Special

20 Jahre Europapokal
3. Runde im Uefa-Cup 1989: FCK vs. Juventus Turin


Rückblende
Was für ein Hammerlos: Der FCK trifft auf die alte DameZwei Tage nach dem grandiosen 4:1 gegen den FC Sion und dem Erreichen der 3. Runde im Uefa-Pokal richteten die himmelblauen Fans am darauffolgenden Freitag ihre Blicke begierig gen Zürich, wo das Achtelfinale des europäischen Cup-Wettbewerbs ausgelost wurde. Wer würde der nächste Gegner des FCK werden? Der FC Lüttich aus Belgien, AJ Auxerre aus Frankreich, der VfB Stuttgart aus der BRD - oder sollte der Club auf Dynamo Kiew, Werder Bremen, oder gar den SSC Neapel mit Superstar Diego Maradona im Mittelfeld treffen!? Es wurde Juventus Turin aus dem Lostopf gefischt, das Team, welches später den Uefa-Pokal als Sieger in die Höhe stemmen sollte! Weltklassespieler wie de Agostini, Alejnikow, Casiraghi, Schillaci und Barros trafen auf Barsikow, Bittermann, Heidrich, Steinmann und Wienhold. Der DDR-Meister von 1967 im Duell mit dem damaligen 22-fachen Meister, 7-fachen Pokalsieger und Weltpokalsieger (1985) aus Italien!

Ein echtes Hammerlos - aber irgendwo auch das Sahnehäubchen für die couragierten Auftritte in Runde 1 und 2. Natürlich bangte man als FCK-Fan darum, wieviele Buden man denn bei Juve, der "alten Dame" im ehrwürdigen Stadio Comunale eingeschenkt bekommen würde. Das DDR-Fachblatt "FuWo" schätzte die Chancen vor dem Hinspiel in Turin damals auf 10:90 ein, was auch so ungefähr der himmelblauen Gefühlslage entsprach. Es galt: Bloß nicht abschießen lassen! Doch welch ein Wunder! Der FCK hielt in Turin äußerst flott mit und schockte das italienische Star-Ensemble bei immer dichter werdenden Nebel mit dem nicht einmal unverdienten 1:0 in der 70. Minute durch Wienhold! Nur sechs Minuten später hatte Wienhold nach Zuspiel von Heidrich sogar den zweiten Treffer auf dem Fuß, aber statt dem möglichen 2:0 fielen in den letzten 10 Minuten noch zwei Tore für die Italiener. Trotz des 1:2 war man im FCK-Lager mit Spiel und Resultat mehr als zufrieden, und für das Rückspiel am 6. Dezember rechnete man sich jetzt durchaus Chancen aus. Die "FuWo" erhöhte ihre Prognose auf 40:60. Zusätzlich hoffte man auf Schnee und Kälte, um die Kicker aus Bella Italia aus dem Tritt bringen zu können.

Doch bevor es zum Kräftemessen vor knapp 28.000 Zuschauern im Sportforum kam, reisten erst einmal 430 FCK-Fans bestens gelaunt wieder zurück in die sächsische Heimat. Ihnen war das seltene Glück zuteil geworden, ihren FCK zu einem EC-Auswärtsspiel begleiten zu dürfen. Der Grund dafür lag bei SED-Funktionär Günter Schabowski, der am 09.11.89 durch eine Fehlinformation den Fall der Berliner Mauer und die Grenzöffnung der DDR gen Westen einleitete. Ein Glücksfall für die FCK-Fans! Auch gegen Juve gab es wieder einen WimpelDer Club organisierte einen Sonderzug, der mit 16 Waggons ab dem Hauptbahnhof Karl-Marx-Stadt direkt über München und Innsbruck nach Turin rollte. Jeder, der in einem angemeldeten FCK-Fanclub organisiert war, durfte sich für die Fahrt bewerben. Bis in die heutige Zeit gibt es allerdings Stimmen, die meinen, daß der Zug von "Sicherheitsnadeln" überwacht war - so wie es bei früheren Auftritten von DDR-Vereinen im westlichen Ausland durchaus üblich war. Dagegen spricht aber, daß die Stasi im Herbst 1989 ganz andere Sorgen hatte, als 430 himmelblaue Fans auf ihrer Fahrt nach Turin zu beobachten. Neueste Witze über Erich Honecker oder in Italien gekaufte Porno-Heftchen waren das geringste Problem für die Firma "Horch &. Guck", denen damals im Inland auf Druck von tausenden Demonstranten gerade der eigene Staat abhanden kam...

Torwartlegende Dino Zoff trainierte die 'Alte Dame'Zum Rückspiel fanden sich Anfang Dezember bemerkenswerte 27.800 Zuschauer bei winterlichen Temperaturen im Ernst-Thälmann-Stadion ein, der beste Besuch im EC-Herbst 1989. Der Club war bemüht, erreichte aber nicht den leichtfüßigen Schwung aus den Spielen gegen Porto oder Sion. Zum Einen nahmen die Italiener den FCK nun mehr als ernst (zum Hinspiel hatte "Tutto-Sport" den FCK ironisch noch mit einer Karikatur von 11 Marx-Köpfen vorgestellt), sie packten nach der glücklichen 1:0-Führung im Sportforum auch den bekannten "Catenaccio" aus, und zum Zweiten stockte dem Club förmlich das Blut in den Adern, den Traditionsverein vom Stiefel Europas aus dem Wettbewerb kegeln zu können. Die "FuWo" überschrieb ihren Spielbericht damals sehr treffend mit der Schlagzeile "Der FCK schied mit erhobenem Kopf aus, doch das Wunder blieb aus". Ja, ein bißchen Wehmut war trotz des respektablen Ergebnisses (1:2 und 0:1) schon dabei. Man hatte die "alte Dame" angeknockt, aber leider nicht umgeworfen. Späten Trost lieferte nach dem EC-Finale im Sommer 1990 noch deren Trainer Dino Zoff, der gegenüber fragenden Reportern meinte, daß der FCK für ihn einer der härtesten Brocken auf dem Weg zu diesem Titelgewinn gewesen war.

