Stuttgarter Nachrichten vom 18.05.2000
Chemnitzer FC hält fest zusammen
Gemeinschaft geht durch den Magen
Vor gut einer Woche feierte er seinen 35. Geburtstag. Mit Toni
Ananiev, dem Torwart des Chemnitzer FC, ist es wahrhaft wie
mit dem viel beschriebenen Wein: je älter, desto besser. So
richtig schmeckte dem ehemaligen Nationaltorhüter Bulgariens
auch der 1:0-Triumph am Sonntag bei der SpVgg Greuther
Fürth.
Mit fünf Punkten Vorsprung zur Abstiegszone lässt es sich am
heutigen Donnerstag aus psychologischer Sicht natürlich
leichter gegen den unmittelbaren Konkurrenten Stuttgarter
Kickers spielen. Denn die Nerven lagen bei einigen Akteuren in
der schwachen Rückrunde blank. ¸¸Man hat gesehen, dass
einige Spieler mit der Situation nicht fertig werden. Dennoch
haben wir alles noch selbst in der Hand'', sagt Ulf Mehlhorn.
Der 31 Jahre alte Manndecker kann heute allerdings nichts zum
Erfolg seiner Mannschaft beitragen: Er fehlt wegen seiner
zehnten Gelben Karte.
Da kommt es wie gerufen, dass Marko Franke im Profiteam
rechtzeitig Fuß gefasst hat. In der vorentscheidenden Partie
wird der 22-Jährige wohl zu seinem dritten Zweitliga-Einsatz
kommen. Das Vertrauen von Coach Christoph Franke hat er
sich in Fürth hart erarbeitet. Ananiev muss sich nichts mehr
erarbeiten. Der Keeper rettete den Himmelblauen schon so
manchen Punkt in dieser Saison. Nicht nur sportlich passt der
mit einer Bärenruhe ausgestattete Ananiev bestens ins Team:
¸¸Ohne ihn wären wir schon abgestiegen. Toni wird als Mensch
sehr geachtet. Für uns ist er unbezahlbar'', lobt Manager
Siegmar Menz den Routinier. Auf sein Drängen hin verschob
der Keeper vor einem Monat eine Schulteroperation, um im
Abstiegskampf seine Klasse in den Dienst der Mannschaft zu
stellen.
Beim Stichwort Mannschaft ist schon der größte Trumpf des
CFC genannt. Der Neuling zahlt mit einem Zehn-Millionen-Etat
die niedrigsten Löhne in Liga zwo. Fast schon sensationell hoch
war die Ablösesumme für den technisch starken Nebosja
Krupnikovic: OFK Belgrad kassierte 500000 Mark. Eine
Ausnahme. Die Chemnitzer setzen auf Kampfkraft und
Zusammenhalt. Das gemeinsame Mittagessen ist Pflicht. ¸¸Ich
glaube, das gibt es in der zweiten Liga nirgendwo'', unkt
Franke. Der CFC-Trainer achtet auf solche Aktivitäten in der
Gruppe. Sonst wäre auch das kaum zu überbietende
Aufstiegswunder im Vorjahr nicht möglich gewesen.
¸¸Ich glaube, das hat es in Deutschland noch nicht gegeben. Wir
sind der erste Verein, der sich saniert hat und aufgestiegen ist'',
meinte Menz. Nach dem Abstieg 1996 war das Tal der Tränen
erreicht. 13 wichtige Spieler verließen den Club, der kurz
danach 3,5 Millionen Mark Schulden hatte. Vier Jahre später
erhielt der CFC die Zweitligalizenz erstmals ohne Auflagen.
Uwe Thomas
» gefunden von Volker Erfurt
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