Die Geschichte des Sportforum Chemnitz

Rückblende

1. Dezember 1992, soeben hat Zweitligist Chemnitzer FC den amtierenden Europapokalsieger der Pokalsieger SV Werder Bremen mit 2:1 nach Verlängerung besiegt. Über 15.000 Zuschauer feiern im ausverkauften Sportforum den Einzug ihrer Himmelblauen in das Halbfinale des DFB-Pokals (wo man letztendlich in Berlin an den Amateuren von Hertha BSC scheiterte). Es sollte das vorerst letzte Fußballhighlight in Chemnitz sein.

Auf dem Gelände des Chemnitzer Sportforum befinden sich neben dem Hauptstadion eine moderne Leichtathletikhalle (gebaut 1994, einzige in Sachsen), eine Radrennbahn, eine Schwimm- und eine Turnhalle. International sehr erfolgreiche Sportler wie die Diskusolympiasieger Ilke Wyludda und Lars Riedel, Radsportolympiasieger Jens Fiedler oder Weitsprungolympiasiegerin Heike Drechsler trainieren hier.

Die Anfänge

Das Sportforum hat eine lang zurückreichende Tradition. Bereits am 11. Juli 1926 wurde die erste Sportstätte auf dem Gelände an der Reichenhainer Straße eingeweiht. Die "Chemnitzer Kampfbahn" bestand aus einem Spielfeld von 75x175 Metern, je einer Bahn für 100- und 400-Meter-Läufe sowie Nebenfeldern für Fußball und Schlagball. Dieser "Urahn" des heutigen Sportforums hatte eine Kapzität von 1.000 Zuschauern. Im Jahre 1935 wurde mit dem Umbau der Südkampfbahn zur Großkampfbahn begonnen. U.a. wurden eine Tribüne neugebaut und stufenförmige Traversen angelegt. 1938 erfolgte dann die Einweihung mit dem Länderspiel Deutschland-Polen (Ergebnis 4:1) vor 60.000 begeisterten Zuschauern.

Nach dem zweiten Weltkrieg

Den zweiten Weltkrieg überstand die Großkampfbahn unbeschadet, so daß sie ohne Probleme weitergenutzt werden konnte. Im Jahre 1950 erfolgte durch die Chemnitzer Stadtverordnetenversammlung die Umbenennung der Großkampfbahn in Sportforum "Ernst Thälmann". 1956 fand dann das erste Länderspiel der DDR-Nationalmannschaft in (jetzt) Karl-Marx-Stadt statt, vor 50.000 Zuschauern wurde Indonesien mit 4:1 besiegt. 8 weitere Auftritte der Nationalelf sollten folgen. In den weiteren Jahren kam es auf dem Gelände des Sportforums zu zahlreichen Neu- und Umbauten. So wurde eine der modernsten Radrennbahnen der Welt gebaut, auf der 1960 die Profiweltmeisterschaft der Steher vor 33.000 begeisterten Zuschauern stattfand.

Das Sportforum und der FC Karl-Marx-Stadt

1967 war dann das große Jahr des FC Karl-Marx-Stadt. Die Mannschaft um Kapitän und Fußballer des Jahres 1967 Dieter Erler wurde souveräner DDR-Meister und löste damit eine Euphorie aus, die unerreicht in der Zukunft bleiben sollte. Beim vorentscheidenden Spiel gegen den 1. FC Lok Leipzig feierten sage und schreibe 45.000 Zuschauer einen 2:0 Sieg. Der FCK lag damals in der Zuschauergunst souverän auf Platz 1, noch vor den Schwarz-Gelben aus Dresden. 1967 hatte der Club auch seinen internationalen Einstand, als man in der 1. Runde des Meistercups auf den RSC Anderlecht traf. Hier hielt man sich achtbar, verlor jedoch beide Spiele, 1:3 im Thälmann Stadion vor 45.000 Zuschauern und 1:2 im Anderlechter Astrid-Park. 1968 bekam dann auch das Ernst-Thälmann-Stadion eine Flutlichtanlage, welche damals die modernste der DDR war.

