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Freie Presse vom 07.10.2000

"Freie Presse" analysiert schlechten Saisonstart des Fußball-Zweitligisten - Leistungsträger suchen Form und die Mannschaft das richtige System

Sechs Gründe für die Krise beim CFC

Der einzige ostdeutsche Fußball-Zweitligist geht schweren Zeiten entgegen. Nach sieben Spieltagen steht der Chemnitzer FC als Vorletzter der Tabelle mit 5 zu 16 Toren und vier Zählern auf einem Abstiegsrang. In der vergangenen Saison als der CFC knapp am Abstieg vorbeischrammte stand zum gleichen Zeitpunkt der zehnte Platz zu Buche. Am elften Spieltag waren die Himmelblauen sogar Vierter. "Freie Presse" analysiert den Fehlstart und nennt fünf wichtige Gründe für die Krise:

1. Die Aufstiegseuphorie fehlt. Während im Vorjahr zu Beginn der Spielserie mit der Euphorie des Aufstieges einige Schwachstellen übertüncht wurden und zum Beispiel gegen den Aufstiegsfavoriten Mönchengladbach gleich ein 2:0-Sieg heraussprang, startete die Elf diesmal mit drei Niederlagen in Folge in den rauhen Zweitliga-Alltag.

2. Der CFC wird nicht mehr unterschätzt. Von St. Pauli bis Saarbrücken werden die Sachsen sehr ernst genommen. Die Kontrahenten haben sich auf die "Festung" Gellertstraße eingestellt und reisen keinesfalls überheblich an. Im Vorjahr wurde der Neuling sicher das eine oder andere Mal unterschätzt, was am Ende auch einige Punkte brachte.

hte. 3. Einige Leistungsträger laufen ihrer Form hinterher. Geredet wird zwar viel über eine verfehlte Einkaufspolitik, doch bei genauerem Hinschauen kann dies nicht ausschlaggebend für die Misere sein. Denn kein Leistungsträger hat den Verein, der die vergangene Saison auf Platz elf beendete, verlassen. Fakt ist aber, dass einige Führungsspieler ihrer Form hinterherlaufen. So zum Beispiel Karsten Oswald, Nebojsa Krupnikovic oder Ervin Skela. Sie schlugen im Vorjahr hundertprozentig ein, setzen aber gegenwärtig ihr Potenzial, vielleicht auch wegen fehlender Fitness, im Spiel nicht um. Oder Beispiel Alexander Tetzner. Im Aufstiegsjahr (Regionalliga) wurde das große Talent gefeiert und sogar von Bundesligisten umworben. Doch in der 2. Liga konnte er bisher nicht die Erwartungen erfüllen, und das, obwohl er diesmal im Gegensatz zu den zwei Jahren zuvor die komplette Vorbereitung absolvierte. Auf die kritische Berichterstattung nach seinem schwachen Spiel in Fürth reagierte er mit Beschimpfungen gegenüber einem Journalisten. Stellt sich die Frage, ob auch andere "Profis" in dieser Form mit Kritik umgehen. Eine Charakterfrage, die bezeichnend für die Situation ist.

4. Kein klares System und keine Stammelf. Seit der Vorbereitung auf die Saison probiert der Club, das richtige System zu finden. Trainer Christoph Franke wollte die spielerische Komponente erhöhen und versuchte in den Tests, ein modernes System mit zwei offensiven Mittelfeldakteuren (Skela, Krupnikovic) und einem Stürmer einzuführen. Das ging schief, weil der eine dem anderen die Show stehlen wollte. Also kehrte der CFC zum alten System zurück. In diesem mussten sich allerdings erst einige Neue (Ivankovic, Biskup, Holetschek, Avdic) zurechtfinden, was nicht problemlos ging. Niederlagen erforderten zwangsläufig Experimente. So konnte noch keine Stammformation wachsen. Nach dem Trainerwechsel stürmte erneut einiges Neues, vor allem in Taktikfragen, auf die Spieler ein. Was die Situation für Josip Kuze noch erschwert: Er muss seine Vorstellungen mit Spielern (außer Boban Babunski) umsetzen, die vor seiner Zeit verpflichtet wurden.

5. Die Stimmung in der Mannschaft: Die meisten Spieler dementieren eine Grüppchenbildung (Ausländer und Deutsche) im Team. Was aber nicht auszuschließen ist, dass es bei dem großen Kader (28 Spieler) zu viele unzufriedene Akteure gibt, die dann mitunter negative Stimmung verbreiten könnten. Der CFC versuchte es mit einem "sozialverträglichen" Rezept, den aussortierten Spielern eine Vertragserfüllung zu gewährleisten (Trainingsmöglichkeit und Grundgehalt), bedachte aber die möglichen Nebenwirkungen nicht.

6. Die Unruhe im Umfeld. Seit Saisonbeginn rumort es im Verein. Das neue Präsidium bot bei der Machtübernahme mit Formfehlern dem alten Vorstand Angriffsflächen, die Querelen brachten. Weil der Präsident jetzt Nofri und nicht mehr Waszik heißt, dürften die Spieler aber nicht anders an den Ball treten. Doch die Machtkämpfe sind auch Gesprächsthema in der Kabine und vielleicht deshalb im Unterbewusstsein ein Konzentrationshemmnis.

Thomas Prenzel

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