Weshalb es für Samstach gut aussieht...
Zum Spiel 1.FC Magdeburg - Chemnitzer FC (0:0)
25.04.2002 von Ritter Runkel
Liebe Freunde der Ökosteuer,
Nur weil der NOFV das Spiel auf Freitach legt, werde ich meine Kolumne nicht umbenennen. Es sieht also zunächst mal für Samstach so prima aus, weil Freitach und damit auch das Spiel schon vorbei ist. Entweder ist man immer noch am Feiern, oder der Frust ist schon dreimal die Kehle runtergespült worden. Es sieht gut aus für Samstach! Tusch!!!
Um aber für das Spiel am Freitach eine Prognose treffen zu können, habe ich mich gestern mit Drehhut im Münchner Café Westend versammelt, wo wir Devotionalien von einst besichtigten und anschließend Toppis Mannen bei ManU auftrumpfen sahen. Wir waren vom Bayer-Spiel so mitgerissen, daß wir nach Ballacks Ausgleich spontane "Scheiß Wismut A**!"-Gesänge anstimmten. Die anderen 150 BesucherInnen waren zunächst etwas verwirrt, bildeten jedoch kurz darauf mit demselben Gesang auf den Lippen eine Polonaise zur nahegelegenen Theresienwiese, wo man anschließend kurzerhand die Bavaria-Statue himmelblau ansprayte, um dann rechtzeitig zu Neuvilles Ausgleich wieder in der Kneipe zu sein. Ein rundum gelungener Abend.
Natürlich haben Drehhut und ich auch die Statistik genauestens geprüft, die auf den ersten Blick etwas düster aussieht.
22.04.1956: SC Fortschritt Weißenfels vs BSG Chemie Karl-Marx-Stadt 1:1
28.04.1957: SC Fortschritt Weißenfels vs SC Motor Karl-Marx-Stadt 4:0
26.04.1967: FC Rückwärts Berlin vs FC Karl-Marx-Stadt 3:1
26.04.1969: BSG Stahl Riesa vs FC Karl-Marx-Stadt 2:1
29.04.1970: FC Rückwärts Berlin vs FC Karl-Marx-Stadt 3:2
30.04.1977: Berliner FC Dynamo vs FC Karl-Marx-Stadt 2:1
30.04.1980: BSG Stahl Riesa vs FC Karl-Marx-Stadt 1:0
24.04.1982: BSG Sachsenring Zwickau vs FC Karl-Marx-Stadt 0:3
30.04.1983: 1.FC Magdeburg vs FC Karl-Marx-Stadt 2:0
23.04.1988: SG Dynamo Dresden vs FC Karl-Marx-Stadt 3:0
29.04.1989: BSG Wismut A** vs FC Karl-Marx-Stadt 1:0
28.04.1993: FC St. Pauli 1910 vs Chemnitzer FC 0:1
29.04.1994: SC Rot-Weiß Essen vs Chemnitzer FC 0:1
22.04.1995: FSV Frankfurt vs Chemnitzer FC 2:1
30.04.1997: FC Energie Cottbus vs Chemnitzer FC 1:0
30.04.1998: Eisenhüttenstädter FC Stahl vs Chemnitzer FC 2:1
30.04.2000: 1.FC Köln vs Chemnitzer FC 2:1
25.04.2001: SSV Reutlingen 1905 vs Chemnitzer FC 2:0
Kaum zu glauben, daß von diesen 18 Spielen am Ende nur 6 (also 1/3) in die Wertung eingehen werden. Aber der Reihe nach.
Zunächst werden wie gehabt die Spiele gegen Rückwärts und den BFC gestrichen. Sind's schon nur noch 15.
