Einmal in den Himmel und zurück - die Hinrunde des Chemnitzer FC
04.12.2014 von Pierre Schönfeld( 199)
Mit 28 Punkten Platz 11 in der Liga, im Pokal erst in der 2. Runde am Erstligisten Werder Bremen gescheitert, souverän das Halbfinale im Sachsenpokal erreicht. Hätte mir das jemand vor der Saison so prophezeit, ich hätte es dankend unterschrieben. Für eine Mannschaft im Umbruch hätte mir das als eine formidable Zwischenbilanz erschienen. Doch jetzt, am Ende der ersten Halbserie, nur wenige Wochen vor der Winterpause will keine wirkliche Zufriedenheit aufkommen. Schuld ist der Saisonverlauf, die Entwicklung der letzten Wochen und unangenehme Nebengeräusche.
Plötzlich Spitzenreiter
Was war das für ein grandioser Saisonstart?! Halle zum Auftakt sensationell im Wabbel-Stadion mit 3:0 weggebügelt, den alten Rivalen aus Osnabrück souverän mit 2:0 besiegt, den hochgehandelten Arminen aus Bielefeld ein 0:0 abgetrotzt, beim Aufsteiger aus Köln mit 2:1 gewonnen. Der CFC führte plötzlich diese dritte Liga an. Souverän. Als Prunkstück der neuformierten Mannschaft kristallisierte sich die Abwehrreihe heraus. Mit den Neuzugängen Marc Endres als Abwehrchef, Nils Röseler in der Innenverteidigung, Dan-Patrick Poggenberg die Leihgabe aus Wolfsburg auf der linken Seite und dem etablierten Kevin Conrad auf rechts bildeteten sie ein kaum zu überwindendes Bollwerk. Und wenn da mal was durchkam, war da ja noch Philipp Pentke. Liebling der Fans und mit den Jahren stabilisiert. Dachte man zumindest.
Drama gegen Mainz
Der Höhepunkt der Vorrunde war das DFB-Pokalspiel gegen Mainz. An einem Freitagabend im August sahen 10.000 Zuschauer ein Spektakel wie sie es zuvor wohl noch nie erlebt hatten. Kurz nach der Pause führte der Favorit souverän mit 2:0. Doch dann geschah Unfassbares auf der Baustelle Fischerwiese. Wie Phoenix aus der Asche erwachte Chemnitz. Fink schlug doppelt zurück, auch der erneute Rückstand konnte diese Chemnitzer Mannschaft nicht schocken. 3:3 nach 90 Minuten und das Drama ging weiter. Ziereis mit dem 4:3 für Chemnitz, Mainz schlug zurück. Kehl-Gomez beförderte Chemnitz in den Himmel, Penne per missglücktem Abschlag und Geis mit einem Tor des Jahres stiessen den CFC wieder in die Hölle. Elfmeterschiessen - Garbu, Türpitz, Hofrath, Kehl-Gomez und Käpt'n Fink kalt wie Hundeschnautze. Penne hielt gegen Jara. 10:9 für die Guten endeten 120+x unvergessliche Minuten.
Danach war Schluss für Block 3 und 4. Jahrzehntelang Heimstatt vieler Fans - nun der Abriss. Was für ein Abschluss!
Erste Niederlage und dann zurück in der Erfolgsspur
Ein Unentschieden daheim gegen Duisburg und die erste Saisonniederlage bei den ebenfalls vorn mitspielenden Stuttgarter Kicker sollten folgen. Auf die Pleite in Stuttgart antwortete der Club mit drei Siegen in Folge. Unterhaching und die vor sich hin dümpelnde Hansa-Kogge wurden jeweils mit 2:0 besiegt. Dann ging's nach Dortmund wo der CFC in der letzten Jahr den Tiefpunkt der Saison mit dem Mauersberger Eklat und einem sang- und klanglosen 0:3 erlebte. Diesmal waren die Himmelblauen mit 3:1 erfolgreich und grüßten den Rest der Liga vom Platz an der Sonne. Kurz vor Ablauf der Transferperiode wurden die Himmelblauen nochmal aktiv. Aus Holland kam das angebliche Megatalent Hölscher zum Club, vom Ligakonkurrenten Kiel lotste Sportchef Beutel den dort in Ungnade gefallenen Mittelfeld-Spieler Tim Danneberg zum Club. Während ersterer bislang nur durch eine lange Sperre in der 2. Mannschaft auffiel, avancierte Danneberg in seinen ersten Spielen zum Stammspieler und erzielte auch zwei wichtige Tore.
Den drei Siegen schloss sich am 9. Spieltag eine Nullnummer bei den Stuttgart-Bubis und die erste Heimpleite, ausgerechnet gegen Energie Cottbus an. Obwohl der Club hochüberlegen war, nahm am Ende Cottbus die drei Punkte mit in die Lausitz.