Szene aus dem Hinspiel in TurinAuch die Chemnitzer Freie Presse erinnerte in der Lokalausgabe vom 12.09.09 an den legendären EC-Herbst des FC Karl-Marx-Stadt und führte dazu ein Gespräch mit dem damaligen FCK-Torwart Jens Schmidt. Nachstehend die Erinnerungen des Keepers an die beiden Spiele gegen die "alte Dame" Juventus Turin:

Als der FCK zum nächsten Europacup-Spiel fuhr, war die Mauer bereits gefallen. Per Sonderzug konnten die Fans ihre Himmelblauen zu einem der weltbesten Clubs begleiten: Juventus Turin. "Nach der Auslosung dachte ich, dass es nur darum gehen kann, wie viele Tore ich gegen Juve rein bekomme. Aber wir hatten Selbstvertrauen getankt, standen auch in der Oberliga weit vorn", erinnert sich Schmidt. So kam es, dass die völlig unbekannten Kicker aus Ostdeutschland nach 69 Minuten in Turin durch Lutz Wienhold 1:0 in Führung gingen. Kurz vor Schluss erzielten die Italiener bei dichtem Nebel noch zwei Treffer und gewannen auch das Rückspiel (1:0). Die Sensation war ausgeblieben, doch die FCK-Spieler haben sich in jenem Herbst ein Denkmal gesetzt. Bei Jens Schmidt kam zwölf Monate später noch eines dazu: Heute vor 19 Jahren stand er beim letzten Länderspiel der DDR im Kasten. Durch zwei Treffer von Matthias Sammer wurde in Belgien 2:0 gewonnen. Heute gibt Schmidt seine Erfahrung bei zwei Mal jährlich stattfindenden Torwart-Trainingstagen weiter.

(Quelle: Freie Presse, Chemnitz, 12.09.09)


Hin- und Rückspiel im Fanpage-Archiv:
22.11.1989: Juventus Turin - FC Karl-Marx-Stadt 2:1 (0:0)

06.12.1989: FC Karl-Marx-Stadt - Juventus Turin 0:1 (0:1)


Der große Reisebericht von Tino Richter:
Ich fang ’mal an….is’ aber viel! Sicherlich bin ich nicht der große Schreiber, aber in diesem Fall fühl’ ich mich der Geschichte verpflichtet. Schließlich soll unsere Jugend in Chemnitzer Fußballhistorie ordentlich geschult werden.

Mir ist bekannt, dass in diesem Forum neben wirklich meist interessanten Diskussionen auch vieles in Frage gestellt wird und vielleicht meine Geschichte zu unglaublich, übertrieben bzw. zu emotional erscheint. Aber gleich vorangestellt; sie ist alles zugleich. Unglaublich- wie locker und leicht wir damals in den Tag gegangen sind und uns nahezu alles egal war. Übertrieben- klar, übertrieben haben wir es immer, was uns natürlich nicht überall zu Freunden machte. Und emotional- sowieso, sonst wäre unser Blut nicht himmelblau.

Die FCK-Fans in den italienischen MedienAber jetzt fang’ ich ’mal an. Wendezeit in Deutschland- alle Leute hatten alles Mögliche im Kopf- am Wenigsten Fußball. Doch in Chemnitz gab es da noch ’was- es hieß Europapokal. Kannten wir bis dahin nur durch’s Fernsehen. Klar gab’s das schon ’mal- aber da hatten wir noch die Windeln am Arsch. Aber jetzt ist es greifbar- völlig unklar. Nach den ersten erfolgreichen Auftritten unserer Himmelblauen Helden in diesem ach so fernem Wettbewerb, kam die Auslosung zur nächsten EC- Runde auf den Plan. Unzufrieden wie immer in Chemnitz brüllte schon wieder die Meute ’’Bloos keen Prach oder so´ne Scheiße’’ und Prag kam natürlich auch nicht. Juventus Turin hieß das nächste Opfer. Juventus Turin, die alte Dame, die Gottheit des italienischen Fußballs gegen unseren Club. Ein Fieber beherrschte die Stadt. Obwohl sich sonst nur ca.10 000 Leute für den wöchentlichen Oberligatrip interessierten, waren es jetzt alle.

