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Fußballderbys haftet im allgemeinen das Etikett besonderer Ausmaße an. Mehr Fans resp. Zuschauer als sonst, mehr Emotionen im Spiel, es geht um viel mehr als nur drei Punkte, Ehre, Ansehen und Sticheleien werden auf mindestens eine Halbserie neu verteilt. Einher geht mit diesem Bedeutungsüberschuss des öfteren auch ein höheres Abneigungspotenzial gegen alles, was die verbotene Farbe trägt. Ein solches Derby hört in Westsachsen auf den Namen Chemnitz vs. Aue, himmelblau vs. lila, gut vs. nicht gut. Da man trotz aller gegensätzlichen Weltensichten doch miteinander reden konnte und die nicht entschiedenen Derbys der Großen und Patte im Tippspiel nach einer Entscheidung verlangten, gab es vor Jahresfrist unter dem Motto "Wir können auch anders" das erste Fanderby zwischen beiden Lagern auf neutralem (?) Grund in Zschocken im Grenzgebiet zum ZwickAUEr Land, welches damals vom zänkischen Bergvolk gewonnen wurde.
Blickt man heute auf die Ereignisse des inzwischen vergangenen Jahres zurück, so bekommt der damalige Spielausgang eine erst jetzt erkenntlich Dimension. Denn an jenem Tag muss dem auf seiner Lederkugel thronenden Fußballgott irgendetwas miserables widerfahren sein, was ihn fortan aus der Bahn warf. Vom Ausgang des Derbys I ist berichtet worden, auch sei in Erinnerung gerufen, dass am Folgetag nicht die Guten sondern die Fußballer aus Brasilien Weltmeister wurden. Des Fußballgottes Wirrnis aber hielt an, was ein Blick auf die vergangene RL - Saison lehrt, als er mit stoischer Ignoranz der realen Verhältnisse dem Verein mit der falschen Farbe durch übermäßige Zuwendung weitere Derbys gegen die Guten ersparte, in dem er ihn schlicht auf eine Besichtigungstour in die nächsthöhere Liga versetzte, nebenbei diesmal auch noch die Derbys der Profis insgesamt doch recht deutlich für die Falschen gestaltete. Man war geneigt, von einem Delirium zu sprechen, welches den Fußballgott erfasst hatte, als in Form des Endklassements im mdr - Tippspiel ein erstes Anzeichen auf Besserung des gesundheitlichen Zustandes aufblitzte. Hier schlugen in der Ausgabe 02/03 die Tippspielteams der Internetplattformen beider Fanlager wie schon im Vorjahr punktgleich auf. Weil somit wieder ein noch zu entscheidendes Duell übrig blieb und wir ohnehin jedes Jahr anders können, rief man schließlich zur zweiten Auflage des besagten Fanderbys abermals nach Zschocken.
An einem zunächst wolkenverhangenen Samstag Ende Juli standen sich die Heroen beider Seiten nun wieder gegenüber, das Bergvolk in einheitliches Lila-schwarz gekleidet, während sich die Guten doch recht bunt in vielen Blau-Facetten auf dem Rasen einfanden. Neben dem Rasen hätte WOKO seine platten Thesen vom Zuschauermagnet Aue bestätigt gefunden, da jene Anhänger immerhin quantitativ dominierten. Doch die Wahrheit ist aufm Platz, auf dem der Zschockener Schiri zum Tanze bat. Beim Anpfiff machten es sich auf den Wechselbänken 4 Auer und 11 Chemnitzer (was einer Umkehrung der letztjährigen Verhältnisse gleichkommt) bequem, um den ersten Bemühungen der Kollegen zuzustaunen.
Diese taten auf beiden Seiten den Gefallen, vom Anpfiff weg nach vorn zu spielen, was sich in einer im Vergleich zum Vorjahr hohen Zahl von Torschüssen bereits in den ersten Minuten äußerte. Auffällig dabei besonders das Engagement der letztjährigen Derbyzweitplatzierten, die mit mehreren Ecken und ersten Chancen andeuteten, diesmal einen anderen Ausgang im Blick zu haben. Statt den Spielausgang eher den Ball aus Nahdistanz im Blick hatten dabei auch die Ortsansässigen, als dieser von Drehhut abgeschossen noch hinter den Fangnetzen knapp neben dem Fenster einschlug. Auch für die Gegenseite sind erste verheißungsvolle Chancen zu notieren, was den Berichterstatter nach 15 Minuten zum Fazit von einem "munteren Spiel auf beiden Seiten" veranlasste. Schon wesentlich eher war die taktische Grundordnung der Guten hinüber, als statt des besprochenen Mittelfeldes ein etwa 40 Meter großes Loch zwischen Angriff und Abwehr klaffte. Same procedure as every year. Ein guter DelMundo mit feinen Abschlägen und JeHe´s weite Bälle aus der Abwehr übertünchten diese Schwäche, die nur allmählich abgestellt werden konnte, zunächst. In der Folge richteten sich die Auer etwas behaglicher in des Gegners Hälfte ein, verzeichneten Chancen. Hier nun das nächste Indiz für des Fußballgottes Sinneswandel, dass er nicht nur diese Chancen allesamt ungenutzt verstreichen ließ, sondern den Guten im Gegenzug auch noch mit der ersten Chance in dieser Phase das 1:0 durch Golfi bescherte. Die Fanpage bekam nun Oberwasser und das Spiel in den Griff, es stellte sich eine Art Ordnung ein. Diese und die Spielanteile, sprich Ballbesitz, rechtfertigten denn auch in besonderem Maße die Pausenführung der Guten, wenngleich nicht verschwiegen sein soll, dass dafür auch die eklatante Abwehrschwäche der anderen Seite mitverantwortlich zeichnete.
