"Etwas Nützliches für die Gesellschaft tun" - Vertreter der Fanszene und vom Fanprojekt über die Spendenaktion für die Tafel
04.05.2020, 07:32 Uhr | 2418 Aufrufe
Seit dem Ausbruch der Corona-Krise unterstützen das AWO Fanprojekt Chemnitz zusammen mit dem Fanszene Chemnitz e.V. die Chemnitzer Tafel. Diese versorgt notleidende Chemnitzer Bürger mit dringend notwendigen Lebensmittelspenden. In einem gemeinsamen Aufruf bitten sie die Bürger der Stadt Chemnitz um Unterstützung.
Die CFC-Fanpage sprach mit Vertretern des AWO Fanprojekt Chemnitz (Franziska Junker) und der Fanszene Chemnitz (Markus Müller, Philipp Uhlig, Andreas Georgi) zu der Aktion.
Während der Corona-Krise habt ihr mit zwei Hilfsaktionen auf Euch aufmerksam gemacht. So habt ihr Anfang März zu Spenden für die Chemnitzer Tafel aufgerufen und erst kürzlich zur Blutspende. Was ist Eure Motivation für diese Aktionen?
Andreas Georgi: Ist vielleicht etwas untypisch, aber da gibt es einen schönen Satz von Erich Kästner: „Es gibt nichts Gutes, außer: man tut es.“ Unsere Motivation ist es, in dieser Situation hier und in unserer Stadt einfach etwas Nützliches für die Gesellschaft zu tun.
Natürlich ist Fußball für uns und viele andere wichtig. Die aktuelle Situation hat uns aber die Frage gestellt, was derzeit das Wichtigste ist und wem am dringendsten geholfen werden muss. Und nach unserer Auffassung sind das in allererster Linie die Bedürftigen und Kranken.
Und diese Überlegung hat uns zu den beiden Aktionen geführt.
Bei der Blutspendenaktion waren die Chemnitz Crashers dann etwas schneller. Aber so, wie wir es auch in unserem gemeinsamen Aufruf bereits geschrieben haben: es darf nicht darauf ankommen, wer eine Idee als erstes hatte oder damit begonnen hat. Wichtig ist nicht schnelllebige Publicity, sondern Inhalt und Nachhaltigkeit. Insofern bietet diese gemeinsame Aktion zugleich auch die Chance, die Vernetzung der Vereine der Stadt positiv zu beleben. Wir hoffen, dass sich auch mit Wiederbeginn des Trainingsbetriebes in den Vereinen der Aufruf noch weiter verbreitet und sich viele Vereine anschließen.
Wie war die Resonanz auf die Tafelspendenaktion?
Franziska Junker: Ich bin ehrlich: ich persönlich hätte mir von Anfang mehr Spender*innen erwartet bzw. gewünscht, unabhängig von deren Spendenmenge.
Wir hatten erwartet, dass es auch Spender geben würde, die uns wegen kleiner Spenden kontaktieren und wir deshalb viel unterwegs sein würden, um nennenswerte Mengen zusammenzubekommen. Am Ende beziehungsweise bisher war es dann aber genau umgedreht. Die Mengen, die gespendet wurden, waren überwältigend. Deshalb ist diese Aktion aus meiner/unserer Sicht bisher sehr erfolgreich gelaufen.
Am Ende zählen das soziale Engagement jedes einzelnen Spenders von Lebensmitteln und die hohe Einsatzbereitschaft der beteiligten Akteure.
Wenn jemand bei der Spendenaktion für die Tafel mitmachen möchte – wie kann er das am besten?
Franziska Junker: Menschen, die gern Lebensmittel spenden möchten, können sich jederzeit einfach telefonisch
(0163/4158229) oder per Mail
(tafelspende@fanszene-chemnitz.de) bei uns melden.
Wir erklären dann das weitere Prozedere, um die hygienischen Standards sicherstellen zu können und beraten außerdem bei der Auswahl der Spenden. Anschließend vereinbaren wir einen konkreten Tag und ein ungefähres Zeitfenster für die Abholung und holen die Lebensmittel bei den Spendern ab. Am nächsten Morgen übergeben wir dann die vielen Lebensmittelspenden an die Mitarbeiter*innen der Tafel Chemnitz.
Nach mehr als vier Wochen sind wir in den einzelnen Arbeitsschritten schon fast ein bisschen routiniert. Das zeigt, wie gut und schnell sich soziales Engagement in schweren Zeiten gemeinsam umsetzen lässt.
Man kann jetzt auch Geld für die Tafelaktion spenden, von denen ihr Lebensmittel für die Tafel einkauft. Wie darf man sich das dann vorstellen? Schreibt ihr Euch einen großen Einkaufszettel, fahrt damit zum Supermarkt und packt den Transporter voll?
Markus Müller: Im Wesentlichen funktioniert es genau so. Das Geld der Spender wird gesammelt und für den Einkauf genutzt.
Die Spender können uns dabei auch ihre Einkaufswünsche übermitteln und bekommen ein Foto des Einkaufs, wenn sie das möchten.