1956 spielten die Chemiker als Aufsteiger in Weißenfels und erreichten ein Unentschieden. Damit hatte man die Gastgeber doch nachhaltig überrascht. Als es ein Jahr später erneut zum Aufeinandertreffen kam, hatte es sich auch bis in die LPG der Fortschritt-Truppe herumgesprochen, daß die Karl-Marx-Städter ihre Lebensmittelkarten wegen der Zigarettenpapierknappheit schon verraucht hatten und am Hungertuch nagten. Ein teuflischer Plan entstand: beim Eintreffen des SC Motor standen die Weißenfelser Spieler und Funktionäre mit Plakaten am Bahnhof, auf denen zu lesen stand "Wozu denn Lebensmittelmarken, wenn es Kartoffeln wie Sand am Meer gibt?", "Wollt Ihr Kartoffeln?", "Nie wieder Hunger!" sowie "Scheiß-Wismut Karl-Marx-Stadt!" Damit hatten sie natürlich ins Schwarze getroffen. Kurze Absprache vor dem Spiel. Ende vom Lied: Weißenfels erkaufte den Sieg für Kartoffeln. Pro Tor ein Zentner. Daß sie nicht öfter getroffen haben, zeigt auf, wie schwach diese Mannschaft eigentlich war. Unter normalen Umständen hätten wir die lässig vom Platz gefegt. Aber in die Wertung geht dieses Match selbstverständlich nicht. Und da waren's nur noch 14.
1969 verlor der FCK in Riesa, und das kam so: nach den heftigen Straßenschlachten der 68er Bewegung im Westen befürchtete die DDR-Regierung ein Ausufern auf DDR-Gebiet und beauftragte die Riesaer Stahlwerke im Rahmen der Konsumgüterproduktion mit der Entwicklung von Fußbekleidung (i.e. Schuhe) für die Verbände der Bereitschaftspolizei und Kampfgruppen, die es denen ermöglichen würde, bei gewaltsamen Auseinandersetzungen einen sicheren Stand zu behalten. Alle Mitarbeiter der Stahlwerke, also auch die Spieler der BSG, mußten diese Waldbrandaustreter, die in Sohle, Ferse, Spann, Schaft und Senkel durch hochfeste Stahllegierungen verstärkt waren, probetragen. Für die FCK-Kicker wurde dieses Match zur Tortur. Nicht nur, daß nach jedem Ballkontakt eines Riesaers ein neuer Ball benötigt wurde. Nachdem das Auswechselkontingent des FCK schon nach 8 Spielminuten infolge von leichten Körperkontakten mit Riesaer Spielern erschöpft war, beendete der FCK das Spiel mit nur 3 Feldspielern und ohne Torwart (Stahl Riesa hatte dafür bereits im Vorfeld des Spiels eine Ausnahmegenehmigung beim DFV eingeholt). Darüber hinaus senkte sich der Rasen unter den Schritten der Riesaer allmählich ab. Da sich in der ersten Halbzeit ein Spiel auf ein Tor entwickelte, und zwar auf das der Riesaer, hatten die Himmelblauen in Halbzeit Zwo den Nachteil, bergauf spielen zu müssen. Und so kam eins zum anderen. Und so weiter. Was es damals alles gab... Natürlich keine Wertung! Und da waren's nur noch 13.
1980 verlor der FCK schon wieder in Riesa. Vier Tage vorher hatte man den violetten Uranerzrivalen mit 1:0 von der FiWi gefegt. Und drei Tage nach dem Riesa-Spiel kam es auf der FiWi zum Duell mit den Größten der Welt. Der FCK beschloß daher, seine Stammspieler zu schonen. Das Vorspiel der Juniorenoberliga wurde "aus Versehen" verpaßt, zum Oberliga-Punktspiel erschien statt der 1. Mannschaft das Junioren-Team, das sich achtbar schlug. Das ganze zahlte sich selbstredend aus: der 1.FCM verlor am 3.5.80 auf der FiWi mit 0:3. Bravo. Trotzdem aufgrund dieser Umstände keine Wertung. Übrigens landete Riesa in der Endabrechnung auf Rang 10 mit einem Punkt Vorsprung vor dem FCK. Und da waren's nur noch 12.
