Das CFC-Pressearchiv


Stadtstreicher, Februar 2002

Interview mit CFC-Trainer Matthias Schulz

"Wir wären dumm, wenn wir diese Chance nicht nutzen"

Matthias Schulz gilt als der Macher des Erfolgs beim Chemnitzer Fußballclub. Mit ihm fanden die Himmelblauen in der laufenden Regionalliga-Serie auf die Siegerstraße zurück. Als Co-Trainer beim CFC verpflichtet, übernahm der 38jährige im August 2001 das Amt des erfolglosen Dauerredners Dirk Karkuth und formte aus einem frustrierten Haufen Fußballer ein schlagkräftiges Team. So gut, dass schon wieder jeder vom Aufstieg redet. Auch der Trainer? Sven Böttger hat sich vor dem ersten Spiel nach der Winterpause mit Matthias Schulz unterhalten.


Wenn Ihnen jemand bei Amtsantritt Ende August gesagt hätte, dass Sie zur Winterpause mit dem CFC auf Tabellenplatz 4 der Regionalliga-Nord stehen, in Schlagdistanz zur Spitze, was hätten Sie geantwortet?

Wenn mir jemand zu Amtsantritt prophezeit hätte, dass wir jetzt da oben stehen, wäre ich schon sehr glücklich gewesen. Daran war natürlich damals nicht zu denken. Ich war aber immer überzeugt, dass in der Mannschaft mehr Potenzial steckt, als sie bis zu diesem Zeitpunkt gezeigt hatte. Deshalb habe ich viel im Training umgestellt, systematischer mit der Mannschaft gearbeitet, regelmäßige Belastungsspitzen gesetzt, aber auch die Regeneration nicht vernachlässigt, um dadurch die Mannschaft wieder konditionell auf Vordermann zu bringen.
Taktisch wurde umgestellt, weg von der Viererkette, hin zu einem modernen 3-5-2-System mit Daniel Göhlert als Libero. Das hat auf Anhieb sehr gut funktioniert. Auch die Offensivqualitäten eines Christian Fröhlich im Mittelfeld kamen viel besser zum Tragen. Letztlich aber, und das ist mir wichtig, kommen die Spieler jetzt mit viel mehr Freude und Elan zum Training. Ich lege Wert darauf, dass wir mit dem nötigen Spaß bei der Sache sind, da darf auch gern mal gelacht werden.

Heißt das, dass die Mannschaft unter ihrem Vorgänger Dirk Karkuth nicht so viel zu lachen hatte?

Doch, da wurde auch viel gelacht, aber es war vielleicht nicht ganz so offen und herzlich, wie es jetzt der Fall ist. Ich will nicht sagen, dass das nur an Dirk Karkuth gelegen hat, aber möglicherweise an seiner Akzeptanz bei den Spielern und im gesamten Umfeld. Er hat am Ende wohl nicht hundertprozentig den Draht zur Mannschaft gefunden.

Sie waren Co-Trainer des CFC, als der erfolglose Chefcoach Dirk Karkuth nach fünf Spieltagen entlassen wurde. Die Mannschaft, gerade abgestiegen aus der Zweiten Bundesliga, stand erneut im Tabellenkeller. Haben Sie gezögert, als man Ihnen den Cheftrainerposten anbot?

Es gab ja ein ganz anderes Problem. Damals war ich gerade mitten im Lehrgang zur Fußball-Lehrerlizenz, musste regelmäßig in der Woche nach Köln. Sechs Wochen blieben mir nur noch bis zur Prüfung. Es war also für alle Beteiligten ein großes Risiko, einen Trainer zu verpflichten, der selten da war. Der Verein hätte dafür geradestehen müssen, wenn es mit mir schiefgegangen wäre, und für mich hätte es einen Imageverlust gegeben, eine Mannschaft zu trainieren, die ich zu diesem Zeitpunkt nicht rund um die Uhr hätte betreuen können. Aber es funktionierte. Wir hatten auch in dieser Zeit erfolgreiche Spiele, was definitiv ein Verdienst meiner Co-Trainer Silvio Meier und Antonio Ananiev war sowie der Mannschaft, die es so gut umgesetzt hat.

Mit ihnen als Cheftrainer startete der CFC ja eine fast beispiellose Aufholjagd. Was ist ihr Trainer-Geheimnis?

