Freie Presse vom 08.11.2001
Abwehrrecke Jan Schmidt erlebt im goldenen Herbst des Chemnitzer FC seinen zweiten Frühling - Erst schlaflose Nächte, jetzt Torjäger
Chemnitzer FC: „Kohler ist auch nicht gerade der Pfeil"
Leicht hatte es Jan Schmidt selten. In der Saison ´95/96 gehörte er beim FC Erzgebirge Aue mit zu den Besten. Als es zu den
Vertragsverhandlungen kam, spürte er davon aber nichts mehr. Unter Wert wollte sich der baumlange Profi im gesetzten Fußballalter auch nicht verkaufen,
wechselte deshalb zu Dynamo Dresden. In einer Zeitung musste er zwar anschließend lesen, was für ein „Abzocker" er wäre. „Dabei wollte ich nur brutto,
was andere damals in Aue netto verdienten", erinnert sich Jan Schmidt. Doch das Kapitel ist längst abgehakt. Der 3:0-Triumph seines Chemnitzer FC
jüngst in der Regionalliga gegen den Erzrivalen gewann nicht aus Rachegelüsten an Wert, sondern „weil ich eine ordentliche Leistung gezeigt habe", schildert
Jan Schmidt zufrieden.
Die Zufriedenheit musste sich der 30-Jährige beim CFC hart erarbeiten. Und man mag es kaum glauben. Noch vor ein paar Wochen wollte das liebevoll
genannte „Kopfballungeheuer" die Töppen für immer an den Nagel hängen. Doch der Reihe nach. 1999, nach dem Aufstieg in die 2. Liga, schenkte ihm der
damalige Trainer Christoph Franke reinen Wein ein. Wegen seiner Schnelligkeitsdefizite wurde Schmidt aussortiert, musste sich fortan mit den Amateuren in
der Nebenkabine umziehen. Doch der Abwehrrecke biss sich durch, kam nach 5 Einsätzen im ersten Zweitligajahr immerhin auf 14 im zweiten, dem
Abstiegsjahr. „In der Abwehr, wo die Tore fallen, sieht man da immer schlecht aus. Aber gegen Ende der Saison habe ich trotz der vielen Niederlagen
schon ein paar gute Spiele gezeigt."
Grund genug für Jan Schmidt, in der Regionalliga einen neuen Anlauf, diesmal mit Spind in der richtigen Mannschaftskabine, zu nehmen. Doch auch in Dirk
Karkuths Viererabwehrkette spielte sein Name keine Rolle. Was noch das geringste Übel gewesen wäre. Der Ex-Trainer hatte ihn zwar zum „besten
Kopfballspieler der Regionalliga" gekürt. „Doch ich war oft Kritik und auch Beleidigungen ausgesetzt. Das ging so weit, dass ich nachts nicht mehr schlafen
konnte", blickt er auf die schweren Stunden zurück. Vor allem Athletiktrainer Hermann Kretschmann baute Jan Schmidt wieder auf. „Er war mein
Anlaufpunkt und hat großen Anteil, dass ich jetzt noch spiele."
Wie natürlich auch Frau Katja und Töchterchen Michelle, die kein Heimspiel des CFC verpassen. Die Vierjährige geht meist im Arm des Papas mit auf die
Ehrenrunde im Stadion, wenn Siege gefeiert und Fans „abgeklatscht" werden. „Sie ist der Mittelpunkt meines Lebens", blitzen die Augen des Familienvaters
Jan Schmidt. Manchmal ist es ihm fast unheimlich, wie sich alles zum Guten gewendet hat. Vier Tore stehen in dieser Saison schon zu Buche. Meist trifft der
1,87 Meter große Bermsgrüner nach Standards per Kopf. „Der Ball will wohl, dass ich ihn reinmache", sagt er ungläubig.
Keine Spur mehr von Selbstzweifeln („Der Trainer gibt mir das Vertrauen"), keine Bedenken wegen Schnelligkeitsproblemen. Nur vor dem Aue-Spiel gab
es ein Gespräch mit Coach Matthias Schulz. „Ich habe ihm gesagt, dass ich mich nicht erinnern kann, dass mir in letzter Zeit mal ein Stürmer weggerannt ist.
Klar sind meine Werte nur Durchschnitt, aber Kohler ist auch nicht gerade der Pfeil", zieht er selbstbewusst einen Vergleich zum Manndecker von Borussia
Dortmund. Der hat es bis zum Weltmeister gebracht, was Jan Schmidt natürlich nicht mehr vergönnt sein wird. Ihn würde schon ein Sieg am Freitag gegen
Lübeck glücklich stimmen. Erneut Weltmeister soll dann möglichst bald sein einstiger Klassenkamerad und Profiboxer Markus Beyer aus Schwarzenberg
werden.
Schmidt: „Wenn´s soweit ist, hoffe ich, dass ich ihm am Ring die Daumen drücken kann."
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