Spielbericht

30. Spieltag - Regionalliga Nord - Saison 2010/2011
Hamburger SV II
Hamburger SV II
3:4
Chemnitzer FC
Chemnitzer FC

Werbeschau für Baldrian und Herztropfen

von Peter Rohleder

„So eine Sch…! So ein Stress!“ Nach dem langersehnten Abpfiff eines denkwürdigen Spektakels rannte Silvio Bankert zu seinem Tormann, umarmte diesen und schrie sich die Seele aus dem Leib. Auch Philipp Pentke war endlich froh, dass Schiedsrichter Siebert seine Pfeife nahm und die Gäste aus Chemnitz erlöste. In den letzten Minuten waren die himmelblauen Kicker noch drauf und dran, ihren sensationellen Halbzeitvorsprung zu verspielen.
Bei herrlichem Wetter, Sonne und wenig Wind fand am Freitagabend in Norderstedt das Regionalligaspiel zwischen dem HSV-Nachwuchs und dem Spitzenreiter Chemnitzer FC statt. Während einige Kilometer östlich die diesjährige Landesgartenschau ihren Feinschliff erhielt, kümmerten sich die Gastgeber um ihre eigene Rasenpflege herzlich wenig. Fehlender Regen tat sein Übriges, so dass auf dem extrem trockenen und holprigen Geläuf vieles dem Zufall überlassen wurde. Pässe kamen selten genau an, Bälle versprangen und erhielten zur Belustigung der Zuschauer neue Flugbahnen. Auch die Parkplatzsituation rund um die Arena war eine Katastrophe, wo bei fast mehr „Hier-kein-Parkplatz“-Ordner tätig als Stellplätze vorhanden waren. Auch der Stadionsprecher war schlecht vorbereitet, als er die CFC-Spielernamen z.T. falsch aufsagte (Grabuschewski) und für Unmut im himmelblauen Block sorgte. Ein Hamburger Zuschauer gab einem Nachbarn sein Wissen über Chemnitz preis: „Die haben viele Arbeitslose, die können nichts!“.
Mit dem Anpfiff schien der Chemnitzer FC sich noch mit anderen Dingen als dem Spiel zu beschäftigen. Mit dem ersten Angriff umspielte Christian Groß unter den Augen von HSV-Sportchef Bastian Reinhardt in zentraler Position die gesamte himmelblaue Hintermannschaft wie Slalomstangen und schob zum 1:0 (3.) ein. Aufstieg adé? Glücklicherweise reagierte man sofort, praktisch im Gegenzug verwandelte Richter einen Handelfmeter souverän rechts unten (5.). Und damit nicht genug, einen Eckball von Löwe köpfte der heute stark spielende Bankert zum 2:1 (9.) ein und ließ keinen Zweifel aufkommen, wer heute gewinnen will. Endlich spielte man wie ein Spitzenreiter! Hinten stand die Abwehr um Richter und sicher, Pentke konnte sich ungestört sonnen und im Mittelfeld arbeiteten Peßolat gut nach hinten sowie Dobry sehr gut nach vorn. Letzterer war es auch, der das 3:1 (21.) vorbereitete, indem er sich zu rechten Grundlinie durchtankte, schulbuchmäßig nach innen flankte, Förster die HSV-Abwehr narrte, so tat, als wolle er einschieben und am Ende Schlosser perfekt aus dem Hintergrund abschloss. Als Pavel Dobry kurz vor der Pause zum 4:1 einschob, schienen alle Messen gesungen. Zu deutlich war die Überlegenheit des Spitzenreiters, während die Rothosen zum Teil wie eine Ausbildungsmannschaft auftraten. Immer wieder dirigierte Trainer Uysal seine Zöglinge, die oft falsch standen oder nicht mutig genug aufrückten. Es war im Moment der schwächste HSV aller Zeiten, der je gegen den CFC antrat. Zum Pausentee sah man ein zufriedenes Lächeln bei den meisten himmelblauen Anhängern, die ihren Handlungsschwerpunkt jetzt im Getränkenachschub sahen.

