Vorbericht

1. Runde - DFB-Pokal - Saison 2019/2020
Chemnitzer FC
Chemnitzer FC
7:8 n.E.
Hamburger SV
Hamburger SV

Spiel mit allerlei Fragezeichen …

von Timo Görner

… auf das man sich bis vor wenigen Tagen durchaus freuen konnte. Es stellen sich die Fragen wie die sowieso verunsicherte Mannschaft den fragwürdigen Abschuss ihres Kapitäns und Leitwolfs verarbeitet hat, wie vor allem die Südtribüne reagiert und ob es nach der Begegnung nicht noch mehr Scherben zusammenzufegen gilt. Der Gast ist haushoher Favorit, konnte zuletzt ein dickes Achtungszeichen setzen.

Das letzte Spieljahr unseres Gegners:

Endete auf dem sportlichen Tiefpunkt der Vereinsgeschichte mit Platz 4 in der 2. Bundesliga. Der Wochen vor dem Ende der Saison noch realistische sofortige Wiederaufstieg wurde bereits vor dem letzten Spieltag aus der Hand gegeben, wobei die "Rothosen" als Topfavorit auf die ersten 3 Plätze neben Köln im gesamten Saisonverlauf selten richtig überzeugten. Der Start mit dem ersten Punktspiel in der 2. Liga überhaupt ging gründlich daneben, Kiel siegte im "Volksparkstadion" mit 3:0. 5 Pflichtspielsiege in Folge mit den Siegen in der Liga in Sandhausen, Dresden und Heimdreiern gegen Bielefeld sowie Heidenheim beförderten die Hamburger auf Rang 1. Alles schien zu laufen. Die nächste kalte Dusche folgte wieder im eigenen Stadion, heftiger gegen Regensburg (0:5), 3 sieglose Spiele standen nach den torlosen Remis in Fürth und im Derby gegen St. Pauli. Es gelang nicht, sich oben abzusetzen. Bis zur Winterpause waren 37 Punkte eingefahren, 1 Zähler vor dem Zweiten aus Köln und 3 auf St. Pauli. Bis zum 1:3 in Kiel zum Abschluss 2018 wurden immerhin 5 Auswärtssiege vermeldet, 6 mit dem Sieg im DFB-Pokal bei Wehen Wiesbaden. Der HSV tat sich auswärts leichter. Die Frühjahrsrunde mit noch mageren 4 Siegen unbefriedigend, die "Rothosen" stolperten an der Spitze und leisteten sich zu viele Patzer. In Bielefeld, Regensburg gab es ärgerliche Niederlagen wie auch das 2:3 gegen Darmstadt. Keine Gegner, die ganz oben mitspielten. Einziger Glanzpunkt das 4:0 am Millerntor. Der Trend gegen Ende ging klar nach unten, im April blieb der HSV komplett sieglos. Holte aus 4 Spielen ganze 2 Punkte und vergeigte das Spitzenspiel bei Union mit 0:2. Blamabel zudem die 1:2-Pleite gegen den späteren Absteiger Magdeburg. Im DFB-Pokal kam zudem das Aus im Halbfinale gegen Erstligist RB Leipzig. Aus dem Tabellenführer wurde der Vierte, der schon Platz 3 nicht mehr aus eigener Kraft schaffen konnte. Platz 2 war 1 Zähler entfernt, das "Endspiel" in Paderborn nach weiterer Heimniederlage gegen einen Absteiger mit Ingolstadt (0:3) wurde verdient verloren. Die Ostwestfalen durften am letzten Spieltag feiern. Den Wiederaufstieg verhinderten eine zu magere Torausbeute mit 45 – 9 erzielten mehr – und eine nur mittelmäßige Heimbilanz mit Platz 9. Gegen Mannschaften aus dem unteren Bereich gab es zu viele verspielte Punkte.

Delegierungen für diese Saison bislang:

Der ganz große Umbruch wie nach dem erstmaligen Abstieg aus der 1. Bundesliga ist diesmal so nicht zu verbuchen, es gab aber doch einige Veränderungen. 13 Spieler haben den HSV verlassen, 14 kamen dazu.

