Spielbericht

26. Spieltag - Regionalliga Nord - Saison 2002/2003
FC Erzgebirge Aue
FC Erzgebirge Aue
3:0
Chemnitzer FC
Chemnitzer FC

CFC erleidet nach gutem Start bittere Derbyschlappe gegen Aue

von Frank Neubert

Der CFC hat das wichtigste Spiel der Rückrunde mit 0:3 verloren. Bitter - sehr bitter sogar. Bitter vor allem deshalb, weil es zum Ersten das prestigegeladene Duell gegen den jahrzehntelangen Erzrivalen aus dem Lössnitztal war, und zum Zweiten, weil das Spiel als Wegweiser für den restlichen Saisonverlauf angesehen werden kann. Ergo: Die "Bösen" bleiben oben dran und die "Guten" stecken bis zum Hals im Abstiegsschlamassel drin. Darum lasset uns das Gute von dem Bösen trennen - oder anders - die positiven und negativen Seiten des Derbys ausführlicher unter die Lupe nehmen...

Das richtig Positive:

Ein erstes Sonderlob geht an die himmelblauen Fussgänger, die sich 6 Uhr morgens anschickten, die 28km bis Aue zu Fuss zurückzulegen. Getreu dem Motto "Wir halten Wort - Wir FAHREN nie mehr nach Aue!" hatten sich ca. 50 CFC-Fans zu dem von Fanprojekt und Einsiedler Brauhaus unterstützten "Schacht-Marathon" eingefunden. Ausdruck bester Laune war dabei u.a. eine Polonaise durch den Stollberger Extra-Markt, diverse Ufftas in überfüllten Bushäuschen, oder die Jubelszene, als am Gablenzer Berg der Mannschaftsbus der Himmelblauen vorbeirollte. Nach 7 Stunden Marschzeit waren die Wanderer gegen 13:15 Uhr am Auer Stadion - Respekt für diese starke Leistung!
Ein großes Lob geht auch an die fleissigen Bastler der Ultras Chemnitz, die zu Spielbeginn die vielleicht beste Choreo der letzten Jahre präsentierten. Auf 12 überdimensonalen Bahnen, die alle zwei Gästeblöcke überspannten (!), leuchteten die Buchstaben "C H E M N I T Z E R F C" und an der Bande hing ein Transpi mit den Worten "Für Immer und Ewig". Einfach schick! Lob auch für die Fans unter den Bahnen, die alle mitzogen und somit den Einlauf der Mannschaften nur erahnen konnten.
Ein Extralob verdienten sich auch die himmelblauen Torschützen des in der Halbzeit stattgefundenen Fan-Elfmeterschiessen gegen den Auer Ersatzkeeper. Trotz Heimvorteils, eigenen Torhüters und Schiessens auf die lilane Fankurve versemmelten die Auer Fans 3 Elfer, wogegen aus den Reihen der CFC-Clubsurfer und der Skystrikers beide Schützen den Keeper gleich zweifach überwinden konnten. Prima gemacht!
Und es gab noch etwas Positives - die ersten 25 Minuten des Spieles, als der CFC bärenstark und mit viel Schwung mächtig viel Staub im Schacht aufwirbelte und es nur eine Frage der Zeit schien, bis die Guten in Führung gehen würden. Trainer Müller hatte sich für Offensive entschieden und mit Demir, Rolleder (überraschend für M'Boma im Einsatz) und Meyer gleich 3 Angreifer aufgestellt. Dementsprechend stürmisch ging das Spiel auch los - schon in der 3. Minute kam Rolleder nach einen weiten Einwurf von Walther zum Kopfball und zwang Petkov im Auer Kasten zur ersten Glanzparade. Nach zehn gespielten Minuten war es erneut Rolleder, der für Gefahr sorgte - nach einer Flanke von Meissner steigt "Rolle" zum Kopfball hoch und produziert zusammen mit dem Auer Abwehrspieler eine Kerze, die knapp vor der Torlinie heruntertrudelt und von dort leider über das Gebälk (anstatt ins Netz!) springt. Gut 2.000 Gästefans waren zu diesem Zeitpunkt bester Laune. Den Schlußpunkt dieser Anfangsoffensive setzte der himmelblaue Kapitän höchstpersönlich: Meissner feuert nach Zuspiel von Mehlhorn einen fulminanten Kracher aus gut 30m ab, den Petkov mit Mühe und Not zur Ecke klären kann. Keine Frage, die ersten 20 Minuten waren oberste himmelblaue Sahne - ausdrückliches Lob für den mutigen Auftritt!