In den darauffolgenden Jahren nutzten vor allem die Athleten des 1963 gegründeten SC Karl-Marx-Stadt das Sportforum. Der FCK hatte seine Heimstätte auf der Fischerwiese, einem kleineren, dafür aber reinen Fußballstadion und kam nur zu besonderen Anlässen ins Thälmann-Stadion. Einer dieser Anlässe war dann wieder im Jahre 1989 gegeben. Im vergangenen Meisterschaftsjahr war der FCK auf dem 3. Platz eingekommen, welcher zur Teilnahme am UEFA-Cup berechtigte. Endlich durften die Himmelblauen wieder international spielen. Und es gelang endlich der erste Sieg. 1:0 schlug der FCK vor 24.000 Zuschauern im ausverkauften Thälmann-Stadion die Mannschaft von Boavista Porto. Dank einer bravourösen Leistung im Rückspiel (Ausgleich zum 2:2 nach bereits 0:2 Rückstand in der Verlängerung) gelang den Mannen von Erfolgstrainer Hans Meyer der Einzug in die 2. Runde.

Dort gelang ein souveränes Weiterkommen gegen den FC Sion aus der Schweiz. Nach einem 1:2 in Sion wurden die Eidgenossen mit 4:1 in Karl-Marx-Stadt regelrecht überrollt. Trotz durchgängig strömenden Regens war es eines der tollsten Spiele, welches ich je in Chemnitz gesehen habe. In der 3. Runde schließlich der absolute Knaller. Die alte Dame Juve wurde den Himmelblauen als Gegner zugelost. Im legendären "Nebelspiel" von Turin ging die Mannschaft um Rico Steinmann und Steffen Heidrich sogar mit 1:0 in Führung, verlor allerdings gegen die cleveren Turiner noch mit 1:2. Im Rückspiel in Karl-Marx-Stadt herrschte dann südländische Atmosphäre. Trotz des Rückhalts von 24.000 begeisterten Fans verlor man mit 0:1. Noch einmal durfte der Club sich international (bzw. national) messen. Borussia Dortmund war in der 1. Runde des UEFA-Cups im innerdeutschen Duell der Gegner des DDR-Vizemeisters von 1990 (punktgleich mit Meister Dynamo Dresden). Gegen den Verein aus dem Ruhrgebiet schlug man sich zwar tapfer, war letztendlich jedoch chancenlos und verlor beide Spiele mit 0:2.

Heimstätte des Chemnitzer FC in der 2. Bundesliga

1990 erfolgte dann ein weiterer Umbau des Sportforums, den Richtlinien des Deutschen Fußball Bundes entsprechend. Als der nunmehr Chemnitzer FC heißende Verein im Zuge der Vereinigung in die 2. Bundesliga auf- (oder ab- ?!) stieg, machte sich auch ein Umzug der Himmelblauen von der bei den Fans beliebten Fischerwiese ins Sportforum nötig. 5 Jahre spielte der CFC dort, bis ihn das (selbstverschuldete) Schicksal des Abstiegs in die Regionalliga traf. Einziges großes Highlight in dieser Zeit war das anfangs schon erwähnte Pokalspiel gegen den SV Werder. Aufgrund geringerer Auflagen in der 3. Liga und in der Hoffnung auf einen größeren Zuschauerzuspruch kehrten die Himmelblauen in ihre alte Heimstätte zurück.

Heute nutzen in erster Linie die Athleten der aus dem SCK hervorgegangenen Vereine, wie z.B. die Schwimmer des CSC oder die Leichtathleten des LAC, die Anlagen des Sportforum. Am 19. Mai 1996 fand der letzte große Höhepunkt im Sportforum statt, als sich einige Größen der Leichtathletik (u.a. Merlene Ottey, Haile Gebrselassie, Dieter Baumann und Lars Riedel) zum 7. Sachsenmeeting der Leichtathletik trafen.

Die gescheiterte EM-Bewerbung

1995 entschloß sich die Stadt Chemnitz ihrem Ruf als deutsche Sportmetropole gerecht zu werden und und nahm die Bewerbung um die Ausrichtung der Leichtathletikeuropameisterschaften im Jahre 2002 in Angriff. Geplant war u.a. der komplette Neubau eines Mehrzweckstadion mit einer Kapazität für 50.000 Zuschauer. Doch die kühnen Pläne des Dresdner Architekten Prof. Peter Kulka, welcher den Wettbewerb um den Neubau mit einem bemerkenswerten Modell gewonnen hatte, werden wohl für immer ein Wunschtraum bleiben. Schuld daran sind die Kurzdenker der Sächsischen Landesregierung, welche Chemnitz wohl nicht für EM-würdig hielten und jegliche finanzielle Unterstützung für dieses große Projekt versagten. Damit scheiterte letztendlich auch das Chemnitzer Finanzierungskonzept und die Stadt mußte ihre Bewerbung zurückziehen. Die Chance auf einen gewaltigen wirtschaftlichen Schub und Gewinn an Image nicht nur der Region Chemnitz, sondern ganz Sachsens, wurde damit vertan !

Stand: Dezember 1996