Linksverteidiger Douglas Santos (25) ging zu Zenit St. Petersburg, der Brasilianer spülte dabei 12 Mio. € Ablöse in die Kasse. Im Mittelfeld ist Ex-Nationalspieler Lewis Holtby (28) nicht mehr dabei, erhielt keinen neuen Vertrag. Verspielte diesen vermutlich durch seine Reaktion auf eine Nichtberücksichtigung im Stammkader gegen Ende der Saison. Aktuell noch ohne neuen Arbeitgeber trainiert er derzeit bei seinem Ex-Coach Christian Titz und Denis Grote in Essen. "6er" Orel Mangala (21) spielt wieder in Stuttgart, der Belgier war vom VfB ausgeliehen. Im Angriff nahm Torjäger Pierre-Michel Lasogga (27) Abschied, er kam auf 13 Tore und heuerte in Katar bei Erstligist Al Arabi an. Weniger Einsätze und Tore mit 1 konnte das große Talent Jann-Fiete Arp (19) aufweisen, der U19-Auswahlspieler wechselte zum FC Bayern München für einen Betrag von 3 Mio. €. Der Rest spielte keine oder keine wichtige Rolle.

Im Tor kam der Deutsch-Portugiese Daniel Heuer Fernandes (27) aus Darmstadt. Bei den "Lilien" Stammkeeper. Zuvor in Bochum, Osnabrück, Paderborn. In der Abwehr wurden aus Nürnberg vom Erstligaabsteiger im "Doppelpack" der Brasilianer Ewerton (30), Tim Leibold (25) verpflichtet. Jan Gyamerah (24) spielte in Bochum, der Niederländer Timo Letschert (26) in Italiens Serie A bei US Sassuolo. 6 Kicker stießen im Mittelfeld zum "Ex-Dino", darunter 2 "Leihgaben" an andere Vereine. Aus der gleichen Liga waren es der Deutsch-Tunesier Jeremy Dudziak (23) von Lokal – und Erzrivale FC St. Pauli, der Deutsch-Kongolese David Kinsombi (23) und Sonny Kittel (26) aus Ingolstadt vom Zweitligaabsteiger. Verliehen waren Christoph Moritz (29/Darmstadt) und Matti Steinmann (24), 1 Jahr in Dänemark bei Erstligist Vendsyssel FF. Adrian Fein (20) war dies vom FC Bayern München II an Zweitligist Regensburg mit beachtlichen 21 Einsätzen, 12x von Beginn. Nun für 1 Saison beim HSV. Im Sturm wurden das englische Talent Xavier Amaechi (18) und der Österreicher Lukas Hinterseer (28/Bochum) vermeldet. Letzterer mit 18 Spielen in der ÖFB-A-Auswahl, empfahl sich mit 18 Toren. Der US-Amerikaner Bobby Wood (26) kehrte aus Hannover zurück, als "Leihgabe" an der Leine mit 3 Toren in 20 Einsätzen. 12,11 Mio. € wurden für Neuzugänge ausgegeben, 21,25 Mio. € wiederum durch Abgänge eingenommen. Der "Königstransfer" war Kinsombi mit 3 Mio. € vor Amaechi (2,50 Mio.).

Die sportliche Leitung:

Mit Dieter Hecking (54) als einem der erfolgreichsten deutschen Trainer der letzten 15 Jahre wurde der Wunschkandidat an Land gezogen, der "weiß wie Aufstieg geht". 2002 ging es mit dem VfB Lübeck hoch in die 2. Bundesliga. 2004 ins DFB-Pokal-Halbfinale. 2006 stieg Aachen mit ihm in die 1. Bundesliga auf, kurz nach dem Saisonstart der Wechsel zu Hannover 96 mit Rücktritt August 2009. Nächste Station Nürnberg, wo er die Franken im Oberhaus hielt. Dezember 2012 verließ er den Club Richtung Wolfsburg. Klassenerhalt - Europa League – Vizemeister + DFB-Pokalsieg war die Bilanz beim VfL, im Herbst 2016 Schluss aufgrund des Negativtrends Richtung Mittelmaß. In Mönchengladbach stand Rang 3 2017/2018 mit der Qualifikation für die Champions League, eine enttäuschende Rückrunde in der folgenden Saison mit verspielter "Zasterliga" und Platz 5 bewegte die Verantwortlichen, den Vertrag nicht zu verlängern. Der HSV ist seine 1. Station in Liga 2 seit 2002. Seine Co-Trainer sind Ex-Profi Dirk Bremser (53) – das bereits seit Heckings Zeit in Lübeck und Tobias Schweinsteiger (37). Die Fluktuation auf dem Posten ist gewaltig bei 30 Trainern seit 1990. Allein im letzten Jahr sind es mit Titz, Wolf und Hecking 3 Akteure.

