Als beim FC Karl-Marx-Stadt und dem CFC „gemüllert“ wurde
19.12.2023, 10:10 Uhr | 4161 Aufrufe
Als Stadionsprecher Olaf Kadner in der Hinrunde beim letzten Heimspiel gegen Viktoria Berlin zum Mikrofon griff und auf der Fischerwiese die Aufstellung der Himmelblauen verkündete, las er einmal „Felix“ und einmal „Tobias“ vor und die Südkurve antwortete lautstark mit „Müller“. Jawohl, denn seit dieser Saison werkeln durch Neuzugang
Felix Müller wieder zwei „Müllers“ beim Club. Kapitän
Tobias Müller ist ja bereits seit 2018 ein Himmelblauer. Der CFC setzt damit - eher unbewusst - eine historische Linie fort, die schon beim FC Karl-Marx-Stadt Tradition hatte. Dort tummelten sich an manchen Spieltagen gleich drei Müllers auf dem Spielfeld. Zählt man Namensvetter Frank Eitemüller noch dazu, gab es in manchen Partien sogar eine vierfache „Müllerei“ beim FCK.
Schon bei der Club-Gründung im Januar 1966 hatte Cheftrainer Horst Scherbaum zwei Defensivspezialisten namens
Albrecht und
Peter Müller im Kader. Albrecht (geboren 1939) war der Erfahrene, Peter, der Jüngere (geboren 1946), war gerade aus dem SCK-Nachwuchs in die erste Elf aufgerückt. Beide gaben der FCK-Abwehr im Meisterjahr 1966-67 erstklassigen Rückhalt. Mit nur 23 kassierten Toren war der FCK auch Defensiv-Spezialist in der Jubel-Saison. Albrecht M. absolvierte 24 Partien, Peter M. sogar alle 26 Meisterspiele komplett, ohne Ein- oder Auswechslung.
Im September 1968 wurde Meister-Coach Horst Scherbaum durch
Bringfried Müller ersetzt, womit nun neben den zwei Müllers auf dem Rasen (A. und P.) auch auf der Trainerbank gemüllert wurde. Glück brachte dies keins, denn der FCK stieg unter B. Müller im Sommer 1970 ab. Bringfried M. (verstorben 2016) war übrigens der Ehegatte der weltweit bekannten - und erst kürzlich verschiedenen - Chemnitzer Eiskunstlauf-Trainerin Jutta Müller. Ein legendäres Husarenstück vollbrachten die drei Müllers allerdings: In der Saison 1968-69 warf man Wismut Gera
mit 5:3 aus dem FDGB-Pokal, nachdem der Club zur Halbzeit daheim auf der Fiwi noch aussichtslos mit 0:3 hinten lag.
In der Folgesaison 1970-71 in der DDR-Liga begann der Stern des nächsten himmelblauen Müllers aufzusteigen. Ein 18-jähriger Jungspund namens
Joachim M. knallte den Gegnern zwölf Mal die Bälle ins Netz und sorgte entscheidend für den sofortigen Wiederaufstieg des FCK in die DDR-Oberliga. Er sollte in den nächsten Jahren zum uneingeschränkten Regisseur des FCK-Mittelfeldes werden, von dessen Tagesform das ganze Spiel des Clubs abhängen konnte. Auch in die Nationalmannschaft der DDR wurde J. Müller 5x berufen, aber sein langer Haarschopf und kirchliche Überzeugungen sorgten bei den SED-Genossen für wenig Begeisterung.
Bis 1977 kickte Joachim M. zusammen mit Routinier Peter Müller in der DDR-Oberliga, bis im Sommer mit
Andreas Müller aus dem FCK-Nachwuchs das dritte „M“ auftauchte. Ab der Saison 1977-78 mussten die Stadionsprecher bei der himmelblauen Aufstellung oft 3x Müller vorlesen: Peter, Joachim und Andreas. Und einen
Frank Eitemüller, der auch in dieser Zeit spielte. Diese dreieinhalb Müllers schafften zum Beispiel am 14. Spieltag der Saison 1977-78 einen der seltenen
Auswärtssiege bei Vorwärts Frankfurt - garniert durch Tore von A. Müller und Eitemüller.
Meisterspieler Peter Müller hängte seine Schuhe 1979 an den Nagel und arbeitete fortan als Mannschaftleiter und späterer Leiter der CFC-Geschäftsstelle. Seinen Platz auf dem Rasen übernahm
Klaus Müller, der von Dynamo Dresden zum FCK kam, im Tausch gegen Stürmer Wolfgang Ihle. Nach 13 Spielen war bereits wieder Schluß, Ihle kam zurück und Klaus M. wurde im September 1980 wieder ein Schwarz-Gelber. Die verbliebenen Andreas M. und Joachim M. sorgten u.a. in der Saison 1981-82 mit ihren Toren für die FCK-Siege gegen RW Erfurt (3:1) und Buna Schkopau (6:0). Joachim Müller beendete seine Karriere 1986 und wurde nach der Wende zweimaliger Cheftrainer des CFC,
Andreas Müller hörte 1987 auf und kickte anschließend für Stahl Riesa und die BSG Motor „Fritz Heckert“ Karl-Marx-Stadt.
Bereits 1988 fand die „Müllerei“ eine Fortsetzung.
Detlef Müller kam aus Riesa zum FCK und stieg unter dem legendären Cheftrainer Hans Meyer zum Kapitän der Himmelblauen auf. Er stand in allen acht EC-Spielen auf dem Platz und qualifizierte sich mit dem nun in Chemnitzer FC umbenannten Verein für die zweite Bundesliga. Ausgerechnet in dieser Quali-Saison 1990-91 überwarf er sich mit Coach Hans Meyer, der ihn ab dem 8. Spieltag nicht mehr einsetzte. In den damaligen Gazetten wurde fleißig debattiert, ob dieses Zerwürfnis ein Grund gewesen sein könnte, weshalb der CFC das erklärte Ziel erste Bundesliga nicht erreichen konnte. Zu gleicher Zeit (von 1988 bis 1991) kickte mit
Tino Müller ein weiteres „M“ auf der Fischwiese, er kam aber nur zu sporadischen (12 Spiele) Einsätzen.
Der letzte Vertreter der himmelblauen „Müllerei“ kam im Sommer 2007 nach Chemnitz:
Anton Müller. Er blieb für zwei Jahre in Westsachsen, verhalf dem CFC zum „Aufstieg“ von der Oberliga Nordost-Süd in die neu strukturierte Regionalliga Nord und zog 2009 nach Babelsberg weiter. Seine beiden Tore teilte sich der Mittelfeldakteur genau ein: Eins in der Saison 2007-08 und eins 2008-09. Die Tradition der Müllers wurde nach seinem Abschied erst mit dem jetzigen Kapitän Tobias M. fortgesetzt, der im Sommer 2018 von Viktoria Köln nach Chemnitz wechselte, und nun mit Felix M. einen weiteren Namens-Mitstreiter an seiner Seite hat.
Wünschen wir uns und den aktuellen Müllers gutes Gelingen und einen verdienten Platz in der Club-Historie! Und natürlich erst einmal - ein frohes Fest!