Kommen wir nun zu 1983. Das Jahr, in dem der FCK im FDGB-Pokalfinale gegen Magdeburg seine normale Leistung abrief - also 100%. 0:4 verloren. In Magdeburg nur 0:2 verloren. Nach den Regeln der Brachiallogik bedeutet das, daß der FCK 200% Leistung zeigte. Warum reichte das nicht? Den jüngeren unter Euch wird der Name Adolf (nanana, es geht noch weiter) Hennecke (ach so) nichts sagen: ein Bergmann aus dem Zwickau-Lugau-Oelsnitzer Steinkohlenrevier, der am 13.10.1948 seine Norm mit 387% erfüllte, weshalb er Held wurde (das fand er schön) und seine Leistung fortan zum Standard erklärt wurde (das fand er weniger schön). Mit anderen Worten: die 200%, die der FCK in Magdeburg brachte, waren unter der Norm! Und warum? Weil, wie bereits letzte Woche an gleicher Stelle ausführlich dargelegt, einen Tag nach dem Spiel die Maidemo stattfand, was auf die sportliche Leistung der FCK-Truppe eklatante Auswirkungen hatte. Eigentlich hätte ich mir den Hennecke-Verweis sparen können... Auf jeden Fall keine Wertung auch für dieses Spiel. Und da waren's nur noch 11.
1988 haben wir in Dresden verloren. Dieses Spiel bleibt so in der Wertung, wie's ausgegangen ist. Immer noch 11.
1989 haben wir in A** verloren. Wie konnte das passieren, nachdem man kurz zuvor das Pokalhalbfinale noch mit 2:1 gewonnen hatte? Unmittelbar vor dem Spiel bekamen sämtliche FCK-Spieler durch einen A**er Offiziellen das Programmheft des Spiels in die Hand gedrückt. Nach fröhlichem Lesen und Bilderausmalen gelangten sie zur vorletzten Seite, wo sie den Satz fanden "Aus dem Kaderkreis unserer Knabenmannschaft gehören sechs Sportfreunde der Bezirksauswahl Karl-Marx-Stadt an. Zum Kollektiv gehören die Sportfreunde:" ... und dann lasen sie den ersten Namen der 6 "Sportfreunde": Holger Hasse. Impulsives Erbrechen, spontaner Zahnausfall, plötzliche Weißfärbung des Haupthaares, Hodenhochstand, Fußsohlenakne. Das waren noch die weniger schlimmer Reaktionen auf diese Nachricht. Der FCK glich in dem Spiel einer Zombietruppe, und es ist ein Wunder, daß das Spiel nur 0:1 verloren ging. Und das auch nur aufgrund dieser himmelschreienden Unsportlichkeit. Da waren's nur noch zehn.
1995 verloren wir beim FSV Frankfurt. Eigentlich peinlich, denn der FSV stieg am Ende als abgeschlagener Letzter ab. Der Sieg gegen den CFC war nur einer von insgesamt dreien. Als die Himmelblauen siegesgewiß in Frankfurt aus dem Learjet stiegen, wurden sie von FSV-Präsident Klaus Gerster empfangen, der gleichzeitig Andreas Möller "berät". Der stand da so rum und raunte irgendwas von "Wenn Ihr uns gewinnen laßt, besorg ich Euch den Möller für die nächste Saison." Die Mannschaft wußte nicht so recht, was sie davon halten sollte, eigentlich waren alle dagegen, aber Häfner war dafür und hat einige aus der Mannschaft so gemobbt, daß sie nicht ihre normale Leistung abrufen konnten. Für den CFC hatte es keine wesentlichen Folgen, aber unlauterer Wettbewerb beschreibt das Geschehen ganz treffend. Neun.