300 000 Einwohner der Stadt kannten nicht die Gellertstraße, aber Juventus Turin kannte jede Klofrau. Die Grenze wackelte ja und wir kamen zu dem Entschluss ’’Da müssen wir hin- egal wie’’. Jahrelang zu jedem beschissenen Auswärtsspiel gefahren und das Ding soll uns jetzt verloren gehen-NIEMALS. Über den Buschfunk machte sich die Kunde laut, dass ein Sonderzug gen Süden in Planung ist. Mit dem Auto wären wir ja auch dorthin gefahren, aber mit 15,-DM pro Nase hätte uns nicht `mal der Brenner gesehen. Nach dem anstehenden Oberligaheimspiel gab es eine interne Zusammenkunft von Informierten, Nichtinformierten und echten Fans in der Baracke der Fischerwiese. Organisiert war traditionell beim Club natürlich nichts. Es ging drunter und drüber- keiner wusste so richtig Bescheid. Und irgendwann tauchte eine Liste mit Namen auf. Sie war schon reichlich gefüllt mit Unbekannten; paar vertraute Namen waren auch dabei, aber ein paar Zeilen waren noch frei. Mein Kumpel und ich haben es allein Michael Kompalla unserem alten Torhüter zu verdanken, dass wir mit auf die Liste gesetzt wurden. Es lebe der Harthwald und Co. Die Reise sollte ca. 800,-Ostmark kosten- ein durchschnittliches Monatsgehalt. Jede Menge Holz- aber egal- ein Monat ohne Brot ist besser als `ne Woche ohne den Club. Und dann begann das Hoffen auf die begehrten Tickets oder besser gesagt die Fahrkarten um `mal wieder ein Wort der deutschen Vergangenheit einzuflechten. Ein Reisepass musste her und Passbilder für besagtem und für die Visa. Ach du Schei…Passbilder- auch das noch. Für die Jüngeren unter uns- die Wörter ’’schnelle Passbilder’’ brachten den Körper in Wallung und den Geist in Verzweiflung. Nichts mit Automatenfoto oder `mal schnell zum Fotografen deines Vertrauens. Polyfoto- hieß das Zauberwort. Beim Fahrrad-Franke um die Ecke war der Laden, der glaube ich zweimal am Tag die Blaue Mauritius der Persönlichkeit vergab. Natürlich nur in begrenzter Anzahl in Kopf und Stück. Also dorthin- Mensch, hatte doch vergessen, dass nicht nur die Fußballfans `nen Pass brauchten, sondern die gesamte Einwohnerschaft der Stadt. Da stand ’ne Schlange – schlimmer als vor dem Obstladen zur Bananenausgabe. Aussichtslos – aber es gab da wieder ’ne Idee. Der begehrte Reisepass mit den drei StempelnMan hatte noch ’ne kleine Hand voll DM aus alten Werkstatttrinkgeldern und konnte sich somit ein paar Positionen erkaufen – also ähnlich wie heute. Mein Kumpel hatte frei und stellte sich für uns einfach mal an – ich war auf Arbeit und konnte gelegentlich mit einem Kundenfahrzeug ’mal vorbei schauen, ob ich vielleicht an diesem Tag noch dran kam. Wie gesagt – irgendwann waren wir in Besitz dieser Plaketten und das nächste Treffen im Sportforum stand an. Ausfüllen von Visa- Anträgen für Österreich und Italien – Zeile für Zeile nach Anweisung von Peter Müller und Co. – einfach genial. Nach Abgabe der ganzen Zettelei wurde der Name auf der Liste abgehakt. Alle Namen, die ich auf der Liste kannte inklusive meinem, waren glaube ich durchgestrichen. Worauf ich meine Frage danach stellte. “Das is’ jetzt egal“- gab’s zur Antwort. Klar, die Grenze war ja offen – hatte ich bei der Aufregung ganz vergessen. Der Zirkus, der dann mit der Beschaffung der Reisepässe und Visa in Berlin durchgeführt wurde, sollte man sich von entsprechender Stelle beim Club ’mal erzählen lassen – Peter Müller macht das sicher sehr gern.

Dienstag – glaube so 17 Uhr rum – Treffen auf dem Bahnsteig. Der große Tag – mitfahren oder heulen – keiner wusste, ob alles geklappt hat. Nach der Arbeit erstmal 2 Bier gegen Herzklopfen und dann zum Reisepassträger auf dem Bahnsteig. Der stand da mit ’nem ganzen Stapel dieser Dinger. Ich nannte meinen Namen. Und es begann wie beim Zauberkünstler mit dem Kartentrick. Isser dabei oder ne???? – Die Hälfte des Stapels war schon durch und dann zuckte der Zauberer die richtige Karte hervor. Ich war dabei – paar Kumpels auch noch und einige hatten die Niete. Wir drehten total durch und der Rest flennte sich die Augen aus. Ich könnte immer noch kotzen, dass so viele echte Fans nicht mitfahren konnten, weil sich jede Menge rote Socken und Stasipack im Zug tummelten. Aber dazu kommt noch ’was. Dann ging die Reise los. wir hatten so Schlafabteile und Platz für Speis und Trank. Die Korken knallten und das Bier floss ordentlich. Dann ging es durch die zu dem Zeitpunkt zwar schon offene aber noch bestehende Grenze – ein ziemlich komisches Gefühl war das – vor paar Wochen noch Todeszone und jetzt kommen wir ’mal so vorbei. Aber wir fahren ja zum Club – ist doch wie immer – also Schei… auf die Grenze und FCK forever.

Erste Station Hof – 2 bayrische Bahnbeamte wünschten uns viel Glück, obwohl wir sicher waren, dass die nicht wussten, um was es ging. Zwischendurch wurde mal etwas geschlafen und unser Express eroberte Österreich. Auf dieser Station – keine Ahnung mehr, wo das war – standen zwei für österreichische Verhältnisse intelligente Beamte und versuchten unsere Antworten auf die Frage “Woher kommen Sie?“ zu entwirren. Ich glaube, die wissen bis heute noch nicht, wie unsere Stadt hieß. Dann kam ne große Adresse. Innsbruck und eine Stunde Aufenthalt – hier gibt’s bestimmt Nachschub für die Theke. Ach nee – geht ja gar nicht, wir hatten ja für 15 Ostmark nur Lire getauscht und das andere Zeug wollte hier niemand. Also waren wir auf Nachbarschaftshilfe angewiesen. Und die gab es sofort. Ein Ameisenfahrer der Bahnhofsbrigade Innsbruck stellte einen mit reichlich Bierpaletten gefüllten Anhänger neben unseren Zug auf dem Bahnsteig ab. Er tat uns leid, allein die Vorstellung, dass der arme Kerl das ganze Zeug allein in einen Speisewagen der österreichischen Bahn hieven musste, forderte Initiative. Zwei Mann an den Wagen, die andren ans Abteilfenster. Und jetzt rein mit dem Zeug – natürlich in den himmelblauen Express. Nachdem wir jede Menge der Paletten in den Schaltschränken unseres Zuges verstaut hatten, meldete sich die Gendarmerie an. Man suchte den verloren gegangenen Gerstensaft – und das auch noch in unserem Wagon. Wir stellten uns natürlich völlig überfragt an und außerdem waren wir hier auf Transit und mussten diesen Dialekt nicht verstehen. Einer rief noch, die sollen jetzt abhauen, wir wollen nicht Ski fahren, sondern wir müssen zum Club.