Seine beste Zeit als Spieler hatte er 1993/1994 mit dem Aufstieg des VfB Leipzig in die 1. Bundesliga. Dort standen 30 Einsätze. Später ging es nach Paderborn, Hannover und Braunschweig mit dem Karriere-Ende 2000. Der Start als Trainer beim SC Verl 2002 in der drittklassigen Regionalliga Nord.

Das Kollektiv:

Aktuell umfasst der Kader bemerkenswerte (noch) 34 Spieler, von denen aber nach Lage der Dinge mehrere Akteure keine Zukunft beim HSV wie u. a. Steinmann und Wood haben und abgegeben werden sollen. Realistisch erscheint am Ende ein Aufgebot von 28 Spielern. Im Tor gilt Daniel Heuer Fernandes als die Nr. 1, dahinter kommen Julian Pollersbeck (24) als Stammkeeper der Vorsaison und Tom Mickel (30). In der Abwehr setzte Hecking in den ersten beiden Spielen in der Innenverteidigung auf den Niederländer Rick van Drongelen (20) neben dem Griechen Kyriakos Papadopoulos (27) zum Auftakt und Gideon Jung (24) beim 4:0 in Nürnberg. Auf Rechts ist Jan Gyamerah gesetzt, Links ein weiterer Neuzugang mit Tim Leibold, der bei seiner Rückkehr nach Franken am Montag eine starke Leistung ablieferte. 2 Systeme in den Punktspielen waren zu verzeichnen. Gegen Darmstadt zu Beginn wurde im 4-3-3 begonnen, einem "6er" und zwei offensiveren im Mittelfeld. Erfolgreicher war man in Nürnberg mit einem 4-1-4-1. Der defensive Part vor der Abwehr war dabei jeweils Adrian Fein vorbehalten. Sonny Kittel gilt auf der linken Seite als zu beachten, beim FCN einer der herausragenden Kicker. Zentral offensiv ist Kapitän Aaron Hunt (32) der Eckpfeiler, gut läuft es hier zudem für Jeremy Dudziak. Wie Kittel in Nürnberg überzeugend. David Kinsombi ist bislang Ergänzungsspieler auf seiner Position als "6er". Der Fixpunkt im Angriff ist derzeit wie erwartet Lukas Hinterseer. Neben ihm durften am 1. Spieltag Bakery Jatta (21) und Khaled Narey (25) agieren. Die Aufstellung von Nürnberg könnte die Blaupause für den Sonntag werden. An System und Besetzung.

Die aktuelle Saison bislang:

Begann durchwachsen, nur ein Elfmeter in der 8. Minute der Nachspielzeit gegen Darmstadt verhinderte die Pleite zum Auftakt. Halbzeit 1 sah eine dominierende Hamburger Mannschaft mit einer Vielzahl an Torchancen, die aber nicht zur verdienten Führung mündeten. Stattdessen schockten die Südhessen die Norddeutschen mit dem 0:1 kurz nach der Pause. Danach taten sich die "Rothosen" deutlich schwerer, hatten weniger Möglichkeiten. 5 Minuten vor dem Ende griff der Video-Schiedsrichter bzw. Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus ein und ließ einen zunächst nicht geahndeten Einsatz im Darmstädter 16er prüfen. Aron Hunt verwandelte zum kaum noch erwarteten 1:1. Beim "Gipfeltreffen" in Nürnberg, wo der HSV mal wieder Montag ran musste, lieferte man die wohl beste Leistung seit Monaten ab und ballerte sich zum 4:0. Nach 30 Minuten wurde mit 2:0 vorgelegt, in Halbzeit 2 zur richtigen Zeit das dritte und vierte Tor in Minute 72 und 81 nachgelegt. Beleg, dass man diese Saison unter Hecking vermutlich ein anderes Gesicht als letzte Saison zeigen wird. Nach dem Gastspiel in Chemnitz geht es gegen den VfL Bochum.

Das Krankenlager / Strafbank / Parteistrafen:

In der Abwehr fehlen die beiden Neuzugänge Timo Letschert (Knieverletzung) und Ewerton, der sich nach seinem Muskelfaserriss im Adduktorenbereich im Mai im Aufbautraining befindet.

