Der Abstieg

12.06.1996 von Pierre Schönfeld (Charlie S.)
Rückblick: Samstag, 17.13 Uhr : Tor von Silvio Meißner in der vorletzten Spielminute. Das Sportforum wankt. Wohl bei keinem CFC-Tor wurde in den letzten Jahren so gejubelt wie bei diesem Treffer.
Drei Minuten später aber ist alles aus ! Soeben wurden die Ergebnisse aus Mainz und Wattenscheid eingeblendet und somit ist klar, daß dieser so leidenschaftlich erkämpfte Sieg gegen den VfB Lübeck nur noch statistischen Wert hat. Nach 5 Jahren Zugehörigkeit zur 2.Bundesliga müssen die Himmelblauen den schweren Gang in die Regionalliga antreten.
Wut, Trauer und tiefe Enttäuschung bei den Fans. Viele, darunter auch ich, können einfach nicht begreifen, wie es zu diesem Abstieg kommen konnte. Denn noch zur Halbserie standen die Himmelblauen auf einem 6. Platz und hatten gute Chancen, um den Aufstieg mitzuspielen. Bis dahin hatte der Club auch einige tolle Spiele abgeliefert, unter anderem gegen die Erstligaaufsteiger Bielefeld und Duisburg gewonnen und beim 2:2 in Bochum eine seiner besten Saisonleistungen gezeigt. Die neuen Spieler waren gut integriert und zeigten teils überragende Leistungen (Fuchs).
Umso überraschender dann der Leistungsabfall nach der Winterpause. Zeigte man in Nürnberg und Wattenscheid noch ansprechende Leistungen und hätte diese Spiele mit etwas mehr Konsequenz durchaus gewinnen können, so stellte die 0:4 Heimniederlage gegen Wolfsburg den Anfang vom Ende dar. In der höchsten Heimschlappe seit der Teilnahme an der 2.Liga ließ man jegliche Spielkultur und was noch schlimmer ist auch Kampfkraft vermissen. Von der einst von allen Gegnern gefürchteten Heimstärke der Himmelblauen (es gab schon mal ganze Spielzeiten ohne Heimniederlage) war nichts mehr zu sehen. Nur 2 der 9 Heimspiele in der Rückrunde konnten gewonnen werden. Was im Nachhinein gesehen besonders wehtut ist, daß gegen die Mitabstiegskonkurrenten Mainz 05 und Hertha BSC jeweils die Spiele im Sportforum verloren wurden.
4 Niederlagen in Folge brachten die Himmelblauen dann endgültig in die Abstiegszone und nachdem das Auswärtsspiel in Hannover trotz 1:0 Führung auch noch verlorenging, alle anderen vom Abstieg bedrohten Mannschaften jedoch punkteten, mußte man sich endgültig mit dem Thema Regionalliga vertraut machen.
Im letzten Heimspiel zeigte man endlich mal wieder die lang vermißte kämpferische Einstellung, hätte man diese schon eher gezeigt, wäre man mit Sicherheit nicht abgestiegen. Doch das Verhindern des Abstiegs aus eigener Kraft hatte man schon mit dem vorletzten Spiel aus der Hand gegeben, so daß man auf doppelte Bochumer Hilfe angewiesen war. Doch beim Mitabsteiger SG Wattenscheid hatte man das Gefühl sie konnten nicht und Zweitligameister VfL Bochum spielte gegen Mainz mehr wie ein Absteiger. Wenn ich da an den Ausspruch von Klaus Topmöller nach dem Sieg in Chemnitz denke : "Wir wollen keine Wettbewerbsverzerrung ...".
Doch daran den Abstieg der Himmelblauen fest zu machen ist mit Sicherheit falsch. Eine Ursache war wohl die sonst nie dagewesene Unruhe, welche fast die gesamte Rückrunde bei den Himmelblauen herrschte. Erst das Hickhack um den Wechsel von Meißner und Gerber nach Bielefeld, dann ein Präsidium, welches sich zu keiner klaren Stellungnahme im Falle der Vertragsverlängerung von Trainer Häfner entschließen konnte. Auch ist kaum zu verstehen, warum man den Trainer nicht schon im März entließ, als man erkannte, daß die Mannschaft nicht fit war.
Nun ist man also abgestiegen und man wird wohl erst im Laufe der Zeit realisieren können, welchen großen Schaden der Club damit genommen hat. Denn das gute sportliche Potential (ich bin immer noch der Meinung, wir hatten diese Saison eine der besten Mannschaften der 2.Liga) wird der CFC jetzt verlieren. Spieler wie Gütschow, Panadic, Melzig, Hecker werden wohl nicht zu halten sein. Bleibt zu hoffen, daß wenigstens Henri Fuchs, um den man sich intensiv bemüht, seine Zukunft nicht außerhalb von Chemnitz sieht. Hinzu kommt, daß ein Wiederaufstieg nicht automatisch passiert und man in der Regionalliga auf harte Konkurrenz aus Berlin, Aue, Cottbus und Dresden treffen wird.
Um aber nächste Saison mehr Erfolg zu haben als in der letzten, müssen unbedingt Konsequenzen gezogen werden. So brauchen wir im CFC-Präsidium mindestens einen Mann, der auch Ahnung von Fußball hat und die Situation der Mannschaft richtig einschätzen kann. Auch eine kritischere Sicht im Präsidium bei der Bewertung der eigenen Leistung könnte nicht schaden. Beim Neuaufbau des Teams sollte meiner Meinung nach ein sauberer Schnitt gemacht werden und Spieler, welche in den Spielen der letzten Saison in schöner Regelmäßigkeit versagt haben, nicht zum Kern einer neuen Mannschaft werden. Auch den Umzug in die "Fischerwiese", mit welcher sich die meisten Fans mehr identifizieren, als mit dem Sportforum, würde ich begrüßen.
Schafft man es einige Routiniers, wie Wahl und Fuchs, zu halten und um sie herum eine junge hochmotivierte Mannschaft aufzubauen, so sollte der sofortige Wiederaufstieg kein Wunschtraum bleiben.

Denn: Chemnitz gehört in den bezahlten Fußball!