Dann ging es endlich weiter – Steffl hieß glaube ich die Biersorte. War OK und reichte bis zum Ziel. Der Express schob sich durch die Alpen und wir wussten, dass Himmelblau das einzig göttliche auf der Welt ist. Ich habe irgendwo noch ein Foto – damals in einer Kurve aufgenommen – blauer Himmel, verschneite Berge und ein Zug mit Himmelblauen Fahnen an den Fenstern – einfach nur geil. Dann ging’s nach Mailand und dort war Schluss. Ende mit Feiern, denn die italienische Eisenbahngewerkschaft streikte – sicher zu Recht. Aber der Club wartet. Und jetzt…??? Einer im Abteil schob sich ’ne halbe Flasche Weißen rein und stammelte für sich hin “Es ist wie immer – ich komme nie an“. Zwischenzeitlich haben wir wieder die Fassung gefunden und sangen mit paar total abgedrehten Spaghettis irgendwelche Lieder auf dem Mailänder Bahnhof – kein Wort verstanden und die auch nicht – aber es war wenigstens laut. Währendessen hielten einige der mitgefahrenen SED-Touristen eine DDR-Flagge aus dem Fenster und wurden auch noch von italienischen Journalisten fotografiert. Kurz darauf wurde diesen Herren schlagkräftig klar gemacht, wer hier das Sagen hat. Also erst weg mit der Flagge und danach mit dem Träger. Dann endlich die Nachricht - der Lokführer bekommt eine Ausnahmegenehmigung seiner Gewerkschaft nur wegen uns. Bengalische Feuer im Stadion von Turin Der Club und seine Fans waren kurzfristig Mittelpunkt in Italien und sollten es auch noch ’ne Weile bleiben. Der Zug ruckte an und schwebte kurze Zeit später in Turin ein. Mittelpunkt Italiens – das musste wirklich hier sein. Später Nachmittag – das Flutlicht war schon an – aber nicht im Stadion, sondern auf der Stationi Torino. Volle Beleuchtung, hunderte Blitzlichtgewitter, …zig Journalisten, das italienische Fernsehen und jede Menge Fans von Juventus bereiteten uns einen Empfang, der einen heute noch die Tränen in die Augen drückt. Wir sind da – die Chemnitzer Fans – die Heiligen aller Heiligen, eingetroffen an der Kultstätte des italienischen Fußballs. Irre, irre, irre - - was da abging – Interviews in allen Sprachversuchen, eh ich mich versah, hatte ich einen Schal von Juventus Turin um den Hals, es war nicht mehr normal. Die Italiener sind ja sowieso sehr emotional – aber hier passten wir hin. Unsere Ankunft wurde live im italienischen Fernsehen übertragen. Wir hatten Glück – unser persönlicher Reporter konnte gut deutsch und erzählte mehr als wir. Schließlich war die Maueröffnung nicht an italienischen Augen und Ohren vorbeigegangen und man hatte das Glück, sich hier als Italiener an dieser Veränderung in Europa zu beteiligen. Es wurde getauscht – alles was ein Emblem der Zone beinhaltete, war sehr begehrt. Einer zerlegte seinen Personalausweis der DDR und bekam für jede Seite einen Schal oder einen Wimpel – total bekloppt. Dann hatte der Verein Juventus uns paar Busse an den Bahnhof gestellt – werden wohl 10 gewesen sein – wir waren ja 460 Mann. Raus aus dem Trubel und rein in die Kisten und ab Richtung Stadion. Denkste ?! Stadtrundfahrt war angesagt – das totale Chaos – 10 Busse durch den italienischen Verkehr – vollkommen unmöglich. Und so war es auch – Später Nachmittag in Turin – Berufsverkehr – EC-Spiel und das Temperament. Jedenfalls hielten 3 unserer Busse neben einem Park. Wo die anderen Busse waren – keine Ahnung. Wir sollten uns ein Museum anschauen “oder so was“.

Unser Teil der Truppe entschied sich wie immer für “ oder so was“. Rein in die Fußgängerzone und uns begrüßte ein freundlicher Italiener mit einer Zange in der Hand – geröstete Kastanien. Was is’n das für’n Zeug? Die Staffel kostete den kompletten Rost und der freundliche Mann rief auch noch seine Mutter – Maria oder so ähnlich hieß die Frau. Der nächste Stop – Zeitungsladen – Aha ! Hier gibt es die gesuchten Ansichtskarten. Als wir wieder draußen waren, befand sich an der einen Wand nur noch das leere Gitter; der Zeitungsständer in der Mitte war leer und alle sportlichen Informationen lagen und zu Füßen. Wie die Journalisten das besagte Foto von unserem Zwischenstop auf dem Mailänder Bahnhof drei Stunden später in die Presse bekommen haben, sollte uns heute noch ein Rätsel sein. Einer blätterte noch in einer Pornozeitschrift und bedauerte nach jeder Seite seine Einsamkeit. “Eh – das iss keen Programmheft“, schallte es mit lauter Stimme aus dem Hintergrund. “Vergiss die Weiber, heute brauch uns der Club“. Weiter durch die Fußgängerzone, an einem Juwelier vorbei – der wurde von einem Carabinieri bewacht. Unsere Leute fingen an, die Nullen auf dem Preisschild einer Halskette zu zählen. Ne 25 mit 7 Nullen – gibts doch gar ne… Da hat uns die Alte aus dem feindlichen Radiosender Bayern 3 beim ihren wöchentlichen Kursberichten sicher wieder belogen. 1 DM = 1000 Lire….. Dann würde ja das Halsband kosten…… nee !!!! Wir gehen lieber weiter und vergessen die Rechnerei. Die Zeit ruft uns auf die Bühne – noch mal mit der Clubfahne quer über die Straße – Stillstand, es ging nichts mehr. Die Italiener hupten wie die Irren, wir sprangen auf dem großen Kreisverkehr herum, als wäre kein Auto vorhanden. Italienischer Bericht über das Spiel - Teil 2 Italienischer Bericht über das Spiel - Teil 1 Ein Autofahrer entpuppte sich als wahrer Fan und schloss sich an. Er kletterte auf sein Fahrzeugdach und holte ’ne Riesenflagge von Juve hervor. Andere kletterten auch aus ihren Kisten und sangen mit Fahnen und Schals umhangen, ihre Loblieder auf Juventus – total krank – ja so wie wir. Dann mussten wir zu unseren Bussen. Noch paar Fotos mit hübschen Politessen und dann ab. Wie sich der Verkehr entwirrte, entzieht sich meiner Kenntnis.

