20 Jahre Europapokal
3. Runde im Uefa-Cup 1989: FCK vs. Juventus Turin
Zwei Tage nach dem grandiosen 4:1 gegen den FC Sion und dem Erreichen der 3. Runde im Uefa-Pokal richteten die himmelblauen Fans am darauffolgenden Freitag ihre Blicke begierig gen Zürich, wo das Achtelfinale des europäischen Cup-Wettbewerbs ausgelost wurde. Wer würde der nächste Gegner des FCK werden? Der FC Lüttich aus Belgien, AJ Auxerre aus Frankreich, der VfB Stuttgart aus der BRD - oder sollte der Club auf Dynamo Kiew, Werder Bremen, oder gar den SSC Neapel mit Superstar Diego Maradona im Mittelfeld treffen!? Es wurde Juventus Turin aus dem Lostopf gefischt, das Team, welches später den Uefa-Pokal als Sieger in die Höhe stemmen sollte! Weltklassespieler wie de Agostini, Alejnikow, Casiraghi, Schillaci und Barros trafen auf Barsikow, Bittermann, Heidrich, Steinmann und Wienhold. Der DDR-Meister von 1967 im Duell mit dem damaligen 22-fachen Meister, 7-fachen Pokalsieger und Weltpokalsieger (1985) aus Italien! Ein echtes Hammerlos - aber irgendwo auch das Sahnehäubchen für die couragierten Auftritte in Runde 1 und 2. Natürlich bangte man als FCK-Fan darum, wieviele Buden man denn bei Juve, der "alten Dame" im ehrwürdigen Stadio Comunale eingeschenkt bekommen würde. Das DDR-Fachblatt "FuWo" schätzte die Chancen vor dem Hinspiel in Turin damals auf 10:90 ein, was auch so ungefähr der himmelblauen Gefühlslage entsprach. Es galt: Bloß nicht abschießen lassen! Doch welch ein Wunder! Der FCK hielt in Turin äußerst flott mit und schockte das italienische Star-Ensemble bei immer dichter werdenden Nebel mit dem nicht einmal unverdienten 1:0 in der 70. Minute durch Wienhold! Nur sechs Minuten später hatte Wienhold nach Zuspiel von Heidrich sogar den zweiten Treffer auf dem Fuß, aber statt dem möglichen 2:0 fielen in den letzten 10 Minuten noch zwei Tore für die Italiener. Trotz des 1:2 war man im FCK-Lager mit Spiel und Resultat mehr als zufrieden, und für das Rückspiel am 6. Dezember rechnete man sich jetzt durchaus Chancen aus. Die "FuWo" erhöhte ihre Prognose auf 40:60. Zusätzlich hoffte man auf Schnee und Kälte, um die Kicker aus Bella Italia aus dem Tritt bringen zu können. Doch bevor es zum Kräftemessen vor knapp 28.000 Zuschauern im Sportforum kam, reisten erst einmal 430 FCK-Fans bestens gelaunt wieder zurück in die sächsische Heimat. Ihnen war das seltene Glück zuteil geworden, ihren FCK zu einem EC-Auswärtsspiel begleiten zu dürfen. Der Grund dafür lag bei SED-Funktionär Günter Schabowski, der am 09.11.89 durch eine Fehlinformation den Fall der Berliner Mauer und die Grenzöffnung der DDR gen Westen einleitete. Ein Glücksfall für die FCK-Fans! Der Club organisierte einen Sonderzug, der mit 16 Waggons ab dem Hauptbahnhof Karl-Marx-Stadt direkt über München und Innsbruck nach Turin rollte. Jeder, der in einem angemeldeten FCK-Fanclub organisiert war, durfte sich für die Fahrt bewerben. Bis in die heutige Zeit gibt es allerdings Stimmen, die meinen, daß der Zug von "Sicherheitsnadeln" überwacht war - so wie es bei früheren Auftritten von DDR-Vereinen im westlichen Ausland durchaus üblich war. Dagegen spricht aber, daß die Stasi im Herbst 1989 ganz andere Sorgen hatte, als 430 himmelblaue Fans auf ihrer Fahrt nach Turin zu beobachten. Neueste Witze über Erich Honecker oder in Italien gekaufte Porno-Heftchen