Kicker vom 17.01.2000
Aufstiegsplätze in Reichweite
Chemnitz und der große Coup
Als Neuling haben sich die Sachsen in der Zweiten Liga mit einer
furiosen Hinrunde in die Nähe der Aufstiegsplätze zur Bundesliga
gekämpft.
Es ist Januar, der Chemnitzer FC hat in der Zweiten Liga die Aufstiegsplätze in
Reichweite, die Neuen haben prächtig eingeschlagen, und der Trainer liebäugelt
mit dem ganz großen Coup. "Platz sechs aufwärts", sagt Reinhard Häfner, sei
das Ziel, "die Ränge eins bis drei sind dabei nicht ausgegrenzt."
Ein paar Monate später ist Häfner seinen Job los, die illustre Schar der
Balltreter - um Ballack, Panadic, Meißner, Gerber und Aracic - kann den GAU
nicht verhindern: Platz 15 in der Endabrechnung, Absturz in die Regionalliga im
Sommer 1996.
Wieder ist es Januar, der Chemnitzer FC hat in der Zweiten Liga die
Aufstiegsplätze in Reichweite (Platz 5), die Neuen haben prächtig
eingeschlagen, und der Trainer liebäugelt höchstens damit, dass niemand
liebäugelt mit dem ganz großen Coup. Er werde "so lange nach unten schauen
in der Tabelle, bis der Klassenerhalt klar ist", sagt Christoph Franke. Bei 43
Punkten, "im günstigsten Fall bei 40 Punkten" wird es seiner Meinung nach so
weit sein, "und dann, aber wirklich erst dann kann man andere Gedanken
haben; wer vorher rumspinnt, kriegt Probleme".
So ändern sich die Zeiten!
Beim CFC, der im vergangenen Sommer nach drei Serien in der Regionalliga
Nordost wieder auftauchte in der zweithöchsten deutschen Spielklasse, erklärt
man trotz einer beeindruckend stabilen Hinrunde die Bescheidenheit zur
höchsten aller Tugenden. "Wir haben gefightet um diesen Aufstieg in die 2.
Liga", sagt Manager Siegmar Menz, "wir werden diesen Status jetzt nicht durch
irgendwelche Phantasien gefährden."
Menz, der Südthüringer, nahm im Juli 1997 seine Arbeit bei dem sächsischen
Klub auf, "unter denkbar schlechten Voraussetzungen", weil der Kader gerade
16 Spieler zählte und Millionen-Schulden die Existenz des Vereins gefährdeten.
Etliche Spieler wurden bei Sponsoren angestellt, die die Gehälter teilweise
übernahmen. "Stark leistungsbezogene Verträge und die Ablösefreiheit als
maßgebliches Kriterium bei Transfers" (Menz) waren weitere Eckpfeiler des
Sanierungskurses, der den drohenden Kollaps verhinderte - zuletzt konnte gar
der Etat für die laufende Saison von 7,5 auf über 9 Millionen Mark aufgestockt
werden.
Auch Franke, den das Präsidium bei einer Niederlage gegen den 1. FC
Magdeburg im November 1998 entlassen hätte (das Spiel endete 1:0), hat sich
längst freigeschwommen. Die Routine der Haudegen Ananiev (34), Wienhold
(34), König (34), Köhler (33) oder Laudeley (33) und der ungebremste
Tatendrang von Dittgen (25), Skela (23) oder Oswald (24) vermengten sich
erfolgsträchtig. Franke, ein Mann ohne Hang zur Selbstvergrößerung, erwartet
in der Rückrunde eine "spielerische Weiterentwicklung des Teams, ohne an
kämpferischer Bereitschaft einzubüßen".
Gelingt das, dürfte das Erstaunen über den forschen Neuling anhalten. Auch im
eigenen Verein. "Als der Abstieg 1996 feststand", sagt Ulf Mehlhorn, der nach
Abstechern zu Fortuna Düsseldorf und dem VfB Leipzig 1998 zurückkehrte,
"habe ich mir in Düsseldorf gedacht, dass sich das für lange Zeit erledigt hat mit
der 2. Liga und dem CFC. Vielleicht sogar für immer." Mehlhorn lag falsch. Wie
Häfner ein paar Monate zuvor.
Steffen Rohr
» gefunden von André Witt
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