Der Einkaufszettel ist bei uns tatsächlich ein heiß diskutiertes Thema. Es läuft aber so wie du dir das vorstellst. Wir gehen in den Supermarkt unseres Vertrauens und kaufen die Lebensmittel ein, die von der Tafel am dringendsten benötigt werden. Wir tauschen uns dazu regelmäßig mit den Mitarbeitern der Tafel aus. Meist sind das Fisch- und Fleischkonserven sowie allgemein möglichst lange haltbare Lebensmittel.
Die Tafelspenden-Aktion wurde ja auch auf den sozialen Kanälen des CFC bekannt gemacht. War das eine offizielle Absprache und wird es weitere Zusammenarbeiten in diese Richtung geben?
Markus Müller: Wir haben uns mit den Mitarbeitern des CFC abgesprochen, richtig. Da wir uns im regelmäßigen Austausch mit den Verantwortlichen befinden, sprechen wir natürlich auch über geplante Aktionen.
Dies wurde nicht zuletzt in der gemeinsamen Runde mit der Vertriebsabteilung des CFC auch getan. Gerade bei einer sozialen Aktion wie dieser ist eine möglichst hohe Reichweite wichtig. Dabei helfen natürlich die Social-Media-Kanäle des CFC. Und der Verein hat hier im Sinne der guten Sache gern geholfen.
In der Zukunft ist die Zusammenarbeit weiterhin möglich und sinnvoll. Andere Vereine zeigen ja gerade in der Corona-Krise, wie sie in Zusammenarbeit mit den Fans kreative Aktionen auf die Beine stellen.
Wie fandet ihr die Aktion „Unterstützerticket“ vom Verein?
Philipp Uhlig: Von vielen Anhängern wurde bekanntlich von einer „verpatzten Chance“ gesprochen. Bei einer Aktion dieser Größenordnung ist es in unseren Augen wichtig, die Zielgruppe – also uns Fans – bereits in die Planungen zu involvieren, damit solche Projekte von Beginn an die bestmögliche Reichweite und Akzeptanz genießen. Leider wurde dies vom CFC verpasst, denn weder wir, die Ultra-Szene, noch Fanclubs oder Mitglieder waren in den Prozess eingebunden. Dass zudem zehn Prozent der Einnahmen direkt an ETIX als Ticketanbieter gingen, hatte von vornherein einen weiteren bitteren Beigeschmack. Einmalige T-Shirts, besondere Eintrittskarten, ein virtueller Trip in die Geschichte unseres Vereins: Andere Clubs haben gezeigt, was da möglich gewesen wäre. So hat der CFC einmal mehr das vorhandene Potenzial nicht wirklich ausnutzen können. Das haben wir auch Herrn Manig und Herrn Klotke von der Marketing- und Vertriebsabteilung vor zwei Wochen mitgeteilt, als diese uns zu einem konstruktiven Gespräch ins Stadion eingeladen hatten.
Trotz allem sind natürlich knapp 50.000 Euro generierte Einnahmen eine ordentliche Zahl. Schön wäre es gewesen, wenn man bis dato erfahren hätte, ob und welche sozialen Einrichtungen unserer Stadt mit dem Geld ebenfalls finanziell unterstützt werden.
Hand auf’s Herz – wie sehr fehlt Euch der Fussball am Wochenende? Und wie steht ihr zur heiß diskutierten Frage – Abbruch der Saison oder Fortsetzung mit Geisterspielen?
Philipp Uhlig: Es sind natürlich auch für uns schwere Zeiten. Nicht nur die 90 Minuten auf dem Platz fehlen uns, auch und vor allem der Austausch mit anderen Anhängern bei Auswärtspartien oder an unserem Fanstand auf der Fischerwiese wird schmerzlich vermisst. Durch unsere vielfältigen Aufgaben haben wir in den vergangenen Jahren eine Menge an Kontakten in der himmelblauen Anhängerschaft knüpfen können, die wir aktuell leider nur virtuell pflegen können.
Wir vertreten die klare Haltung, dass Geisterspiele zum jetzigen Zeitpunkt eine Farce darstellen und schließen uns hierbei dem Statement der aktiven Fanszenen Deutschlands an. Der Fußball darf keine Sonderstellung in Zeiten einnehmen, in denen andere Dinge in der Gesellschaft Priorität genießen müssen.
Überrascht hat uns das Vorgehen der CFC-Führung. In dem zunächst veröffentlichten Positionspapier stand unter anderem geschrieben, dass die Rückmeldungen der Fans zu diesem Thema beachtet wurden. Einerseits fand kein Dialog statt, und zum Zweiten war die Sichtweise der Anhänger am vergangenen Dienstagabend augenscheinlich doch nicht mehr relevant. Hier bedarf es in unseren Augen dringend klärender Gespräche zwischen Fans und Verein.
Die CFC-Fanpage bedankt sich für das Interview.
Das Interview führte Pierre Schönfeld. Surftipp:»
Zum Spendenaufruf auf den Seiten der Fanszene