Ich versuche das umzusetzen, was ich selbst als Fußballer von vielen erfahrenen Trainern gelernt habe und was ich auch noch heute anhand des Trainings und meiner Beobachtungen lerne. Auch meine Fußball-Lehrerausbildung in Köln hat mich, vor allem in praktischen Dingen, sehr weit gebracht. Grundlegend aber habe ich von solchen Leuten wie Walther Fritsch, Klaus Sammer oder Eduard Geyer sehr viel mitgenommen. Doch auch die Stärken eines Dirk Karkuth, die in der Rhetorik und in der Planung lagen, versuche ich mit in meine Trainingsarbeit aufzunehmen. Letztendlich, und das ist eben meine Art, habe ich irgend etwas, was bei den Spielern positiv ankommt. Obwohl ich damals, als ich Cheftrainer wurde, die Distanz zur Mannschaft erweitern musste, um meine Vorstellungen besser umsetzen zu können.

Sie sind geborener Dresdner, haben von klein auf bei Dynamo Dresden gespielt, weitere Stationen waren unter anderem Stahl Riesa und der DSC. 1998 führten Sie, als Trainerfrischling, den Dresdner Sportclub in die Regionalliga. Glauben Sie, dass ein Trainer, der aus dieser Gegend stammt, besser zum CFC und zur ganzen Mentalität passt?

Dass es bei Dirk Karkuth oder davor bei Josip Kuze eben nicht so funktioniert hat wie beispielsweise unter Hans Meyer oder Christoph Franke, die hier Fußballgeschichte geschrieben haben, sind Erfahrungen, die natürlich so ein Verein auch erst einmal machen muss. Wer in Chemnitz ein erfolgreicher Trainer sein will, sollte mit der hiesigen Mentalität leben und umgehen können. Das hat die Vergangenheit bestätigt und vielleicht auch die Gegenwart.

Nun haben Sie so eine tolle Serie hingelegt, aber ausgerechnet gegen ihren alten Verein, den Dresdner Sportclub, haben sie beide Spiele, zu Hause und auswärts, verloren. Wurmt das?

Die Art und Weise, wie wir gegen den DSC verloren haben, hat mich gewurmt. Vor allem das Rückspiel in Dresden. Eine unschöne Partie, die wir eigentlich kontrolliert und dann doch relativ unglücklich verloren haben. Das war ärgerlich. Natürlich verfolge ich die Resultate vom DSC noch immer ganz genau und wünsche der Mannschaft auch alles Gute. Aber gegen uns sollten sie eigentlich nicht so viele Punkte holen. Doch, wer weiß, wofür es gut ist. Die Dresdner haben sich in der Liga ja wieder gefangen und können vielleicht der einen oder anderen Mannschaft noch ein paar Punkte wegnehmen, zum Vorteil des CFC.

Sie haben seit ihrem Amtsantritt in Chemnitz bisher jedes Regionalliga-Heimspiel gewonnen. Ein Indiz für die Heimstärke ihrer Mannschaft. Aber auswärts kam das Team nach Rückständen oft unter die Räder. Wer aufsteigen will, muss aber auch auswärts punkten oder gewinnen.

Also, wer aufsteigen will, sollte erst einmal in der Abwehr kompakt stehen. Und das haben wir bewiesen. Der CFC hat bisher die zweitwenigsten Tore in der Liga bekommen - das muss unser Standard bleiben. Wer jetzt erwartet, das wir Hurra-Fußball nach vorn spielen und die Spiele mit 3:0 oder 4:0 gewinnen, der verkennt die Situation. Unsere Stärke ist es, aus einem gesicherten Abwehrverbund heraus nach vorne zu spielen. Das sieht man auch bei unseren Erfolgen über Essen und Wattenscheid. Die Grundlage für diese Siege war ein hervorragendes Abwehrverhalten der gesamten Mannschaft. Wir wollen aber auch in der Offensive mehr tun und haben uns deshalb gerade auf diesen Positionen personell verstärkt.

Ist die Mannschaft denn nun in ihrer jetzigen Zusammenstellung aufstiegsreif ? Hat der CFC den nötigen Biss, den Willen, nach oben zu kommen?

Ja. Ich spürte das sofort, als die Jungs aus dem Urlaub wiedergekommen sind. Schon auf der Weihnachtsfeier haben wir festgelegt, dass wir um den Aufstieg mitspielen wollen und uns damit auch identifizieren können. Die Feiertage wurden dann genutzt, um Kraft zu tanken und sich mit diesem Ziel auseinanderzusetzen. Ich merke das jetzt im Training, dass die Jungs unbedingt wollen und dass der nötige Biss auch da ist, um den Aufstieg anzugehen. Doch ich möchte herausstellen, dass unsere nächste Aufgabe Werder Bremen/ Amateure heißt. Mehr nicht. Wir müssen schon realistisch sein. Wenn zuviel vom Aufstieg geredet wird, ist die Jammerei dann groß, wenn man es doch nicht schafft. Wir sind eigentlich mit einem Zweijahresplan angetreten. Wir wollten in diesem Jahr die Mannschaft neu aufbauen und dann nächste Saison richtig angreifen. Wenn natürlich jetzt die Chance auf den sofortigen Wiederaufstieg besteht, wären wir blöd, wenn wir sie nicht nutzen würden. Im Moment sind wir voll im Plan. Unsere Zielstellung war mindestens Platz sechs, wenn wir aber oben dran sind, müssen wir, gerade in der jetzt so schwierigen wirtschaftlichen Situation, für den Verein versuchen, das höchstmögliche Ziel zu erreichen.