Niederlage in Dresden und Causa Garbu
Trotzdem trohnte der CFC weiter auf dem ersten Platz und so fieberte jeder dem Sachsenderby gegen den Tabellenzweiten von Dynamo Dresden entgegen. 85 Minuten lang sah vor 30.000 Zuschauern im ausverkauften Dynamo-Stadion alles nach einem friedlichen 0:0 aus, als Penne einer dieser Patzer passierte, der ihn am Ende den Stammplatz im Kasten kosten sollte. Bei einer Flanke an die Strafraumgrenze kam der 29jährige raus und hatte den Ball - eben nicht. Dafür Dynamos Convalius. Kopfball. Tor. Jubel mit Sprung in den Block. Trikot-Ausziehen. Gelb-rote Karte für den Torschützen. Riesenchance zum Ausgleich - vergeben. Schlusspfiff. Verloren.
Die Niederlage schien gut verkraftet, als der CFC zunächst das Heimspiel gegen Preussen Münster mit 1:0 (Tor Danneberg) gewinnen konnte und dann Post Dresden an der Chemnitztalstrasse 9 Eier ins Nest legte.
Doch jetzt sollte die Zeit der Leiden beginnen. In Erfurt sorgten ein Flatterball, den Penne nicht festhalten konnte und ein Konter mit dem Schlusspfiff für eine vermeidbare 0:2 -Niederlage. Kurz vorher begann das Rätselraten um Ronny Garbuschewski. Hatte er nun einen Autounfall inklusive Gehirnerschütterung auf dem Weg von Leipzig nach Chemnitz? So zunächst die offizielle Version. Bis heute wird in den offiziellen Pressemitteilungen des Vereins verkündet, dass sich die Nummer 7 im Rehatraining nach einer Gehirnerschütterung befindet, obwohl es die Spatzen von den Dächern pfeifen, dass da mehr gewesen sein muss. Wie auch immer, ein Garbu - fit in den Beinen und im Kopf hätte der Mannschaft in den Folgewochen wohl mehr als gut getan.
Kein erneutes Pokalwunder und Abrutschen in der Tabelle
Als Einstimmung zum Zweitrunden-Pokal-Schlager gegen Werder gab es ein 0:0 gegen Dannebergs ehemalige Mannschaftskameraden aus Kiel. Dann Dienstagabend, 20 Uhr, Liveübertragung bei Sky - es war für das grosse Pokalmatch angerichtet. Vor über 10.000 Zuschauern, die auf den beiden neuen Tribünen, einem Provisorium am schwarzen Weg und den Resten der ehemaligen Haupttribüne Platz fanden, blieb das Wunder diesmal aus. Weil das Glück beim Pfostentreffer von Fink und ein Klassekeeper fehlten. Penne war doppelt indisponiert und in Folge seinen Stammplatz los. Maximilian Reule hiess von da an die neue Nummer 1 im Kasten des CFC.
Doch der Wurm war drin. Sang- und klanglos verlor die Heine-Elf in Wiesbaden. Insbesondere im Angriff war die Mannschaft an Harmlosigkeit nicht zu überbieten.
Hoffnung kam auf, als der CFC nach kämpferischer Ankündigung durch Bankdrücker Danneberg, den Jahn aus Regensburg mit 4:1 nach Hause schickte. Aber es war halt nur der Letzte der Tabelle, was sich insbesondere im Abwehrverhalten der Regensburger, welches z.T. Slapstickcharakter hatte, manifestierte.
Der generelle Negativtrend sollte sich auch in den beiden letzten Spielen der Hinrunde zeigen. Bei einem mehr als biederen Aufsteiger von Sonnenhof-Großaspach hämmerte erst Fink einen (unberechtigten) Elfer an den Pfosten, dann schlug es zweimal hinter Reule ein. Im Heimspiel gegen Mainz 05 II, der zu dem Zeitpunkt auf einem Abstiegsplatz rangierte, sah der auf einigen Positionen umgestellte Club erneut keinen Stich. Auch die (bis dato beste) Abwehr (der Liga) liess sich mit einfachen Mittel übertölpeln. So war der CFC am Ende mit dem 1:2 noch richtig gut bedient.
Was Trainer Heine danach geritten hatte, zu behaupten, seine Mannschaft wäre im Verlauf der Vorrunde nicht schlechter geworden, wird wohl sein Geheimnis bleiben. Denn jeder, der im Stadion war, wird erkannt haben, dass der CFC in Punkto Defensivverhalten, Spielwitz und Umschaltspiel in diesem Kick nur noch ein Schatten der ersten Spiele war.
Fazit
Als Tiger in die Saison gestartet, als Bettvorleger am Ende der Hinrunde geendet?! Nicht ganz. Hoffen wir, dass der Coach recht hat und die Mannschaft nur eine (normale) Entwicklung durchmacht. Dass die nicht zwangsläufig nur negativ sein muss, können die Heine-Schützlinge am Samstag, wenn die Rückrunde beginnt, zeigen. Dann kommt Halle, blöderweise eine der auswärtsstärksten Truppenteile der Liga und gerade im Aufwärtstrend. Doch die Ausgangssituation ist wieder wie zu Saisonbeginn. Auch da hätten dem CFC gegen Halle nur die wenigsten etwas zugetraut. Das Ende ist bekannt.