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Stuttgarter Nachrichten vom 10.12.1999

Kickers-Gegner Chemnitzer FC setzt auf familiäre Atmosphäre - Trainer Franke:

"Keine Dollarzeichen in den Augen"

Chemnitz - Statistisch gesehen, nach Bevölkerungszahl und Bruttoinlandsprodukt, müssten zwischen sieben und 13 Vereinen unter den 36 Teams im bezahlten Fußball aus den neuen Ländern kommen. Es sind aber nur drei: Hansa Rostock, Energie Cottbus - und der Chemnitzer FC.

Der Minderanteil erklärt sich vor allem durch die prekäre wirtschaftliche Lage. Die Arbeitslosenzahlen bewegen sich in den neuen Bundesländern zwischen 14 und 25 Prozent. Da stehen die Sponsoren nicht eben Schlange, und auch die Fans wenden den Geldschein ein paar Mal, bevor sie ihn an der Stadionkasse gegen eine Eintrittskarte eintauschen.

Es gibt allerdings auch den anekdotischen Zugang, um Fußball in Neufünfland zu veranschaulichen - am Beispiel des Chemnitzer FC, des Aufsteigers in die zweite Bundesliga, der am heutigen Freitag (19 Uhr) bei den Stuttgarter Kickers gastiert.

Manager Siegmar Menz hat ob der wirtschaftlichen Malaise nicht den Humor verloren. Der Mann aus Erfurt fährt regelmäßig die Strecke ins 200 Kilometer entfernte Chemnitz. Zu Beginn der Saison lief ein interner Punkte-Wettbewerb zwischen Menz und der Mannschaft. Des Managers Revier war die Autobahn, Menz gab mitunter die Steilvorlage: "Jungs, heute hab' ich schon drei Punkte geholt, ihr zieht hoffentlich nach." Der CFC tat's und führt in der internen Wertung deutlich mit 21 Punkten nach sechs Siegen, auswärts gegen Karlsruhe und Cottbus.

Menz hat inzwischen den Fuß vom Gas genommen. Er kümmert sich um den Etat und die Verträge mit den Spielern. Chemnitz spart. Wer nicht von der Kinowelt AG als förderungswürdig erkoren wurde, muss sich auf rigide Haushaltsführung beschränken. Sonst gibt es Negativschlagzeilen, wie sie die Regionalliga Nordost zuhauf schreibt: Konkurs beim VfB Leipzig, bei Altmark Stendal und beim FSV Zwickau.

Der Fußball in Chemnitz ist in der Marktwirtschaft angekommen. Es wird ablösefrei eingekauft und strategisch gedacht. Vor drei Jahren lag Chemnitz noch auf der "Intensivstation", dann habe man "Kosten minimiert", "radikal abgebaut", Spielergehälter auf ein "vernünftiges Niveau" gesetzt, sagt Menz. Stellt sich die Frage, warum die Spieler unter diesen Bedingungen bleiben. Trainer Christoph Franke sagt dazu: "Unsere Leute haben keine Dollarzeichen in den Augen. Die sind loyal. Es gibt ein Vertrauensverhältnis zwischen allen."

Kapitän Ulf Mehlhorn stimmt zu: "Wir sind ein Familienbetrieb." Menz sagt: "Für unsere Talente ist es besser, so lange wie möglich in Chemnitz zu bleiben, hier entwickeln sie sich, die große Kohle lässt sich noch später machen." Flügelspieler Alexander Tetzner ist einer der Umworbenen. Er könnte bald Ingo Hertzsch (HSV) und Michael Ballack (Leverkusen) in die erste Liga folgen - auch die Treue zur Familie hat schließlich (finanzielle) Grenzen.

Markus Völker

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