waren das geringste Problem für die Firma "Horch &. Guck", denen damals im Inland auf Druck von tausenden Demonstranten gerade der eigene Staat abhanden kam... Zum Rückspiel fanden sich Anfang Dezember bemerkenswerte 27.800 Zuschauer bei winterlichen Temperaturen im Ernst-Thälmann-Stadion ein, der beste Besuch im EC-Herbst 1989. Der Club war bemüht, erreichte aber nicht den leichtfüßigen Schwung aus den Spielen gegen Porto oder Sion. Zum Einen nahmen die Italiener den FCK nun mehr als ernst (zum Hinspiel hatte "Tutto-Sport" den FCK ironisch noch mit einer Karikatur von 11 Marx-Köpfen vorgestellt), sie packten nach der glücklichen 1:0-Führung im Sportforum auch den bekannten "Catenaccio" aus, und zum Zweiten stockte dem Club förmlich das Blut in den Adern, den Traditionsverein vom Stiefel Europas aus dem Wettbewerb kegeln zu können. Die "FuWo" überschrieb ihren Spielbericht damals sehr treffend mit der Schlagzeile "Der FCK schied mit erhobenem Kopf aus, doch das Wunder blieb aus". Ja, ein bißchen Wehmut war trotz des respektablen Ergebnisses (1:2 und 0:1) schon dabei. Man hatte die "alte Dame" angeknockt, aber leider nicht umgeworfen. Späten Trost lieferte nach dem EC-Finale im Sommer 1990 noch deren Trainer Dino Zoff, der gegenüber fragenden Reportern meinte, daß der FCK für ihn einer der härtesten Brocken auf dem Weg zu diesem Titelgewinn gewesen war. Auch die Chemnitzer Freie Presse erinnerte in der Lokalausgabe vom 12.09.09 an den legendären EC-Herbst des FC Karl-Marx-Stadt und führte dazu ein Gespräch mit dem damaligen FCK-Torwart Jens Schmidt. Nachstehend die Erinnerungen des Keepers an die beiden Spiele gegen die "alte Dame" Juventus Turin: Als der FCK zum nächsten Europacup-Spiel fuhr, war die Mauer bereits gefallen. Per Sonderzug konnten die Fans ihre Himmelblauen zu einem der weltbesten Clubs begleiten: Juventus Turin. "Nach der Auslosung dachte ich, dass es nur darum gehen kann, wie viele Tore ich gegen Juve rein bekomme. Aber wir hatten Selbstvertrauen getankt, standen auch in der Oberliga weit vorn", erinnert sich Schmidt. So kam es, dass die völlig unbekannten Kicker aus Ostdeutschland nach 69 Minuten in Turin durch Lutz Wienhold 1:0 in Führung gingen. Kurz vor Schluss erzielten die Italiener bei dichtem Nebel noch zwei Treffer und gewannen auch das Rückspiel (1:0). Die Sensation war ausgeblieben, doch die FCK-Spieler haben sich in jenem Herbst ein Denkmal gesetzt. Bei Jens Schmidt kam zwölf Monate später noch eines dazu: Heute vor 19 Jahren stand er beim letzten Länderspiel der DDR im Kasten. Durch zwei Treffer von Matthias Sammer wurde in Belgien 2:0 gewonnen. Heute gibt Schmidt seine Erfahrung bei zwei Mal jährlich stattfindenden Torwart-Trainingstagen weiter. (Quelle: Freie Presse, Chemnitz, 12.09.09) |
22.11.1989: Juventus Turin - FC Karl-Marx-Stadt 2:1 (0:0) 06.12.1989: FC Karl-Marx-Stadt - Juventus Turin 0:1 (0:1) |
Frank:
Turin. Ja klar, da erinnert man sich natürlich als Erstes an die Fahrt dorthin, die 430 FCK-Fans vergönnt war. Am 9.11. war die Mauer gefallen und irgendwie bekam es der Club gebacken, für den 22.11. einen Sonderzug auf die Beine zu stellen. Jeder, der in einem Fanclub gelistet war, konnte sich anmelden. Die Glücklichen bekamen einen DDR-Reisepass und ein bißchen Taschengeld (umgerechnet 20 D-Mark) für Turin auf die dreitägige Fahrt mit. Die Reichsbahn stellte einen Zug mit einem Dutzend Liegewagen (6 Mann pro Abteil) und zwei Mitropas zur Verfügung. Ganz vorn fuhren der FCK-Vorstand und die Spielerfrauen mit. Mit dem Schlachtruf "Turin, Turin - wir fahren nach Turin!" ging es auf dem Hauptbahnhof los und über die Grenze bei Gutenfürst in Richtung München, Kufstein, Innsbruck, Brenner-Paß, Mailand und Turin. Ziemlich aufregend für einen DDR-Bürger, der den Westen bisher nur aus dem Fernsehen kannte und mit seiner Rennpappe maximal bis in die Tschechoslowakei oder nach Ungarn bis an den Balaton kam. Absolut beeindruckend die Fahrt rauf zum Brenner, die ganzen Brücken und Bauwerke - so etwas kannte man verständlichweise aus dem Osten überhaupt nicht. Am Brenner-Paß standen Dutzende von italienischen Fotografen, die besonders gern die Abteile ablichteten, wo noch vereinzelte DDR-Fahnen geschwenkt wurden - es regierte ganz klar Blau-Weiß und zwischendurch auch schon Schwarz-Rot-Gold, natürlich ohne Enblem. Der Hammer war dann, daß es in Turin schon Zeitungen mit diesen Fotos von den "430 tifosi della DDR" zu kaufen gab! Irgendwo vor Mailand blieb der Zug plötzlich stehen. Na toll. Und die Gerüchteküche besagte, daß die italienischen Lokführer gerade in Streik getreten waren. Argh! Wieder so eine West-Erfahrung, die der gelernte Ostler bisher nicht kannte. Aber das Militär half aus. Zumindest besagte die Gerüchteküche später, daß die Armee einen Lokfahrer zur Weiterfahrt geschickt hatte - auch wegen der italienischen Liebe zum Ballsport und dem Ehrgeiz, die FCK-Fans nach Turin zu bringen! Der Zug fuhr erst eine Strecke rückwärts, dann wieder vorwärts - der neue Mann übte wahrscheinlich - doch dann ging es flott bis Turin durch. Dort warteten wieder Heerscharen von Reportern, die die Ankunft der Club-Fans wie wild fotografierten. Dann gab es eine Stadtrundfahrt mit vielen Bussen und auch ein bißchen Freigang in der Stadt, wo man die wenigen italienischen Geldscheine mit den vielen Nullen ausgeben konnte. Auf der Rückfahrt hatte dann so mancher FCK-Fan das erste Porno-Heftchen seines Lebens in den zitternden Händen. Fans von Juventus wurden erst in Stadionnähe gesichtet. Alles absolut friedlich und mit ganz viel gegenseitiger Neugier. Es wurde wild getauscht, ein Zaun vor dem Gästeblock diente als Tauschbörse. Kaum ein FCK-Fan fuhr wieder mit himmelblauen Sachen heim, jeder hatte irgendein schwarz-weißes Utensil von Juve ertauscht. Man hätte die Club-Fans nach dem Spiel glatt für Tifosi halten können. Manchmal sieht man noch heute ab und zu einen Juve-Schal an der Gellertstraße. Vom Spiel selbst weiß ich noch, daß man durch den blöden Nebel fast gar nicht sah. In Hälfte Eins spielte der FCK auf die eigenen Fans zu, in Hälfte Zwo sah man Schmidt den Kasten hüten. Er war es auch, der mit einer Handbewegung den Anhängern signalisierte, daß Wienhold zum 1:0 getroffen hatte! Leider schlug es dann noch zweimal ein, aber mit diesem 1:2 konnte man ja bestens leben, da hatte man viel Schlimmeres befürchtet! In den Ruhephasen des Spiels machten sich auch die 430 FCK-Fans bemerkbar. Diejenigen, die die Live-Übertragung des DDR-Fernsehens daheim schauten, erzählten später, daß man die FCK-Rufe im Stadio Comunale ziemlich deutlich gehört hätte. Auf der Rückfahrt zählte dann der Schlachtruf "Turin,Turin - wir waren in Turin!" und