Auf gehts zur zweiten HalbzeitMit dem Wiederanpfiff drückte der Chemnitzer FC erneut. Jetzt sollte schnell das fünfte Tor fallen, um anschließend den Rest der Begegnung sich einigen Übungseinheiten widmen zu können. Der HSV sah das anders und kam immer besser ins Spiel. Nun hatte man erkannt, dass auf diesem schwierigen Boden ein Kurzpassspiel das beste Mittel ist, und ringelte sich tapfer durchs Mittelfeld. Nach einer Stunde Spielzeit nutzt Kazior seine Routine, lief auf Richter auf, ließ sich fallen und bekam den Elfmeter. Während beim geneigten CFC-Fan sich die Nackenhaare zu kräuseln begannen, ließ der Zwischenstand von 2:4 die meisten Zuschauer im Rund kalt. Man widmete sich Telefonaten, SMS-Schreiben oder Gespräche ob der Tatsache, dass fast die komplette HSV-Profimannschaft auf der Tribüne saß. Ein in Hamburg startendes Flugzeug wurde interessiert beobachtet.
Das änderte sich auch nicht, als die Rothosen noch mehr Druck aufbauten und um den Anschlusstreffer kämpften. Der fiel dann auch, als Richter und Co. den Ball hinten nicht wegbekamen, dieser unkontrolliert durch den Strafraum surrte und wiederum Kazior vor die Füße fiel, der das Geschenk dankend annahm (79.). Während man im Stadion sich nun auf eine spannende Schlußphase einrichtete, fanden das die etwa 150 himmelblauen Anhänger im Stadion sowie zahlreiche Fans online weniger komisch. „Wieviel Tore wollen wir denn noch vorlegen“ war eine häufig gestellte Frage. Schweißgebadet gingen die Blicke zur Uhr und zum Trainer, der nun mit Fröhlich und Schaschko zwei ballsichere Spieler einwechselte. In der 81. Minute hielt das Stadion noch einmal den Atem an, als George Kelbel einen Ball direkt nahm, abzog, aber in Pentke seinen Meister fand. Wie so oft in der Vergangenheit begann auch jetzt das panische Suchen nach Herztropfen und Beruhigungsmittel, denn ein 4:4 wäre nicht nur peinlich, sondern würde auch Wolfsburg II gewaltig in die Hände spielen. Einer der besten Chemnitzer heute, Pavel Dobry, hätte in der 88. Minute die Fängemeinde erlösen können. Leider fand sein Kopfball nach schöner Flanke von Garbuschewski nicht ins Ziel. Letztendlich gelang es doch noch bis zum Schlußpfiff die ungeliebten Amateure vom Strafraum fernzuhalten. Als Schieri Siebert abpfiff, brachen alle Dämme.

Fazit: Aufgrund einer sehr effektiven ersten Halbzeit (Vier Chancen-vier Tore) und das Glück des Spitzenreiters in der zweiten Halbzeit war der Sieg durchaus verdient. Die Aufregung der letzten zehn Minuten hätte man den Fans aber besser ersparen sollen.
Achso, fast vergessen: Remember 27.08.1988. Dynamo Dresden – FCK 3:4 (1:4). Auch ein Tag der Herztropfen. Vielleicht gibt es nächstes Jahr ein Wiedersehen.

Beste Himmelblaue: Pentke, Bankert, Dobry, Trehkopf

Pressestimmen

MDR-Online

Schützenfest in Hamburg

Die Himmelblauen haben einen verdienten, wenn auch am Ende knappen 4:3-Sieg bei der Zweiten des Hamburger SV gefeiert. Der Dreier war wichtig, denn auch Wolfsburg gewann. Das Schädlich-Team legte eine blitzsaubere erste Halbzeit hin und führte da bereits mit 4:1. Dabei glänzten die Chemnitzer durch eine sehr gute Chancenverwertung und ließen sich vom frühen 0:1 nicht aus der Ruhe bringen. Auch nach dem Wechsel blieben die Sachsen das tonangebende Team. Doch durch einen schmeichelhaften Elfmeter und einen Querschläger kamen die Norddeutschen noch einmal bedrohlich auf. Insgesamt schaukelte der CFC das Spiel aber souverän über die Runden.

Freie Presse

Unnötige Zitterpartie des CFC

[..] Die Partie hatte für die Chemnitzer mit einer Schrecksekunde begonnen. Groß dribbelte sich in der dritten Minute durch die CFC-Abwehr und traf zum 1:0 für die Gastgeber. Zum Glück behielt Kapitän Andreas Richter zwei Minuten später die Nerven. Der Kapitän verwandelte einen Handelfmeter zum Ausgleich. Bis zur Halbzeitpause dominierten dann die Gäste und schienen durch Treffer von Bankert (9.), Schlosser (20.) und Dobry (44.) klar auf der Siegerstraße zu sein. Doch nach der Pause begann das große Zittern. "Wichtig, dass wir den Vorsprung gegenüber Wolfsburg behaupten konnten. In der zweiten Halbzeit spielten wir aber in manchen Szenen zu passiv und inkonsequent", resümierte CFC-Trainer Gerd Schädlich. [..]

