Kölner Express vom 19.11.1999
Vorm Hit gegen FC: Chemnitz-Trainer über das West-Ost-Gefälle
Wir haben keine Komplexe
Natürlich, der FC kommt und die Gegner freuen
sich. Nicht anders beim Chemnitzer FC. Natürlich ist das
ein besonderes Spiel für uns, sagt Trainer Christoph
Franke, Köln ist ein Traditionsklub mit einer glorreichen
Vergangenheit.
Die Vorzeichen für den
Fußball-Knaller am Montag
(20.15 Uhr) sind klar abgesteckt:
Das Stadion des
Überraschungs-Aufsteigers
(Platz vier) ist mit 12 500
Zuschauern ausverkauft, man
erwartet, dass der einst
ruhmreiche Westverein stolpert.
Ich will hier keinen Konflikt
erzeugen, sagt Franke, die Leute
im Osten sind natürlich nicht
damit einverstanden, dass
unsere Talente für mickrige Ablösesummen Chemnitz
Richtung Westen verlassen haben und drei Jahre später
Millionen einbringen.
Beispiel Michael Ballack: Für 300 000 Mark wechselte der
Mittelfeldspieler von Chemnitz nach Kaiserslautern, wurde
Nationalspieler, ging schließlich nach Leverkusen. Der
Transfer brachte den Pfälzern stattliche sechs Millionen
Mark ein. Der DFB muss sich einmal überlegen, wie er die
Vereine, die die Spieler ausbilden, finanziell entschädigt,
schlägt Franke vor.
Jetzt kommt der FC. Ein Klub mit einem Etat von 25
Millionen Mark, Tradition, Titeln und Sponsoren. In
Chemnitz bewegt sich der Etat um sieben Millionen, die
Spieler verdienen einen Bruchteil der Kollegen aus Köln.
Kommen da nicht Minderwertigkeitskomplexe auf, Herr
Franke?
Nein, ich habe keine Komplexe. Es ist doch klar, dass die
meisten Ostvereine durch die großen Veränderungen
Probleme bekommen haben.
Mit einem eingespielten Team ohne Stars,
Zusammengehörigkeitsgefühl und einer unbändigen Moral
glich Chemnitz den Wettbewerbsnachteil aus und
überraschte die Konkurrenz. Ich habe den FC bereits
einige Male gesehen. Die sind technisch sicherlich besser
als wir, können sowohl auf Konter als auch Pressing
spielen. Aber das macht meine Mannschaft mit ihrer
Geschlossenheit wieder wett. Das Geheimnis des
Chemnitzer Erfolges.
Meint auch FC-Stürmer Markus Kurth: Gerade im Osten,
wo man noch nicht so viel verdient, halten die Spieler wie
Pech und Schwefel zusammen. Da fällt keiner raus. Das
wird in Chemnitz eine ganz harte Nuss.
Und sollte der FC bis kurz vor Schluss führen, gehts erst
richtig los. Gegen Aachen, dem KSC und Cottbus holte
Chemnitz in einem furiosen Schluss-Spurt einen
Rückstand auf, feierte zwei Siege und ein Unentschieden.
Thomas Gansmann
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