Leipziger Volkszeitung vom 17.05.2000
Der Chemnitzer Trainer Christoph Franke über Zweitliga-Abstiegskampf und Suche nach Verstärkung
"Noch einmal schaffen wir das nicht"
Unter vielen Lautsprechern ist er der Leisetreter.
Christoph Franke mag keine großen Sprüche. Mit
unspektakulärer, fleißiger und bodenständiger Arbeit hat er
den Chemnitzer FC in die Zweite Liga geführt und sich dort
behauptet. Drei Spieltage vor Saisonschluss besitzt
Aufsteiger CFC fünf Punkte Vorsprung auf die
Abstiegsplätze. Unsere Zeitung sprach mit dem
55-jährigen Trainer, der früher in der DDR-Oberliga auch
einige Jahre beim SC Leipzig und 1. FC Lok spielte.
War das überraschende 1:0 in Fürth schon der
Klassenerhalt?
Christoph Franke: Nein, aber ein großer Schritt, über den
wir uns sehr gefreut haben. Doch es gibt keine Sicherheit.
Der Mainzer Sieg am Montag in Bochum hat gerade
wieder gezeigt, was alles möglich ist.
Mit einem Erfolg gegen die Stuttgarter Kickers können Sie
am Donnerstag alles klar machen. Steigt danach eine
Riesen-Fete in Chemnitz?
Höchstens eine spontane innerhalb der Mannschaft. Wir
sind vorsichtig und haben nichts vorbereitet. Wenn wir
verlieren, ist die Situation die gleiche wie vor dem
Fürth-Spiel: zwei Punkte Vorsprung und größte Gefahr.
Woran lag's, dass Sie nach einer starken Hinrunde noch
so in Schwierigkeiten geraten sind?
Am Anfang haben uns die Gegner unterschätzt, jetzt nicht
mehr. Und dann dachten einige Spieler zu Beginn der
Rückrunde: Wir haben 24 Punkte, wir sind Top-Fußballer.
Doch das sind sie eben nicht. Es wurde geschludert, nicht
mehr so gefightet wie zuvor. Wir leben aber davon, dass
wir unsere spielerischen Defizite durch Kampf ausgleichen.
Das klingt fast so, als würde die Substanz für die Zweite
Liga fehlen.
Bis auf drei, vier Spieler ist das auch so. Noch einmal
werden wir mit dieser Mannschaft den Klassenerhalt nicht
schaffen. Wir brauchen mindestens drei richtig gute
Neuzugänge, echte Verstärkungen für alle
Mannschaftsteile. Nur beim Torwart sind wir mit Antonio
Ananiev bestens besetzt.
Wer sind die anderen Säulen des Teams?
Ulf Mehlhorn wieder, nach einigen Problemen. Nebosja
Krupnikovic, der sich zum Spielmacher entwickelt hat. Vor
der Winterpause auch Marco Dittgen. Jetzt steckt er in
einem Tief.
Wo suchen Sie nach Verstärkungen? Regionalliga, Zweite
Liga, Ausland?
Überall. Doch Profis mit Erst- oder Zweitliga-Meriten sind
sehr teuer. In der Regionalliga gibt es zwar viele
Ergänzungsspieler, aber nicht die Spitzenleute, die wir
suchen. Es läuft wohl aufs Ausland hinaus.
Und wie sieht es mit dem Geld für Neuverpflichtungen
aus?
Unsere Mittel sind die bescheidensten im deutschen
Profi-Fußball, wir haben den kleinsten Etat aller Vereine.
Da helfen nur Glück, Zufall und Beziehungen - wie bei
Krupnikovic, auf den wir durch einen befreundeten Trainer
gestoßen sind.
Welche Spieler haben sich in den letzten Monaten am
besten entwickelt, von wem erwarten Sie mehr?
Karsten Oswald und Ervin Skela haben den größten
Sprung gemacht. Nicht überzeugt hat mich Alexander
Tetzner. Er war aber auch zwei Mal in der Vorbereitung
verletzt. Ich denke, er schafft das noch.
Was sagen Sie zu Energie Cottbus?
Ich drücke die Daumen, dass sie aufsteigen. Es wäre gut
für den ganzen Osten. Eduard Geyer hat hervorragende
Arbeit geleistet. Im Vorjahr waren die Cottbuser ja kurz vor
dem Abstieg und in einer ähnlichen Situation wie wir jetzt.
Kann der Chemnitzer FC den gleichen Weg gehen?
Im Moment ist das nicht denkbar. Noch nicht. Dazu
brauchen wir schon einige Sponsoren mehr. Aber auch die
Zweite Liga kann sehr attraktiv sein, wenn man wie in
dieser Saison gegen Köln, Gladbach, Bochum, Nürnberg
und Karlsruhe spielt - alles langjährige Bundesligisten mit
viel Reputation.
Interview: Steffen Enigk
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