Auf der Fahrt zum Stadion waren einige Geschäfte mit Holzlatten verbarrikadiert. Klar – Juve spielte. Da war immer was los. Irgendwie haben wir es dann geschafft, in dieses Stadion zu gelangen. Stadio Communale de Torino – eines der berühmtesten Stadien der alten Fußballzeit in Europa – erwartete uns. Na dann mal rein in die Hütte. Riesenbetonsilo mit Gängen in alle Richtungen der Zeit – Schmierereien von AS Rom und Inter, aber jetzt sind wir ja da. Wirklich ’ne friedliche Stimmung uns gegenüber und die Tauscherei nahm auch kein Ende. AC Turin – eine Abordnung des Stadtkonkurrenten wurde uns zur Verfügung gestellt – ich glaube, die waren noch bekloppter als die Juve- Fans. Das Stadion war nicht sehr voll – aber der Lärm reichte für mehrere Spiele. Wir standen in unserem Block und meinten, jetzt fehlt eigentlich nur noch der Kjeld (also der Mann, der auch in Porto war). Kaum gesagt und da war er da – lange Mähne und Schlafsack – für uns eine sehr emotionale Begegnung, nach langer Zeit wegen dem politischen Zirkus sich endlich mal wieder zu sehen. Zurück zum Geschehen – zunächst wurden die Gästefans begrüßt – eine Truppe netter Italienerinnen kam zu unserem Block und verstreute Blumen. Uns wären die Damen lieber gewesen, aber dafür waren wir ja nicht hier. Danach erhob sich das ganze Stadion von 8 – 88 und sang die Hymne von Juventus Turin. Völlig unklar – eine Lautstärke, einfach nicht zu beschreiben. Während dessen tauchte die Gegenkurve in ein Flammenmeer von bengalischen Fackeln. Ich glaube, da hatte jeder so ein Ding in der Hand – außer Leuchtfeuer und Qualm sah man in diesem riesigen Stadion nichts mehr. Dann begann die Show. 7:0 oder 6:0 – ist egal, Hauptsache wir sind dabei. Aber alles entwickelte sich bekanntlich anders, es zog langsam Ruhe ins Stadion ein, da dieser FC Karl-Marx-Stadt der alten Dame zeigte, wo es lang ging. Der einzige, der noch brüllte, war der Kaffeeverkäufer in Gästeblock – auch der verstummte bald, nachdem ihm einer klar machte, dass wir keinen Kaffee saufen und er endlich die Schnauze halten sollte. Dann doch wieder etwas Lärm in Stadion – 1:0 für den Club in Turin. Das Programmheft von Juve 30 Sekunden zuvor hatte der Club zugeschlagen – gesehen haben wir nichts, aber als der Held mit erhobenen Armen die Mittellinie überquerte, wussten wir Bescheid. 460 Mann feierten und das ganze Stadion war wie gelähmt. Niemand, selbst wir nicht, hätten nur einen Pfifferling auf ein Tor gegen diese Traumabwehr von Europa gewettet. Der Nebel im Stadion wurde immer dichter, die Zuschauer forderten einen Spielabbruch, klar bei dem Spielstand. Wir fieberten dem Schlusspfiff entgegen – na ja, der Rest ist bekannt. Wirklich schade – aber es war eine Superleistung unserer Truppe. Gefeiert wurde trotzdem - ab zu den Bussen, begleitet von noch immer enthusiastischen italienischen Fans, die uns noch auf dem Bahnhof mit allen möglichen Dingen des persönlichen Bedarfs beschenkten. Unser Abteil war mit Weinflaschen überfüllt. Ein Kumpel kam rein und hatte eine Tüte Apfelsinen in der Hand. Ein komisches Bild. Wir haben uns kaputtgelacht.

Die Rückfahrt ist schnell erzählt – alle Flaschen leer und wir alle voll. Ich glaube, die ersten Lebenszeichen hat es erst wieder in Rosenheim gegeben, wobei das Bahnhofsgelände nach irgendwelchen Fans abgesucht wurde. Jedenfalls kam einer mit einem erbeuteten Schal zurück – weiß nicht mehr genau grün/orange. Keine Ahnung – war sicher nur von einem frierenden Passanten. Aber so war das halt – der Alltag kehrte zurück. Kurz vor Hof wurden wir aufgefordert, alle Fenster geschlossen zu halten und die Türen wurden verriegelt. Hunderte Menschen aus Sachsen und Thüringen waren von ihrem westdeutschen Einkaufsbummel zurück und wollten nach Hause. Sie belagerten den Hofer Bahnhof und wir wollten sie natürlich nicht freiwillig mitnehmen. Jemand fasste sich dann ein Herz und sammelte jede Menge Müll im Zug zusammen – ein Karton fand sich auch noch und das Paket für die Wartenden auf dem Bahnsteig war fertig. Wir warfen es den Leuten vor die Füße und hofften auf etwas Unterhaltung – aber die blieben hart. Niemand von denen konnte an einem Donnerstag spät Nachmittag mit uns etwas anfangen. Fußballfans um diese Uhrzeit waren nicht der Alltag. Und das Paket…. weiß der Fuchs. Die Unterhaltung begann aber trotzdem. Eine Truppe von irgendwelchen Parteispinnern wollte uns kurz vor der Einfahrt ins heilige Reich auf einmal wieder Ordnung beibringen – die konnten es eben nicht lassen. In unserem Wagen ist es dann eskaliert und es gab endlich die Unterhaltung, wie in einem richtigen Auswärtsspiel.