beim Halt auf dem Bahnhof Hof wurden die wie die Lemminge auf dem Bahnsteig stehenden Einkaufs-Touris mit "Hamsterer! Hamsterer! Hamsterer!" fleißig bekoffert. Nach der dreitätigen Fahrt kamen auch Gerüchte auf, daß die Stasi mit an Bord gewesen sein soll, aber ich persönlich glaube dies eher nicht. Den Jungs von Horch&Guck kam damals per Massen-Demo gerade ein ganzer Staat abhanden - die hatten garantiert andere Sorgen, als sich um ein paar trinkfreudige Fußballfans zu kümmern. Die unbekannten Gesichter, die mit an Bord waren, sind wohl eher ein paar Angestellte des DDR-Reisebüros gewesen, die sich zwischen den FCK-Fans einen Kurz-Trip nach Italien gegönnt hatten. Beim Rückspiel hat der Club dann leider nicht zu dem Schwung und den Elan gefunden, den er gegen Porto und Sion draufhatte. Vielleicht hatte Meyer vorher auch bewußt auf "kontrollierte Offensive" gesetzt. Ärgerlich fand ich, daß man auch die schöne Schneedecke vor dem Spiel beseitigt hatte, meiner Meinung nach hätten die Italiener dann einen viel schwereren Stand im Sportforum gehabt! Pierre: Ich kann mich noch gut an das Nebelspiel von Turin erinnern – ich saß vor dem Fernseher und da fiel das 1:0 durch Wienhold und man hat’s gar nicht sofort mitbekommen. Schade, dass Juve am Ende die Partie noch gedreht hat, aber die waren einfach abgezockter als wir. Beim Rückspiel wollte mir meine Mutter was Gutes tun, indem sie mir ne Sitzplatzkarte fürs Sportforum besorgte. Das war aber nix für mich und ich habe mich klammheimlich wieder zu meinen Kumpels im damaligen Block G geschlichen. Die Italiener hatten damals vor dem Spiel eine richtige Show abgezogen indem sie ihre Fahne durchs Stadion getragen haben und dann auf den Mittelkreis legten. Als dann ein paar Clubfans nachzogen war das Gejohle gross. Wir sind dann zwar leider ausgeschieden, allerdings ja nicht gegen irgend eine Laufkundschaft sondern den späteren Uefa-Cup-Sieger. Trotzdem - was damals die junge Truppe von Hans Meyer, mit Steinmann, Bittermann, Heidrich, Köhler und Lutz „Luigi“ Wienhold geleistet hat, war ganz grosses Kino. Im Grunde zehrt man noch heute von diesen fantastischen Spielen. Und ein bischen träume ich davon, dass ich den Club irgendwann in meinem Leben nochmal international spielen sehe. Da wäre es glaube ich egal, wo der CFC spielen würde und sei es auf dem Mond, ich wäre auf jeden Fall vor Ort. Timo: Bei diesem Ereignis sind mir noch 2 Dinge in Erinnerung, zum einen der Fall der Mauer knapp 14 Tage davor und zum anderen Hans Meyer vor der Auslosung. Ich versuche es mal wörtlich zusammenzubekommen. "Ich würde mir wünschen das wir unserem Publikum was in den letzten Wochen treu zu uns gestanden hat einen attraktiven Gegner zu präsentieren.". Juventus Turin war ein solcher, italienische Vereine in der damaligen DDR waren zwar vielleicht nicht die große Zugnummer wie es Vereine aus der BRD waren, siehe selbst ein mittelmäßiger Verein wie der VfL Bochum zu einem simplen Freundschaftsspiel, aber Italien war dennoch so was wie die "weite Welt" und halt so was wie das "Paradies des Fußballs". Selber hatte ich einen solchen Club an einem saukalten Novembertag 1985 im Leipziger Zentralstadion gesehen. Lok spielte einen blassen AC Mailand vor gerade mal 18.000 Zuschauern mit 3:1 an die Wand, flog aber halt raus weil man einmal in der Abwehr geschlafen