspiele wechselhaft ausfielen. Neben einem 2:1 gegen Drittliga-Aufsteiger Aachen wurde ein 2:3 bei Oberligist Lichtenberg 47 verbucht. Bei der "Generalprobe" letzten Freitag gegen Lok blieb das Team knapp (1:0) siegreich.
Das Auftaktprogramm der Hallenser ist interessant. Dem Auftakt folgt die Heimpremiere im Duell "Absteiger - Aufsteiger" gegen Plauen. Auch das zweite Gastspiel in Erfurt. wird nicht einfach. Zweites Heimspiel erfolgt dann schon gegen einen erklärten Staffelfavoriten: Altglienicke.
Erster Saisonhöhepunkt ist das Spiel gegen den FC St. Pauli im DFB-Pokal am 16.08.2024. Spannend bleibt, wie sich die neu formierte Mannschaft in der Anfangsphase präsentiert.
Das Spieler-Kollektiv:
Trotz der genannten Abgänge hat der HFC ein Aufgebot am Start, das qualitativ sicherlich zu den Top-Mannschaften der Liga gehören dürfte.
Für das Tor stehen Sven Müller (28), Luca Bendel (20), Youngster Keno-Miguel Meyer (17) zur Auswahl. Müller einer der 4 aus dem Vorjahr, kam immerhin auf 18 Spiele und war in den letzten 5 Begegnungen gesetzt. Tendenz wohl das es erstmal dabei bleibt.
Die Abwehr setzt sich vor allem aus Innenverteidigern zusammen. Niklas Kastenhofer (25) und Jan Löhmannsröben (33) haben Drittligaerfahrung. Kilian Zaruba (22) war vergangene Saison Eckpfeiler in Eilenburg. Burim Halili (26) wenn nicht verletzt in Jena. Paul Hamella (18) ist "Perspektivspieler". Nur 2 Außenverteidiger stehen im Kader mit Sören Acker (19) auf Links, Robert Berger (27) Rechts. Letzter war auch schon mal in Liga 3 unterwegs, bei seinen Stationen Cottbus und Zwickau.
Im defensiven Mittelfeld hielt Niklas Landgraf (28) die Treue. Er ist seit 7 Jahren in Halle. Wenn er fit war, dann war er letzte Saison Stammspieler. Landgraf kann in der Absicherung auch andere Positionen bedienen. Dazu kommt Neuzugang Niclas Stierlin (24), vor wenigen Tagen verpflichtet. Max Kulke (25) kann das auch wie noch Berk Inaler (24). Marius Hauptmann (25), "Eigengewächs" Lucas Halangk (20) kommen über die rechte, Jordi Wegmann (22), Pierre Weber (20) über die anderen Seite. Joe-Joe Richardson (22) und Joscha Wosz (21) sind Zuarbeiter für den Angriff.
Eben dort gingen mit Baumann 15 Tore. Auf der Position kamen vier mit Cyrill Akono (24), Anthony Roczen (24), Luka Vujanic (20) und Robin Friedrich (21). Ob es gelingt, den Abgang zu kompensieren wird sich zeigen. Akono und Roczen waren im letzten Spieljahr nicht die "Knipser" wie der Ex-Zwickauer. Vujanic und Friedrich noch jung an Jahren, sind nicht unbedingt gleich als Stammspieler zu erwarten. Ob es für Rechtsaußen Marvin Awuah (19) für Einsätze reicht, wird man sehen.
26 Spieler stehen jetzt im Team inkl. 3 Keeper. Ein wie schon angesprochen starker Kader mit mehreren drittligaerfahrenen Protagonisten. Ziel dürfte klar sein.
Krankenlager / Strafbank:
Berk Inaler fällt aktuell wegen Bänderriss im Sprunggelenk aus, auch für den Auftakt beim CFC. Kapitän Jonas Nietfeld zog sich im letzten Spiel der Vorsaison wie bekannt einen Kreuzbandriss zu. Er fällt noch bis mindestens Jahresende aus.