Es war ein heißer Herbst – da ging nichts an uns vorbei, dass Traumschiff FCK musste erst mal wieder verlassen werden und der politische Alltag hatte uns schlagartig wieder im Griff. Aber erst mal ging’s mit dem Empfangskomitee in die Schenke – ein Sechsertisch – 30 Mann drumherum – paar Bier auf den Deckel – und “Mensch los jetzt – erzähl ’ma“

FCK FOREVER

Tino Richter

Impressionen von der legendären Reise (by M. Schubert):



Fans erinnern sich:
Frank: Turin. Ja klar, da erinnert man sich natürlich als Erstes an die Fahrt dorthin, die 430 FCK-Fans vergönnt war. Am 9.11. war die Mauer gefallen und irgendwie bekam es der Club gebacken, für den 22.11. einen Sonderzug auf die Beine zu stellen. Jeder, der in einem Fanclub gelistet war, konnte sich anmelden. Die Glücklichen bekamen einen DDR-Reisepass und ein bißchen Taschengeld (umgerechnet 20 D-Mark) für Turin auf die dreitägige Fahrt mit. Die Reichsbahn stellte einen Zug mit einem Dutzend Liegewagen (6 Mann pro Abteil) und zwei Mitropas zur Verfügung. Ganz vorn fuhren der FCK-Vorstand und die Spielerfrauen mit. Mit dem Schlachtruf "Turin, Turin - wir fahren nach Turin!" ging es auf dem Hauptbahnhof los und über die Grenze bei Gutenfürst in Richtung München, Kufstein, Innsbruck, Brenner-Paß, Mailand und Turin.

Das Billet zum Spiel in TurinoZiemlich aufregend für einen DDR-Bürger, der den Westen bisher nur aus dem Fernsehen kannte und mit seiner Rennpappe maximal bis in die Tschechoslowakei oder nach Ungarn bis an den Balaton kam. Absolut beeindruckend die Fahrt rauf zum Brenner, die ganzen Brücken und Bauwerke - so etwas kannte man verständlichweise aus dem Osten überhaupt nicht. Am Brenner-Paß standen Dutzende von italienischen Fotografen, die besonders gern die Abteile ablichteten, wo noch vereinzelte DDR-Fahnen geschwenkt wurden - es regierte ganz klar Blau-Weiß und zwischendurch auch schon Schwarz-Rot-Gold, natürlich ohne Enblem. Der Hammer war dann, daß es in Turin schon Zeitungen mit diesen Fotos von den "430 tifosi della DDR" zu kaufen gab!

Irgendwo vor Mailand blieb der Zug plötzlich stehen. Na toll. Und die Gerüchteküche besagte, daß die italienischen Lokführer gerade in Streik getreten waren. Argh! Wieder so eine West-Erfahrung, die der gelernte Ostler bisher nicht kannte. Aber das Militär half aus. Zumindest besagte die Gerüchteküche später, daß die Armee einen Lokfahrer zur Weiterfahrt geschickt hatte - auch wegen der italienischen Liebe zum Ballsport und dem Ehrgeiz, die FCK-Fans nach Turin zu bringen! Der Zug fuhr erst eine Strecke rückwärts, dann wieder vorwärts - der neue Mann übte wahrscheinlich - doch dann ging es flott bis Turin durch. Dort warteten wieder Heerscharen von Reportern, die die Ankunft der Club-Fans wie wild fotografierten.

Dann gab es eine Stadtrundfahrt mit vielen Bussen und auch ein bißchen Freigang in der Stadt, wo man die wenigen italienischen Geldscheine mit den vielen Nullen ausgeben konnte. Auf der Rückfahrt hatte dann so mancher FCK-Fan das erste Porno-Heftchen seines Lebens in den zitternden Händen. Fans von Juventus wurden erst in Stadionnähe gesichtet. Alles absolut friedlich und mit ganz viel gegenseitiger Neugier. Es wurde wild getauscht, ein Zaun vor dem Gästeblock diente als Tauschbörse. Kaum ein FCK-Fan fuhr wieder mit himmelblauen Sachen heim, jeder hatte irgendein schwarz-weißes Utensil von Juve ertauscht. Man hätte die Club-Fans nach dem Spiel glatt für Tifosi halten können. Manchmal sieht man noch heute ab und zu einen Juve-Schal an der Gellertstraße.

Vorbericht in der StampaseraVom Spiel selbst weiß ich noch, daß man durch den blöden Nebel fast gar nicht sah. In Hälfte Eins spielte der FCK auf die eigenen Fans zu, in Hälfte Zwo sah man Schmidt den Kasten hüten. Er war es auch, der mit einer Handbewegung den Anhängern signalisierte, daß Wienhold zum 1:0 getroffen hatte! Leider schlug es dann noch zweimal ein, aber mit diesem 1:2 konnte man ja bestens leben, da hatte man viel Schlimmeres befürchtet! In den Ruhephasen des Spiels machten sich auch die 430 FCK-Fans bemerkbar. Diejenigen, die die Live-Übertragung des DDR-Fernsehens daheim schauten, erzählten später, daß man die FCK-Rufe im Stadio Comunale ziemlich deutlich gehört hätte.

Auf der Rückfahrt zählte dann der Schlachtruf "Turin,Turin - wir waren in Turin!" und beim Halt auf dem Bahnhof Hof wurden die wie die Lemminge auf dem Bahnsteig stehenden Einkaufs-Touris mit "Hamsterer! Hamsterer! Hamsterer!" fleißig bekoffert. Nach der dreitätigen Fahrt kamen auch Gerüchte auf, daß die Stasi mit an Bord gewesen sein soll, aber ich persönlich glaube dies eher nicht. Den Jungs von Horch&Guck kam damals per Massen-Demo gerade ein ganzer Staat abhanden - die hatten garantiert andere Sorgen, als sich um ein paar trinkfreudige Fußballfans zu kümmern. Die unbekannten Gesichter, die mit an Bord waren, sind wohl eher ein paar Angestellte des DDR-Reisebüros gewesen, die sich zwischen den FCK-Fans einen Kurz-Trip nach Italien gegönnt hatten.