hatte und die Italiener das Schiedsrichterkollektiv offensichtlich selber mitgebracht hatte. Das dritte Tor schoss übrigens ein Hans Richter, vor seiner Einwechslung noch mit allerlei Spott und Hohn der Zuschauer um uns herum bedacht. Ja das Hinspiel, vor ein paar Wochen noch kaum zu glauben, aber jetzt durften doch tatsächlich theoretisch jeder FCK-Fan nach Turin fahren der wollte. Vom Hinspiel selber habe ich kaum was gesehen, Kommentator war Gottfried Weise. Selbiger war knapp 2 1/2 Jahre zuvor Gast zu einem Vortrag über seine Reise zur WM 86 in Mexiko im Speisesaal des VEB Messelektronik Pockau, Zweigwerk von Robotron. Heraus kam ein feiner Bericht mit allerlei Dias und Anekdoten und eine sehr freimütige Talkrunde über den Fußball im allgemeinen und den der DDR im besonderen. Was er uns verriet war u. a. das er als kleiner Junge Aue ganz gut fand, na ja, man wird älter und klüger. Als der FCK das fast Unmögliche schaffte und tatsächlich das 1:0 im "Stadio Communale" schoss war selbst Weise überrascht und rätselte erstmal über den Torschützen. Lutz Wienhold war´s, ich hab irgendwo nur noch etwas rundes weißes ins Tor rollen sehen. Auch die "Eff Zee Kaa - FC Karl Marx Stadt!" Rufe im Stadion sind mir noch lebhaft präsent. Glaube bei dem Spiel waren nur wenige Juve-Fans im Stadion. Juve hatte eh schon immer einen eher mauen Heimschnitt und EC-Spiele gegen einen unbekannten Club aus Ostdeutschland, na ja. Letztendlich kassierte man halt noch 2 Tore, aber dieses knappe 1:2 in Turin war aller Ehren wert. Jedenfalls war die FP schon stolz auf den Club und zitierte u. a. eine Sportzeitung aus dem Stiefelland mit den Worten "jetzt wissen wir was uns bevorsteht, diese Mannschaft in den hellblauen Trikots kann Fußball spielen.". Rückspiel, gesehen habe ich das im späteren Gästeblock gegenüber vom CFC-Fanblock. Es gab schon damals "Deutschland!"-Rufe im Stadion, Fahnen ebenso. Vor dem Spiel ließ man 3,4 Italiener mit einer Fahne als "Teil eines Rahmenprogramms" auf der Laufbahn traben, diese wurden wiederum unter dem höhnischen Gelächter in der Arena mit Knallern beworfen als sie halt vor "meiner Kurve" marschierten. Das Gegentor fiel dann halt auch "in unsere Richtung". Weiss noch das sich mein Opa am Tag danach ziemlich über "Köhley" aufgeregt hat weil "der Blödmann bei dem Freistoß aus der Mauer gelaufen war" oder hochgesprungen oder was weiß ich. Kalt war es auch, der Rasen soweit ich mich erinnern kann teilweise gefroren. Für den FCK war es schwierig, das 0:1 noch umzudrehen. Man gab alles, rannte aber vergeblich gegen diese Mauer aus Turin an nachdem die in Berlin schon gefallen war. Schade war´s. Aber ein feiner Abend, glaube kaum einer war den Jungs echt sauer. Welch Kontrast dann knapp 1 Jahr später gegen den BVB. Die Zeiten hatten sich geändert, statt der 27.000 waren es nicht mal mehr 13.000, davon noch gut 3.000 Dortmunder die sich über das lahme himmelblaue Publikum echauffierten. Michael Panhans: Nachdem am 9. November 89 die Mauer gefallen war, konnten auch die FCK-Fans von Höherem träumen, zumal gerade die 3. Runde im laufenden UEFA-Pokal-Wettbewerb erreicht worden war. Eine Woche nach Grenzöffnung fand im Sportforum mal wieder ein Oberliga-Spiel gegen unseren unblauen Lieblingsgegner statt. Anläßlich dieser Sportveranstaltung wurde offiziell bekannt gegeben, daß zum