Das weniger Positive

Zu den weniger positiven Sachen gehören vornehmlich zwei Dinge - zum Ersten war der CFC in seiner löblichen Anfangsoffensive nicht in der Lage, seine Überlegenheit in Tore umzusetzen. Wäre zu diesem Zeitpunkt ein Tor gefallen, wäre ein Spielausgang wie im Vorjahr vielleicht in den Bereich des Möglichen gerückt. Demir blieb blass, Rolle bemüht - aber ungefährlich, Meyer auf den Seiten verschenkt. Zum Zweiten erspielte sich der CFC selbst nach dem 0:2-Rückstand in der zweiten Halbzeit ein leichtes optisches Übergewicht, konnte aber keine einzige nennenswerte Torchance mehr herausspielen. Es ist vollkommen nutzlos, im Mittelfeld hohen Laufaufwand zu betreiben, wenn man nachher im Sturm gegen die massive Auer Deckung plan- und ideenlos agiert.
Zu den ebenfalls weniger positiven Eindrücken zählte auch, dass entlang der B169 ein Halteverbot bestand und somit die himmelblaue Völkerwanderung bereits ab Lössnitz einsetzte. Dazu, wie jedes Jahr, lediglich 2 Ordner, die am Gästeeingang Schwerstarbeit verrichten mussten.

Das Mittelprächtige:

Zu den mittelprächtigen Ereignissen des Samstages ist der Rest der ersten himmelblauen Halbzeit zu zählen, als der FCE nach seinem ersten Tor ins Spiel fand und die Himmelblauen ihre bis dahin geordnete spielerische Linie mehr und mehr verloren. Zwar stemmten sich Walther und Mehlhorn im Mittelfeld dagegen, jedoch merkte man deutlich, dass beide Oldies einen Tchipev im Spielaufbau keinesfalls ersetzen können. Mittelprächtig auch die Leistung von Süssner, der beim ersten Gegentor noch schuldlos war, am zweiten Tor aber zumindest eine Teilschuld hatte. Als Grund in der 42. Minute die Ecke ausführt, läuft Süssner 1-2 Schritte nach vorn, um dann zu verharren und chancenlos mit ansehen zu müssen, wie Noveski höher als Zedi steigt und sicher zum 2:0 einköpft. Dafür bewahrte Süssner kurz vor der Pause den CFC vor dem sicheren 3:0, als er einen Kopfball von Jank artistisch pariert und noch dazu beide Nachschüsse von der Linie kratzt.
Zu den fraglichen Dingen dieses Spieles sollte man auch die himmelblaue Aufstellung zählen, wo der dribbelstarke M'Boma zu Beginn auf der Bank Platz nehmen musste. Fraglich bleibt ebenso der Verzicht auf Jan Schmidt, der gerade bei seinen Ex-Kollegen motiviert gewesen sein dürfte und dessen Lufthoheit zur Abwehr der Auer Standards dringend benötigt worden wäre.
Mittelprächtig auch die riesige Rauchwolke auf Seiten der Gästefans, die zwar imposant aussah, dem CFC aber höchstwahrscheinlich wieder Ärger vom NOFV einbringen dürfte. Vielleicht hätte man besser darauf achten sollen, dass der Qualm (wie letztes Jahr) hinter die Ränge abzieht und nicht Teile davon den Rasen vernebeln. Die Auer blieben die Antwort natürlich nicht schuldig und nebelten sich unter ihrem Tribünendach selbst ordentlich ein. Hüstelhüstel.

Das Negative:

Zu den absoluten Negativerlebnissen zählte die Vorstellung der himmelblauen Abwehr. Die Zeiten, als unter Neucoach Müller die Abwehr wieder als Bollwerk erstarkte, scheinen endgültig vorbei zu sein. Als die Auer nach der himmelblauen Anfangsoffensive zum ersten Gegenschlag ausholten, war sofort der Lack ab. Ein erster Warnschuss von Broum erfolgte in der 23. Minute - der Schuß streicht noch knapp am Pfosten vorbei. Nur 2 Minuten später wird Göhlert zum Spielball von Heidrich und Broum, der Ball kommt nach innen, wo Jörres und Ahlf zuschauen, wie Jank seelenruhig am langen Pfosten einschiebt. Noch schlimmer wird es beim 2:0, als Noveski alle Himmelblauen überspringt und unbedrängt einköpfen kann. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war der Kuchen gegessen - die bis dato überzeugende Vorstellung des CFC verkam zur Statistennummer und die Auer freuten sich diebisch über ihre abwartende (und erfolgreiche) Heimtaktik. Auch das 3:0 aus Minute 76 belegt die Schwäche der CFC-Abwehr: Eine Ecke wird auf der Linie abgewehrt, zu kurz, Heidrich schaltet gedanklich am schnellsten und bringt das Leder wieder in die Mitte, wo Jank mutterseelenallein zu seinem zweiten Tor kommt. Falls die CFC-Abwehr nicht schleunigst wieder Tritt fast, dürften die nächsten Spiele gegen Lev-Ama und in Osnabrück zum absoluten Offenbahrungseid werden.
Ein Blick auf die Tabelle verrät ebenfalls nur bedrückende Fakten - Aue nach diesem Spiel wieder oben dabei, und der CFC nur noch 3 Punkte vor den Abstiegsplätzen. Das unter Müller neu formulierte Saisonziel, möglichst schnell nach unten Platz zu schaffen, ist von den Himmelblauen klar verfehlt worden. Einige Fans malten bereits auf der Rückreise aus dem Lössnitztal das düstere Bild, dass man sich wohl mit allen, die in den Schacht gefahren sind, am letzten Spieltag in Köln wiedersehen werde. Bleibt zu hoffen, dass dann dort der Klassenerhalt aus eigener Kraft möglich ist...