Beim Rückspiel hat der Club dann leider nicht zu dem Schwung und den Elan gefunden, den er gegen Porto und Sion draufhatte. Vielleicht hatte Meyer vorher auch bewußt auf "kontrollierte Offensive" gesetzt. Ärgerlich fand ich, daß man auch die schöne Schneedecke vor dem Spiel beseitigt hatte, meiner Meinung nach hätten die Italiener dann einen viel schwereren Stand im Sportforum gehabt!

Eines der begehrten Tickets für das RückspielPierre: Ich kann mich noch gut an das Nebelspiel von Turin erinnern – ich saß vor dem Fernseher und da fiel das 1:0 durch Wienhold und man hat’s gar nicht sofort mitbekommen. Schade, dass Juve am Ende die Partie noch gedreht hat, aber die waren einfach abgezockter als wir. Beim Rückspiel wollte mir meine Mutter was Gutes tun, indem sie mir ne Sitzplatzkarte fürs Sportforum besorgte. Das war aber nix für mich und ich habe mich klammheimlich wieder zu meinen Kumpels im damaligen Block G geschlichen. Die Italiener hatten damals vor dem Spiel eine richtige Show abgezogen indem sie ihre Fahne durchs Stadion getragen haben und dann auf den Mittelkreis legten. Als dann ein paar Clubfans nachzogen war das Gejohle gross. Wir sind dann zwar leider ausgeschieden, allerdings ja nicht gegen irgend eine Laufkundschaft sondern den späteren Uefa-Cup-Sieger. Trotzdem - was damals die junge Truppe von Hans Meyer, mit Steinmann, Bittermann, Heidrich, Köhler und Lutz „Luigi“ Wienhold geleistet hat, war ganz grosses Kino.

Im Grunde zehrt man noch heute von diesen fantastischen Spielen. Und ein bischen träume ich davon, dass ich den Club irgendwann in meinem Leben nochmal international spielen sehe. Da wäre es glaube ich egal, wo der CFC spielen würde und sei es auf dem Mond, ich wäre auf jeden Fall vor Ort.

Timo: Bei diesem Ereignis sind mir noch 2 Dinge in Erinnerung, zum einen der Fall der Mauer knapp 14 Tage davor und zum anderen Hans Meyer vor der Auslosung. Ich versuche es mal wörtlich zusammenzubekommen. "Ich würde mir wünschen das wir unserem Publikum was in den letzten Wochen treu zu uns gestanden hat einen attraktiven Gegner zu präsentieren.". Juventus Turin war ein solcher, italienische Vereine in der damaligen DDR waren zwar vielleicht nicht die große Zugnummer wie es Vereine aus der BRD waren, siehe selbst ein mittelmäßiger Verein wie der VfL Bochum zu einem simplen Freundschaftsspiel, aber Italien war dennoch so was wie die "weite Welt" und halt so was wie das "Paradies des Fußballs". Selber hatte ich einen solchen Club an einem saukalten Novembertag 1985 im Leipziger Zentralstadion gesehen. Lok spielte einen blassen AC Mailand vor gerade mal 18.000 Zuschauern mit 3:1 an die Wand, flog aber halt raus weil man einmal in der Abwehr geschlafen hatte und die Italiener das Schiedsrichterkollektiv offensichtlich selber mitgebracht hatte. Das dritte Tor schoss übrigens ein Hans Richter, vor seiner Einwechslung noch mit allerlei Spott und Hohn der Zuschauer um uns herum bedacht.

Das Programmheft zum legendären Heimspiel gegen JuveJa das Hinspiel, vor ein paar Wochen noch kaum zu glauben, aber jetzt durften doch tatsächlich theoretisch jeder FCK-Fan nach Turin fahren der wollte. Vom Hinspiel selber habe ich kaum was gesehen, Kommentator war Gottfried Weise. Selbiger war knapp 2 1/2 Jahre zuvor Gast zu einem Vortrag über seine Reise zur WM 86 in Mexiko im Speisesaal des VEB Messelektronik Pockau, Zweigwerk von Robotron. Heraus kam ein feiner Bericht mit allerlei Dias und Anekdoten und eine sehr freimütige Talkrunde über den Fußball im allgemeinen und den der DDR im besonderen. Was er uns verriet war u. a. das er als kleiner Junge Aue ganz gut fand, na ja, man wird älter und klüger. Als der FCK das fast Unmögliche schaffte und tatsächlich das 1:0 im "Stadio Communale" schoss war selbst Weise überrascht und rätselte erstmal über den Torschützen. Lutz Wienhold war´s, ich hab irgendwo nur noch etwas rundes weißes ins Tor rollen sehen. Auch die "Eff Zee Kaa - FC Karl Marx Stadt!" Rufe im Stadion sind mir noch lebhaft präsent. Glaube bei dem Spiel waren nur wenige Juve-Fans im Stadion. Juve hatte eh schon immer einen eher mauen Heimschnitt und EC-Spiele gegen einen unbekannten Club aus Ostdeutschland, na ja. Letztendlich kassierte man halt noch 2 Tore, aber dieses knappe 1:2 in Turin war aller Ehren wert. Jedenfalls war die FP schon stolz auf den Club und zitierte u. a. eine Sportzeitung aus dem Stiefelland mit den Worten "jetzt wissen wir was uns bevorsteht, diese Mannschaft in den hellblauen Trikots kann Fußball spielen.".