Auch die Niederlage in Cottbus kann getrost gestrichen werden, denn sie ereilte uns beim überlegenen und überragenden Staffelsieger. Da wir aber realistische Voraussagen treffen wollen, können wir ein Spiel beim Spitzenreiter nicht zum Vergleich heranziehen, wenn es gegen eine Gurkentruppe aus den unteren Tabellenregionen geht. Acht.
1998 wurde beim EFC verloren. In die Saison 1997/98 ging der CFC bekanntermaßen mit einem Minikader (ich glaube es waren 8 normale Spieler, 1 A-Jugendlicher und 7 C-Jugendliche), um auf diese Weise seine Finanzen zu sanieren. Was ja auch gelang. Aufgrund von Verletzungen (betraf zwei normale Spieler) und Jugendweihe (betraf alle C-Jugendlichen) konnte der CFC in besagtem Spiel nur 7 Spieler aufbieten, die das Fußballhandwerk erlernt hatten. Die restlichen 4 Plätze wurden durch den CFC-Busfahrer, den CFC-Zeugwart sowie dessen Bruder und Schwager aufgefüllt. Der Altersschnitt der Mannschaft stieg somit von 15,9 auf 51,2 Jahre. Ist dieses Ergebnis repräsentativ? Ich denke nicht. Sieben.
Die Niederlage in Köln wird wegen Wettbewerbsverzerrung gestrichen. Das Siegtor für Köln erzielte Ralf Hauptmann. Damit stellte er nicht nur den Spielverlauf auf den Kopf, sondern es war unser Haube, der da für Köln traf!!! Noch Fragen, Hauser? Also sechs.
Letzten Endes gilt es noch, die Niederlage in Reutlingen auszuwerten. Ich tendiere ja immer dazu, die Spiele aus dem Seuchenjahr komplett zu streichen, aber gerade die Geschehnisse in Reutlingen schlagen dem Faß die Krone ins Gesicht. Oder so ähnlich. Zum ursprünglich angesetzten Termin für dieses Spiel herrschten in ganz Deutschland 20 und mehr Grad - nur über der Reutlingener Kreuzeiche flockte es, was das Zeug hält. Aber das sind ja nur die Randdaten. Eigentlich hätten wir gar nicht gegen die spielen dürfen! Die haben sich doch ihre Lizenz nur erschlichen. Sind ja gerade dafür bestraft worden. Auf der einen Seite Bilanzfälschung und ähnliche Machenschaften. Auf der anderen Seite solides (?) Wirtschaften... Sowas sollte belohnt werden. Entscheidung am grünen Tisch: 3 Punkte und 3:0 Tore für Chemnitz.
So, schon fertig. Sechs Spiele, vier gewonnen, eins remis, eins verloren. Siegwahrscheinlichkeit in Maggiburg 67%. 9:4 Tore, macht im Schnitt: 1,5:0,7 - also solide gerundet 2:1 für die Guten. Vielleicht etwas mutig angesichts der Verletztenliste, aber was soll's. 56.201 Zuschauer (davon 87 Chemnitzer) verfolgen die Partie im restlos ausverkauften Ernst-Grube-Stadion. Rings um das Stadion, auf dem Universitätsplatz und im Dom werden Großvideowände installiert, so daß insgesamt rund 452.000 Menschen, unter ihnen der CSU-Kanzlerkandidat Stoiber nebst Wahlkampf-Entourage sowie natürlich der gesamte Vorstand und die Lizenzspielermannschaft der FC Bayern München AG, das Spiel verfolgen können. Torschütze für Magdeburg ist Hannemann (14', abgefälschter Freistoß), für Chemnitz treffen Prymula (38') und Bustos (61') mit Sonntagsschüssen aus der zweiten Reihe.
Ritter Runkel.
Träger der Timur-und-sein-Trupp-Medaille in Himmelblau
PS: Ein herzliches Dankeschön an Drehhut für die Bereitstellung der Programmhefte und für viele gute und lustige Einfälle. Wir werden das jetzt mal öfter machen... Glaubst Du immer noch, daß die Kellnerin aufsilikoniert war... ?