Auswärtsspiel in Turin eine Reichsbahn-Sonderzug in Marsch gesetzt werden wird, sogar mit wirklichen Fans und nicht nur mit verdienten Funktionären und Parteigenossen. Leider war ich zu diesem Zeitpunkt als Student in Cottbus, so daß für mich diese Reise praktisch schon erledigt war, bevor sie beginnen konnte. Kein Visum, kein Zugticket, kein Reisepaß!!! Glücklicherweise meldete sich am Wochenende vor dem UEFA-Cup-Hinspiel in Turin Frank M. aus München ( er war als ehemaliger Fanclub-Chef von „Alter Sachse Altendorf“ per offizeller Ausreise am 13.09.89 [ Heimspiel gegen Porto ] aus der Zone entschwunden ) bei mir mit dem Befehl, am 21.09. in München anzutreten zur Reise nach Turin. Nach ein paar Bierchen im Hofbräuhaus wurde dann auch der Nachtzug nach Verona bestiegen. Die österr. Grenzer haben nicht weiter kontrolliert, aber der in Innsbruck zugestiegene ital. Zollbeamte konnte mit meinem DDR-Personalausweis nichts anfangen. Auch der Hinweis auf den Sonderzug half nichts – am Brenner war zunächst mal Endstation. Als Deutscher braucht man natürlich kein Visum, aber ein DDR-Bürger war ja etwas völlig anderes. Ein Tip half uns weiter: „Fahrts zruck nach Kiefersfelden und laßts Eich einen vorläufigen ( bundesdeitschen ) Reisepaß ausstellen, dann gibt’s kein Problem.“ Gesagt / getan. Ausgerüstet mit den besseren Papieren ging es wieder gen Süden und diesmal auch rein nach Italien. Langsam wurde die Zeit allerdings eng, da an diesem Tag ab 14:00 ein Lokführerstreik angekündigt war. Glücklicherweise gab es trotz Verspätung in Verona noch den Anschluß nach Mailand, wo wir ca. 16:00 eintrafen. Hier war nun endgültig Sense mit der Bahn. Nach einem kurzen Besuch bei McD haben wir zufällig 2 Italiener mit Juve-Schal entdeckt. Die haben wir sofort verhaftet! Nach deren Mitteilung gab es doch noch einen Pendlerzug nach Turin, den wir dann gemeinsam bestiegen haben. Gegen 19:00 ( also ca. 1 Stunde vor Anpfiff ) kamen wir in Turin an. Die beiden wurden von einem Freund ( mit Fiat Panda ) erwartet. So haben sich dann also 5 Mann in das Gefährt gequetscht. Pünktlich zu Spielbeginn waren wir im Stadion. Nach den Bengalos seitens der Tifosi ( damals noch enthusiastisch als ´südliche Begeisterung´ gefeiert, heute sieht das ja anders aus... ) zog dichter Nebel auf. Nachdem mitten im Spiel Torwart Jens Schmidt die Arme hochriß, konnten wir nur vermuten, daß der Club ein Tor geschossen hat. Prophylaktisch haben wir gejubelt. Leider wurde das Spiel dann noch 1:2 verloren. Die Rückfahrt verlief für uns dann relativ streßfrei, da wir kurzerhand mit in den Sonderzug geklettert sind. Bei der Mitropa hatte man kurzfristig auf Marktwirtschaft umgestellt – die Kiste Beliner Pils kostete dann auch gleich 100 Ost-Mark ( 25 Flaschen ) – sauber ( hat aber trotzdem geschmeckt ). Die Funktionäre und anderen Rentner haben sich dann in Innsbruck noch fein danebenbenommen, als man aus den dortigen Bahnhofsläden noch diverse Getränke und Druckerzeugnisse ( der schlüpfrigen Art ) organisierte, mangels Valuta jedoch nicht ganz legal. Ein kurzer Aufenthalt ( verursacht durch die einheimische Bahnhofspolizei ) war die Folge. Nachher sah der Bahnsteig aus wie ein Warenlager... » Micha's Impressionen von der damaligen Fahrt (PDF) Für die vielen Bilder geht ein Dank an Mathias Schubert, Michael Panhans und Frank Neubert |