Vor Saisonbeginn gab der Präsident und jetzige geschäftsführende Vorstand, Lutz Waszik, diesen angesprochenen Zweijahresplan bekannt. Wenn das Team nicht in dieser Saison aufsteigt, dann spätestens 2003. Der neue Boss beim CFC, Vorstandschef Bernd Leichthammer, sagte aber kürzlich, die Mannschaft müsse schon jetzt aufsteigen, sonst wird nächste Saison finanziell kräftig abgespeckt. Woran orientiert sich nun ein Matthias Schulz?

Für mich ist der Zweijahresplan erst einmal Grundlage für meine Arbeit. Das Präsidium hat natürlich recht, wenn es den Aufstieg schon jetzt sehen will und kennt natürlich die Finanzlage des Vereins, weiß wieviel Geld notwendig ist, um Training und Spiele auf dem jetzigen Standard zu halten. Nächste Saison wird es auf keinen Fall einfacher. Wir wären aber auch schlechte Sportsleute, wenn wir unsere Aufstiegschance nicht nutzen würden.

Wie wichtig wäre denn der Aufstieg für die Stadt Chemnitz, ja für die ganze Region?

Den Fans des CFC wünsche ich es am allermeisten, dass wir den Aufstieg schaffen. Denn das, was die letztes Jahr durchmachen mussten, ging schon teilweise unter die Haut. Ich habe ja erlebt, wie die Fans trotz der vielen Niederlagen zu uns gestanden haben. Jeder Torschuss, jeder Eckball, ja jeder Einwurf wurde da gefeiert. Unsere Fans sind die Grundlage. Ohne sie würden die Sponsoren kein Geld geben, und ohne Sponsoren könnten wir das alles nicht finanzieren, würden wir kein Geld verdienen. Das versuche ich auch immer den Spielern zu vermitteln.

Nach dem Abstieg aus der Zweiten Liga im Mai 2001 brach das Team förmlich auseinander. 15 Spieler verließen den Club, und es gab elf teilweise namhafte Neuverpflichtungen. Erst kürzlich kam Sergio Bustos dazu, ein Argentinier, den Sie noch gut aus Ihren Dresdner Zeiten kennen. Die Vereinskasse aber ist längst ausgereizt. Braucht der CFC so viele Spieler? Wie sieht es mit der eigenen Jugend aus?

Wir haben sogar noch mehr geholt. Denn auch die Rückkehrer vom VfB Chemnitz, Sebastian Meyer, Rico Werner und Torwart Sebastian Klömich, zähle ich zu den Neuverpflichtungen. Aber Spieler wie Hauptmann, Walther oder Fröhlich kommen ja allesamt aus dieser Region. Mit Steve Rolleder kommt ein Mann aus der eigenen Jugend, den wir ganz gezielt fördern. Nachwuchsspieler Daniel Göhlert haben wir letzte Saison aufgebaut. Der kriegt heute Angebote aus der Zweiten Liga. Ansonsten wurden Spieler verpflichtet, die im absolut entwicklungsfähigen Fußballalter sind. Ich denke, die Mischung stimmt. Und natürlich behalten wir den eigenen Nachwuchs stets im Auge.

Wer sind ihre Aufstiegsfavoriten?

Nach wie vor Eintracht Braunschweig. Mit einem Schnitt von 11.000 Zuschauern pro Heimspiel herrscht da eine tolle Atmosphäre. Und sie haben die nötige Qualität. Dahinter ist es völlig offen. Auch Vereine wie Wattenscheid oder Uerdingen leisten gute Arbeit. Ich denke aber, dass wir uns da überhaupt nicht zu verstecken brauchen.

Was machen Sie am Abend des 18. Mai 2002, dem letzten Spieltag in dieser Saison?

Ich denke, dass wir mit der Mannschaft zusammensitzen werden und ein erfolgreiches Jahr Revue passieren lassen können. Wie euphorisch diese Feier sein wird, das hängt von uns ab.



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