Spielbericht

6. Spieltag - Regionalliga Nord - Saison 2008/2009
Chemnitzer FC
Chemnitzer FC
1:1
Hannover 96 II
Hannover 96 II

Gruselspiel vor Geisterkulisse

von Erik Büttner & Frank Neubert

Es war wohl das ungewöhnlichste und zuschauerärmste Spiel des Chemnitzer FC in den letzten Jahren. Nur 1.000 Zuschauer durften der Partie von den Rängen der Fischerwiese aus zusehen. Auch sportlich war diese Begegnung limitiert. Das aber hatte sich "der Club" selbst zuzuschreiben. Wenigstens reichte es beim Abpfiff noch zu einem 1:1 und dem zweiten Heimpunkt in der laufenden Regionalligasaison.

Die "handverlesenen Zuschauer" (O-Ton Pressebetreuer Gerhard Oertel) verteilten sich ausschließlich auf den Sitzplatzbereich der Haupttribüne. Ca. 300 Karten kamen in den freien Verkauf und einige davon waren überraschenderweise sogar noch am Samstagvormittag zu haben. Auch die Südkurve hatte eine Abordnung auf die Tribüne bekommen, Stimmung war also trotz allem garantiert. Einziger besetzter Stehplatzbereich war der Gästeblock. Dort hatte sich die 96iger A-Jugend eingenistet, die am Sonntag ebenfalls in Chemnitz gastierte und deshalb schon mit angereist war.

Wer nicht im Stadion untergekommen war und trotzdem "Bock" auf himmelblauen Fussball hatte, der war in der Fanhalle bestens aufgehoben. Bereits in der Vorwoche liefen erste Aktivitäten der "Brigade Süd" an, um zusammen mit dem Fanprojekt und der Fanbeauftragten dafür zu sorgen, daß das Spiel auf einer Leinwand in der Fanhalle live übertragen werden konnte. Dank dem Entgegenkommen des MDR und der Technik von Sachsen-Fernsehen konnte das große Vorhaben tatsächlich gestemmt werden. Für 4 Euro Eintritt gab es in der Halle Live-Fussball, und die eingenommenen Gelder gingen direkt als Spende an den CFC.

Um 14.01 Uhr pfeift der junge Schiedsrichter Simon Marx aus Würzburg die Partie an. 6 Minuten später stehen die himmelblauen Akteure schon wieder am Anstoßpunkt - Hannover führt 1:0. Nach einem Freistoß kontert 96 über den quirligen Ali Moslehe. Erst Jörg Emmerich, dann noch Marcel Wilke lassen den gerade der A-Jugend entwachsenen Angreifer gewähren und in die Mitte passen. Dort düpiert Nick Proschwitz Chemnitz' Frank Gerster und Mike Baumann und schiebt zum 1:0 ein. "Über unsere Verteidigungsarbeit kann man nur den Kopf schütteln." Das sei kreisligamäßig, kommentiert CFC-Trainer Gerd Schädlich später die Szene. Ein erboster Zuschauer hat mit "Frührentner" Emmerich den klaren Schuldigen schon gefunden. Und die Südkurven-Abordnung singt unbeirrt weiter.

Nach der anfänglichen Freude über die bewegten Bilder von der heiligen Fischerwiese, verbunden mit ersten Schlachtrufen, wird es nach der Führung der Gäste schnell ruhig in der Fanhalle. Frust und Enttäuschung über den schnellen Rückstand greifen spürbar um sich. Zwar gibt es auch weiterhin spontane Anfeuerung, und in die aus dem Stadion übertragenen Gesänge wird gern mit eingestimmt, aber die ganz große Stimmung will angesichts des Rückstandes nicht aufkommen.

Kelle nach dem SchlusspfiffDie Himmelblauen laufen also zum 3. Mal im 5. Spiel einem Rückstand hinterher. Den auswärtsstarken Niedersachsen spielt das in die Karten. Sie können sich in die Defensive zurückziehen und mit ihren pfeilschnellen Angreifern Moslehe und Salvatore Zizzo kontern. Davon machen sie auch Gebrauch, während sich zumindest einige Chemnitzer vergeblich um den Ausgleich bemühen. Einer davon ist der an diesem Tag gute Hendrik Liebers. Sein Volleyschuss nach einer Ecke (32.) ist Chemnitz' beste Szene in Halbzeit 1. Doch H96-Verteidiger Manuel Schmiedebach kratzt den Ball von der Linie. "Da haben wir Glück gehabt, denn wir waren in dieser Phase zu passiv.", ist H96-Trainer Andreas Bergmann erleichtert.

Die CFC-Angreifer reihen sich in diese Passivität ein. Während des gesamten Spiels ist nicht viel von ihnen zu sehen. Steven Sonnenberg ist weitgehend abgemeldet. Und sein Treffer in Rostock scheint Steffen Kellig schon wieder zu Kopf gestiegen zu sein. Er agierte überheblich, ohne Einsatzwille, schnauzt nach eigenen Fehlern Mitspieler an. Seine beste Aktion bleibt das Aufheben der Schieri-Pfeife, die Marx in einem energischen Wortgefecht verloren hatte. Dass auch noch Benjamin Boltze fehlt, macht die himmelblaue Attacke nicht durchschlagsfähiger. In die Pause geht es mit einer Aufforderung zum Wechselgesang in Richtung Fanhalle.