Bilanz gegen den Hamburger SV:

Es gab 1 Duell am 23.05.1998, was der damalige Drittligist überraschend mit 4:2 gegen die Norddeutschen für sich entscheiden konnten. Auf unserer Seite waren Torsten Bittermann (27., 43.), Mirko Ullmann (37.) und Hendrik Liebers (70.) erfolgreich. Den HSV ließen der heutige Bayern-Sportdirektor Hasan "Brazzo" Salihamidzic (61.) und Harald "Lumpi" Spörl (Foulelfmeter, 65.) jubeln. Damals waren es 1.900 Besucher an der Gellertstraße, ein paar mehr sollten es am Sonntag werden.

Perspektive für das Spieljahr:

Diesmal klappt es mit dem Aufstieg, direkt. Nach den nur kurzzeitig erfolgreichen Trainerlösungen der letzten Jahre dürfte Dieter Hecking mit seinen Erfolgen in den letzten Jahren das richtige Rezept für die notwendigen Punkte finden.

Das Umfeld / Stimmung / Wirtschaft:

Der verpasste sofortige Wiederaufstieg hat die finanziellen Bedingungen für den mehrfachen deutschen Meister, DFB-Pokalsieger und zweifachen Europapokalsieger nicht einfacher gemacht. Seit Juni 1991 wird die Profiabteilung und der Nachwuchsbereich ab U16 in der "HSV Fußball AG" betrieben, damals gegründet als "HSV Sport AG". Maßgeblicher Grund für die Neustrukturierung waren der damalige sportliche und damit verbundene wirtschaftliche Abwärtstrend nach dem bislang letzten Titel mit dem DFB-Pokalsieg 1987. Mit der Ausschüttung der 36.000 Aktien a 1.000 DM sollten 36 Mio. € beschafft werden um wieder oben anzugreifen. Es gelang nur teilweise, passend zur weiteren wechselvollen Geschichte von Verein und AG. Die Anteile halten der HSV e. V., die Kühne Holding AG, Helmut Bohnhorst, die Erben von Alexander Margaritoff und Familie Burmeister, wobei Klaus-Michael Kühne als der "starke Mann" gilt, der seit Jahren u. a. bei Transfers in zweifacher Millionenhöhe unterstützte. Die Rede ist von rund 100 Mio. € insgesamt. Die aber keinen sportlichen Aufschwung brachten, im Gegenteil. Juni 2018 verkündete, er keine Unterstützung mehr zu geben. Der erstmalige Abstieg aus der 1. Bundesliga hatte Folgen, vor allem die deutlich geringeren TV-Gelder schmälerten den Umsatz entsprechend. Für die aktuelle Saison liegt der Etat bei 25 Mio. €, die Zweitliga-Lizenz wurde ohne Auflagen erteilt. Der notwendige Nachweis an Liquidität wurde vor allem durch eine Fan-Anleihe erbracht, die 17,5 Mio. € einspielte. Hinzu kamen der Abgang von Topverdienern wie Lasogga, die positive Transferbilanz von 9,14 Mio. €. Wichtig bei Verbindlichkeiten von 85 Mio. € im Juni 2018. Auf den Rängen blieben die Hamburger auch in der vergangenen Saison erstklassig, begrüßten im Schnitt 48.865 im "Volksparkstadion", was nur knapp hinter dem Aufsteiger aus Köln-Müngersdorf lag. Nicht viel weniger als die 50.656 aus der Abstiegssaison. Das erste Heimspiel gegen Darmstadt sahen 44.475. Diese Saison muss es mit dem Sprung zurück ins Oberhaus klappen, die Furcht vor dem gleichen Weg wie Kaiserslautern, 1860, aber auch ein VfL Bochum wird zwar offiziell dementiert. Schwebt aber über dem einstigen unabsteigbaren HSV. Schlimmer noch, der FC St. Pauli geht hoch und der HSV bleibt Zweitligist.
1. Runde - DFB-Pokal - Saison 2019/2020
Sonntag, 11. August 2019, 18:30 Uhr
Fischerwiese, Chemnitz
Zuschauer: 13.130
Schiedsrichter: Dr. Kampka (Mainz)


Tore

Die Bilanz

 ZahlSUNTore
Alle Spiele00000:0
Heimspiele00000:0
Auswärtsspiele00000:0
Ligaspiele00000:0
Pokal-/Relegationsspiele00000:0