Rückspiel, gesehen habe ich das im späteren Gästeblock gegenüber vom CFC-Fanblock. Es gab schon damals "Deutschland!"-Rufe im Stadion, Fahnen ebenso. Vor dem Spiel ließ man 3,4 Italiener mit einer Fahne als "Teil eines Rahmenprogramms" auf der Laufbahn traben, diese wurden wiederum unter dem höhnischen Gelächter in der Arena mit Knallern beworfen als sie halt vor "meiner Kurve" marschierten. Das Gegentor fiel dann halt auch "in unsere Richtung". Weiss noch das sich mein Opa am Tag danach ziemlich über "Köhley" aufgeregt hat weil "der Blödmann bei dem Freistoß aus der Mauer gelaufen war" oder hochgesprungen oder was weiß ich. Kalt war es auch, der Rasen soweit ich mich erinnern kann teilweise gefroren. Für den FCK war es schwierig, das 0:1 noch umzudrehen. Man gab alles, rannte aber vergeblich gegen diese Mauer aus Turin an nachdem die in Berlin schon gefallen war. Schade war´s. Aber ein feiner Abend, glaube kaum einer war den Jungs echt sauer. Welch Kontrast dann knapp 1 Jahr später gegen den BVB. Die Zeiten hatten sich geändert, statt der 27.000 waren es nicht mal mehr 13.000, davon noch gut 3.000 Dortmunder die sich über das lahme himmelblaue Publikum echauffierten.

Michael Panhans: Szene aus dem Rückspiel Nachdem am 9. November 89 die Mauer gefallen war, konnten auch die FCK-Fans von Höherem träumen, zumal gerade die 3. Runde im laufenden UEFA-Pokal-Wettbewerb erreicht worden war. Eine Woche nach Grenzöffnung fand im Sportforum mal wieder ein Oberliga-Spiel gegen unseren unblauen Lieblingsgegner statt. Anläßlich dieser Sportveranstaltung wurde offiziell bekannt gegeben, daß zum Auswärtsspiel in Turin eine Reichsbahn-Sonderzug in Marsch gesetzt werden wird, sogar mit wirklichen Fans und nicht nur mit verdienten Funktionären und Parteigenossen. Leider war ich zu diesem Zeitpunkt als Student in Cottbus, so daß für mich diese Reise praktisch schon erledigt war, bevor sie beginnen konnte. Kein Visum, kein Zugticket, kein Reisepaß!!! Auch zum dritten Spiel gab es ein BierglasGlücklicherweise meldete sich am Wochenende vor dem UEFA-Cup-Hinspiel in Turin Frank M. aus München ( er war als ehemaliger Fanclub-Chef von „Alter Sachse Altendorf“ per offizeller Ausreise am 13.09.89 [ Heimspiel gegen Porto ] aus der Zone entschwunden ) bei mir mit dem Befehl, am 21.09. in München anzutreten zur Reise nach Turin.

Nach ein paar Bierchen im Hofbräuhaus wurde dann auch der Nachtzug nach Verona bestiegen. Die österr. Grenzer haben nicht weiter kontrolliert, aber der in Innsbruck zugestiegene ital. Zollbeamte konnte mit meinem DDR-Personalausweis nichts anfangen. Auch der Hinweis auf den Sonderzug half nichts – am Brenner war zunächst mal Endstation. Als Deutscher braucht man natürlich kein Visum, aber ein DDR-Bürger war ja etwas völlig anderes. Ein Tip half uns weiter: „Fahrts zruck nach Kiefersfelden und laßts Eich einen vorläufigen ( bundesdeitschen ) Reisepaß ausstellen, dann gibt’s kein Problem.“ Gesagt / getan. Ausgerüstet mit den besseren Papieren ging es wieder gen Süden und diesmal auch rein nach Italien. Langsam wurde die Zeit allerdings eng, da an diesem Tag ab 14:00 ein Lokführerstreik angekündigt war. Glücklicherweise gab es trotz Verspätung in Verona noch den Anschluß nach Mailand, wo wir ca. 16:00 eintrafen. Hier war nun endgültig Sense mit der Bahn. Nach einem kurzen Besuch bei McD haben wir zufällig 2 Italiener mit Juve-Schal entdeckt. Die haben wir sofort verhaftet! Nach deren Mitteilung gab es doch noch einen Pendlerzug nach Turin, den wir dann gemeinsam bestiegen haben.

Gegen 19:00 ( also ca. 1 Stunde vor Anpfiff ) kamen wir in Turin an. Die beiden wurden von einem Freund ( mit Fiat Panda ) erwartet. So haben sich dann also 5 Mann in das Gefährt gequetscht. Pünktlich zu Spielbeginn waren wir im Stadion. Nach den Bengalos seitens der Tifosi ( damals noch enthusiastisch als ´südliche Begeisterung´ gefeiert, heute sieht das ja anders aus... ) zog dichter Nebel auf. Nachdem mitten im Spiel Torwart Jens Schmidt die Arme hochriß, konnten wir nur vermuten, daß der Club ein Tor geschossen hat. Prophylaktisch haben wir gejubelt. Leider wurde das Spiel dann noch 1:2 verloren. Die Rückfahrt verlief für uns dann relativ streßfrei, da wir kurzerhand mit in den Sonderzug geklettert sind. Bei der Mitropa hatte man kurzfristig auf Marktwirtschaft umgestellt – die Kiste Beliner Pils kostete dann auch gleich 100 Ost-Mark ( 25 Flaschen ) – sauber ( hat aber trotzdem geschmeckt ). Die Funktionäre und anderen Rentner haben sich dann in Innsbruck noch fein danebenbenommen, als man aus den dortigen Bahnhofsläden noch diverse Getränke und Druckerzeugnisse ( der schlüpfrigen Art ) organisierte, mangels Valuta jedoch nicht ganz legal. Ein kurzer Aufenthalt ( verursacht durch die einheimische Bahnhofspolizei ) war die Folge. Nachher sah der Bahnsteig aus wie ein Warenlager...

» Micha's Impressionen von der damaligen Fahrt (PDF)

Für die vielen Bilder geht ein Dank an Mathias Schubert, Michael Panhans und Frank Neubert


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