Prognose:
Der HFC spielt ernsthaft um den Staffelsieg mit, wenn man das Potential der Mannschaft ausschöpfen kann. Auch wenn es möglicherweise einen schwierigen Start geben wird.
Bilanz gegen unseren Gegner:
Es ist das 70. Duell. Die Bilanz spricht knapp für uns mit 22 Siegen gegen 20 Niederlagen bei 87:81 Toren. In unserem Revier konnten wir 13-mal jubeln, die Rot-Weißen nach 5 Gastspielen.
In den letzten 3 Heimspielen blieb Himmelblau ungeschlagen: 1:1 - 3:1 - 3:0 in der 3. Liga. In Halle sah es zuletzt gut aus, konnten wir 2 Begegnungen mit 2:1, 3:0 für uns entscheiden und verloren nur am 03.08.2019 mit 1:3. Ein "schwarzer Tag" der Vereinsgeschichte mit dem Aus für Daniel Frahn beim CFC, einem Insolvenzverwalter welche den Verein offenbar endgültig abwickeln wollte.
Man wird sich noch (sehr ungut) an diese Tage erinnern.
Das Umfeld / Wirtschaft/ Stimmung:
Der Abstieg 2024 war auch Ergebnis der sich seit Jahren stagnierenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Sobald ein Spieler beim HFC herausragend agierte, musste man ihn ziehen lassen, adäquaten Ersatz zu finden wurde immer schwieriger. Siehe Zimmerschied, Eberwein, Boyd u. a. Das Umfeld ist nicht einfach, die Konkurrenz in der Umgebung solide mit dem Bundesliga-Platzhirsch aus der Leipziger Cottastraße, 100 km nördlich spielt ein Zweitligaverein eine Etage höher mit deutlich mehr Fans, Zuschauern und damit attraktiver für Sponsoren. Für die neue Saison in der Regionalliga Nordost gelang es aber, ein gutes Gerüst mit rund 4 Mio. € Gesamtetat aufzubauen. Was aber auch das klare Ziel vorgibt - die sofortige Rückkehr in die 3. Liga.
Im vergangenen Spieljahr begrüßte der HFC im Schnitt 7.837 Zuschauer. Trotz des Abstiegs waren das etwas mehr als das Jahre davor (7.702). Mittelfeld in der 3. Liga. Über den besten Besuch freuten sich die Verantwortlichen im Klassiker gegen Dresden (13.114). Dahinter im vorentscheidenden vorletzten Heimspiel gegen Unterhaching beim 0:1 befüllten 10.732 die Ränge. Ein Beleg, dass die Fans bis zum Schluss bereit waren, ihr Team zu unterstützen. Etwas mehr als 9.000 sahen die Gastspiele des FC Erzgebirge und TSV 1860. Gut möglich das, wenn es sportlich gut bis sehr gut läuft, gerade die "alten Bekannten" für einen soliden Schnitt sorgen. Vor allem die Duelle gegen die beiden Leipziger Vereine um Punkte nach langer Zeit dürften mobilisieren.
Als Brustsponsor konnte vor dem Ende der Vorsaison eine bekannte Hallenser Firma für Süßigkeiten gewonnen werden, unabhängig von der Liga-Zugehörigkeit. Das mit einem solidem Beitrag. Das seit knapp 200 Jahren bestehende Unternehmen ist einer von 5 Hauptsponsoren, neben der städtischen Sparkasse, den Stadtwerken und einem Sportartikel-Hersteller. Unruhe gab es zuletzt ausgerechnet mit Vereinslegende Dariusz Wosz. Der HFC trennte sich vom Unternehmen des ehemaligen 17-fachen DFB-Nationalspielers, welcher jahrelang der Merchandising-Betreiber der Rot-Weißen war. Der Vereinsaustritt von Wosz schlug hohe Wellen, man wollte sich wieder an einen Tisch setzen. Hintergrund war eine Entscheidung des Vereins, die Vermarktung wieder in eigene Hände zu nehmen.