www.hsv.de

Dem Spitzenreiter nur knapp unterlegen

[..] Nach nur 180 Sekunden tanzte Christian Groß die gesamte Chemnitzer Hintermannschaft aus und schob aus kurzer Distanz überlegt zum 1:0 ein. Die Freude über die Führung hielt jedoch nicht lange an. Bereits in der 5. Spielminute gelang Andreas Richter der Ausgleich. [..] Chemnitz erwies sich als eine Nummer zu groß für die Hausherren und spielte äußerst effektiv. Noch vor der Pause konnten Silvio Bankert, Marcel Schlosser und Pavel Dobry auf 4:1 erhöhen. Somit schien die Vorentscheidung bereits nach 45. Minuten gefallen zu sein. [..] Doch weit gefehlt. Der HSV kam zurück - und wie. "Ich habe den Jungs gesagt, dass es mir egal ist, ob wir 1:4 oder 0:6 hinten liegen", berichtete Uysal nach Spielende von seiner Halbzeitansprache. [..] Nach dem 2:4 durch Spielführer Kazior per Foulelfmeter, hatten zunächst Bertul Kocabas (70.) und Hanno Behrens (74.) die Chance weiter zu verkürzen, nach dem zweiten Treffer von Kazior hatte George Kelbel (81.) sogar den Ausgleich auf dem Fuß. CFC-Keeper Philipp Pentke verhinderte diesen und somit bleiben die Gäste weiter auf Aufstiegskurs.


Trainerstimmen

Soner Uysal (MDR-Online):
"Meine Mannschaft hat in der ersten Halbzeit offensichtlich zu viel Respekt vor dem Tabellenführer gehabt. Somit haben wir uns da gar nicht gut präsentiert. Das habe ich in der Pause meiner Mannschaft auch so gesagt. Wir wollten uns dann in der zweiten Hälfte unabhängig vom Spielstand besser präsentieren. Dies hat mein Team dann auch getan und ein Stück weit so gespielt, wie wir uns das vorstellen. Dass eine so junge Mannschaft die eine oder andere Inkonsequenz noch hat, liegt ein Stück weit auch in der Natur der Sache. Glückwunsch an Chemnitz für den verdienten Sieg."

Gerd Schädlich (MDR-Online)
"Wir sind natürlich sehr zufrieden, diese schwierige Auswärtsaufgabe erfolgreich absolviert zu haben. Obwohl es trotz der 4:1-Führung hinten heraus noch ein kleines Zitterspiel wurde. In der ersten Spielsituation war meine Mannschaft aber noch nicht auf Ballhöhe, was uns das 0:1 einbrachte. Wir haben aber eine sehr gute Reaktion gezeigt und das Spiel gedreht. Somit war es in der ersten Halbzeit ein ordentliches Spiel gezeigt, in dem wir unsere Chancen resolut genutzt haben. In der zweiten Halbzeit haben wir uns wohl etwas zu sicher gefühlt und waren da in manchen Phasen etwas zu passiv und inkonsequent. Der HSV hat das zu den Anschlusstreffern genutzt. So ist es noch etwas spannend geworden. Am Ende freuen wir uns über den wichtigen Auswärtssieg."

30. Spieltag - Regionalliga Nord - Saison 2010/2011
Freitag, 29. April 2011, 18:00 Uhr
Edmund-Plambeck-Stadion, Norderstedt
Zuschauer: 403
Schiedsrichter: Siebert (Berlin)
Hamburger SV II
T Meyer
A Labus
A Kazior
A Behrens (81. Nagy)
A Kelbel
M Ofosu (74. Winkler)
M Sowah (46. Schlüter)
M Groß
M Götz
S Sternberg
S Kocabas

Trainer: Uysal
Chemnitzer FC
T Pentke
A Löwe
A Richter
A Trehkopf
A Bankert
M Schlosser (85. Schaschko)
M Wilke
M Peßolat
M GarbuschewskiGelbe Karte
S Dobry (88. Fröhlich)
S Förster (77. Tüting)

Trainer: Schädlich
Tore
1:0 Groß (3.)
1:1 Richter (5./Handelfer)
1:2 Bankert (9.)
1:3 Schlosser (21.)
1:4 Dobry (44.)
2:4 Kazior (58./Foulelfer)
3:4 Kazior (79.)