Um der Überschrift gerecht zu werden, sei darauf hingewiesen, dass pünktlich zum Pausentee auch Petrus seinen Fehler einsah und ob des Spielstandes frohlockend fortan alle Protagonisten mit Sonnenschein und Wärme beglückte.
Die zweite Hälfte sah eine höchst motivierte und angesichts der drohenden Niederlage durchaus bissige Auer Elf auf den Rasen zurückkehren, deren Bemühungen nun bergab spielend alsbald mit dem Ausgleich durch Charly belohnt wurden. Jener sollte denn auch für den Charakter der zweiten Hälfte besonders verantwortlich zeichnen, als er die anschließende Auer Drangphase dazu nutzte, nach dem plötzlichen und so nah und konsequent sonst nie geschehenen Auftauchen eines Chemnitzer Abwehrspielers im Strafraum umzufallen und den Schiri so zum Strafstoß zu nötigen. Heftige Proteste für diese unsaubere und zumindest in einem Fanderby absolut überflüssige Aktion, das per Elfer besorgte 2:1 für das Bergvolk und eine fortan giftige Stimmung auf dem Platz kennzeichneten die nächsten Minuten. Erst allmählich beruhigten sich die Gemüter, holten Übeltäter und Augenzeugen der Szene auf der Wechselbank Luft. Kleine Nickligkeiten, viel Lärm um Nichts (um auch den Freunden der guten Literatur gerecht zu werden) und auch einige wenige überharte Zweikämpfe prägten fortan das Spiel. Letztlich aber zog vor allem die Fanpage aus dieser Aktion Motivation und bekam das Spiel nach jener Auer Drangperiode allmählich immer mehr in den Griff, was sich in mehreren Chancen in der Schlussviertelstunde äußerte. Nun zeigte sich auch der im vergangenen Jahr wohl doch über die Maßen strapazierte Fußballgott einsichtig und bescherte den Guten nach einem Torwartfehler den verdienten späten Ausgleich zum 2:2 durch Lazi´s ersten Streich. Dieser Spielstand nach 90 Minuten gebar den Vorschlag, nächstes Jahr die kräfteraubenden 90 Minuten wegzulassen, und gleich mit einem 2:2 und der Verlängerung zu beginnen.
Die erste Zusatz - Viertelstunde sah die von ihrer größeren Wechselbank und der zweiten Luft profitierende Fanpage klar im Vorteil und diesen endlich auch in Tore ummünzen, als zunächst wieder Lazi und später der durch das schöne *g* Auer Publikum motivierte Drehhut von der AG Junge Eisenbahner die Weichen endgültig auf Sieg stellten. Als abermals Lazi mit seinem dritten Treffer und dem 5:2, nun wieder bergab, die Entscheidung hergeführt hatte, kam auch Edelreservist Griesgram zu seinem Einsatz. Die Fanpagler werteten diese Einwechslung als Signal für den Beginn der Feierlichkeiten, was sich fortan in heillosem Durcheinander auf dem Feld äußerte. Nicht unverdient verkürzten die Auer durch Wirzes Schuss in den Winkel noch auf 3:5, vergaben noch ein, zwei Chancen und hörten schließlich doch mit den Chemnitzern den für alle erlösenden Schlusspfiff unter dieses rassige Spiel.
Die anschließende Pokalübergabe und vor allem Bier, Steak und Kuchen versöhnten dann die Gegner endgültig, soweit dies bei den eingangs erwähnten Abneigungspotenzialen zwischen den beiden Lagern möglich war. Liedgut wurde gepflegt, die Prognosen für die neue Saison der jeweils anderen Seite gnadenlos runtergerechnet sowie kleine und unglücklich dreinblickende Kinder in lila Gewändern mit einem umgehängten himmelblauen Schal an die Sonnenseiten des Lebens erinnert.
Auf diese im sportlichen Bereich hoffen nunmehr auch die Vertreter des himmelblauen Lagers. Anlass für Optimismus sollte gegeben sein, da der Fußballgott seine Irrtümer der letzten Saison offensichtlich eingesehen hat und nun beginnt, entstandene Flurschäden zu beseitigen. So genießen wir also die Erholungspause bis zum nächsten Derby im Sommer 2004 und geben den Herren CFC - Profis dieses Fanderby als Anschauungsunterricht in Sachen Derby - Emotionen und Rückstände wegstecken mit auf den Weg...