Die Aufforderung zum Wechselgesang wird in der Fanhalle nur zu gern angenommen und mit dem entsprechenden Echo beantwortet. Schade nur, daß kein Mikrophon den Ton auf die Tribüne überträgt. Während der Halbzeit taucht in der Fanhalle CFC-Guru Christoph Franke auf, der in den Tagen zuvor 500 Autogrammkarten anläßlich der Benefiz-Veranstaltung in der Fanhalle signiert hat und auf der Bühne zur ersten Halbzeit Stellung nimmt. Sein Fazit zum Spiel ist verständlicherweise wenig berauschend, interessant ist viel mehr sein ehrliches Bekenntnis zum CFC - dem Verein, den er trotz seines Ausfluges nach Dresden absolut in seinem Herzen trägt.

Aus der Kabine kommt Julius Reinhardt für den schwachen Christian Kunert. Doch das Spiel wird dadurch nicht besser. Im Gegenteil: Hannover kann vermehrt fröhlich kontern. Allein Glück und Torwart Sebastian Klömich ist es zu verdanken, dass der CFC nicht höher in Rückstand gerät. Auch das lautstarke "Aufwachen!" von der Tribüne bringt keine Besserung. In der 3er-Abwehr wackeln besonders Emmerich und Baumann. "Wir haben zu pomadig und langsam gespielt. Deshalb können wir froh sein, dass wir noch den Ausgleich erzielen konnten.", schätzt CFC-Trainer Schädlich völlig korrekt ein. Der Treffer zum 1:1 ist einem der besseren Chemnitzer vorbehalten. Nach einer passgenauen Flanke vom eingewechselten Bachmann auf der rechten Seite köpft Schlosser am langen Pfosten unhaltbar in den kurzen Torwinkel. Der vorher stark steigende Frust auf der Tribüne schwächt sich nun im Jubel der 1.000 ab.

In der mittlerweile gut durchräucherten Fanhalle wird der plötzliche Ausgleich megafett bejubelt. Ein Tor aus dem Nichts. Unerwart und somit um Längen besser und überraschender als ein Treffer nach endlosem Powerplay. Kaum zu fassen, daß ausgerechnet Schlosser, einer der Kleinsten im Team, den Ausgleich per Kopf erzielt! Wilde Anfeuerungsrufe folgen - in der Hoffnung, vielleicht doch noch diese Partie zugunsten des CFC kippen zu können.

Noch gut 10 Minuten sind zu spielen und nun ist die Partie auch einigermaßen sehenswert. Schlosser hat in der Schlussminute sogar den Siegtreffer auf dem Fuß. Auf der anderen Seite aber muss Klömich noch einmal sein ganze Können abrufen, um wenigstens den einen Zähler zu retten. Über den ist dann Schädlich ganz froh: "Mit dem Ergebnis können wir zufrieden sein, mit der Art und Weise natürlich nicht.". Ähnlich enttäuscht zeigt sich sein Pendant Bergmann: "Das späte Tor ist für uns bitter, die Punkteteilung aber nicht unverdient." Auf dem Grün stehen die Spieler in Himmelblau einmal mehr mit hängenden Köpfen. Gerd Schädlich hastet aus dem Innenraum, der erhöhte Blutdruck ist nicht zu verkennen. Baustellen hat er mit kleiner Ausnahme der Torwartposition in allen Mannschaftsteilen. Doch die Beseitigung dieser dürfte schwierig werden. Denn eine Frage stellt sich immer mehr: Welche Spieler sind überhaupt regionalligatauglich...?

Und während sich ein Zuschauer auf der Tribüne immer noch über Jörg Emmerich echauffiert, marschiert die gesamte CFC-Truppe hinüber in die Fanhalle, um mit ihren Fans gemeinsam "abzuklatschen" - mit Emmerich, dem man zugute halten muß, den Kontakt zu den himmelblauen Fans in keinster Weise zu scheuen. Die Mannschaft geht allerdings angesichts der bescheidenen Leistung nur kurz auf die Bühne, Mannschaftskapitän Bauman nimmt kurz Stellung zum Spiel, gelobt Besserung, und verschwindet mit seinen Mannen wieder in den Katakomben der Fischerwiese. Absolut sensationell ist dann die Versteigerung des grasbefleckten Trikots von Steffen Kellig, welches bei einem Gebot von 215,- Euro über den Tisch geht. Der unterlegene Bieter, welcher 200,- Euro investieren wollte, bekommt etwas später nach einigen Bemühungen das Trikot von Bauman für diesen Preis ausgehändigt. Bereits vor dem Spiel hatte die originale Kapitänsbinde von Detlef Müller, dem letzten FCK-Kapitän, satte 51,- Euro in die Benefiz-Kasse gespült.

Wertung: 4,5 - Schlechtes Regionalligaspiel mit glücklichem Ende für den CFC

Beste Himmelblaue: Klömich, Schlosser, Liebers

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6. Spieltag - Regionalliga Nord - Saison 2008/2009
Samstag, 27. September 2008, 14:00 Uhr
Fischerwiese, Chemnitz
Zuschauer: 1.000 (Ausverkauft!)
Schiedsrichter: Marx (Würzburg)
Chemnitzer FC
T Klömich
A WilkeGelbe Karte (64. Thönelt)
A Emmerich
A BaumannGelbe Karte
M Gerster
M Becker
M Kunert (46. Reinhardt)
M Liebers (66. Bachmann)
M Schlosser
S Kellig
S Sonnenberg

Trainer: Schädlich
Hannover 96 II
T Jensen
A Hofmann
A Ibelherr
A Otto
A Schmiedebach
M Ernst
M Moslehe (86. Hilker)
M Hahne(C)
M ZizzoGelbe Karte (90. Lindner)
S YigitusagiGelbe Karte
S Proschwitz

Trainer: Bergmann
Tore
0:1 Proschwitz (6.)
1:1 Schlosser (82.)

Besondere Vorkommnisse:
Aufgrund einer DFB-Strafe durften maximal 1.000 Zuschauer ins Stadion.