Das ganz Negative:

Die Vorjahresduelle der Erzrivalen liefen bis auf kleinere Reibereien ziemlich friedlich ab - im Gegensatz zu den Derbys beider Vereine gegen die Dresdner Dynamos. Doch diesmal sollte es auch dieses Spiel erwischen. Unschöne Szenen gab es bereits während des Spiels, als in der zweiten Halbzeit aus dem Gästeblock 2 Leuchtspurraketen aufstiegen,von denen eine nach hoher Flugbahn auf dem Spielfeld landete - und dort zum Glück keinen Schaden anrichtete. Die zweite Rakete verpuffte bereits in der Luft. Leuchtspur hat im Stadion nullkommanix zu suchen !!
Unverständlich blieb, weshalb sich Mitte der zweiten Halbzeit eine Meute von ca. 30 Leuten unbehelligt auf dem Zaun des Gästeblockes versammeln konnte, die nach dem dritten Gegentreffer prompt von Zaun hüpfte und sich plötzlich auf der Laufbahn tummelte. Als gleich darauf die grünen Männlein anmarschierten, wählten die Kaputtnicks freiwillig den Weg zurück über den Zaun. Absolut sinnlose Aktion.
Nach dem Spiel gab es vor dem McDonald handfeste Streitigkeiten, allerdings war zu diesem Zeitpunkt der Pulk der Chemnitzer Zugfahrer bereits vorüber. Dabei schienen beide Fanlager daran beteiligt gewesen zu sein - auch Zwickauer sollen aufgrund ihrer "Verbundenheit" mit FCE mitgemischt haben.
Der Schlimmste Zwischenfall ereignete sich auf der B169, in der bekanntermassen Lilane und Himmelblaue zugleich abmarschieren. Den Berichten zufolge soll ein CFC-Fan aus einem Auer Auto einen Schal gezupft haben, den sich der Auer mit Hilfe der Polizei zurückholte - doch damit nicht genug, der CFC'er bekam dafür eine kaputte Nase. Daraufhin jagte dieser dem Auto hinterdrein, welches sich nun durch Flucht nach vorn zu retten versuchte. In einem wahren Amoklauf trat der Fahrer aufs Gas und fuhr einen CFC-Fan über den Haufen, hielt nicht an und raste nach 50m erneut in zwei CFC-Fans. Dann wurde der Rückwärtsgang eingelegt und dabei der nächste Himmelblaue umgemäht. Der Fahrer verbarrikadierte sich nun in seinem Vehikel, welches von aussen heftig demoliert wurde, und die später eintreffende Polizei konnte die aufgebrachte Menge zum Glück für alle Beteiligten vor irgendwelchen weiteren Schandtaten (!) bewahren. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn man den Fahrer aus dem Auto gezogen hätte. Und eigentlich, je länger der Schreiber dieses Berichtes über diesen Fakt nachdenkt, war dies wohl (noch) das beste Ergebnis des heutigen Tages...


Wertung: 3,5

Beste Himmelblaue: Meyer, Meissner, Mehlhorn

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Pressestimmen

Freie Presse Chemnitz (aus Chemnitzer Sicht)
Chemnitzer FC: „Reicht nicht, wenn nur fünf Mann Gas geben“ [..] Chemnitzer FC bleibt nach Derby-Schlappe in akuter Abstiegsgefahr - Kapitän Meißner kritisiert Einstellung [..] Mit Blaulicht ins Lößnitztal, mit Geheul auch wieder zurück - im doppelten Sinne. [..] Die Partie beim Erzrivalen war zuvor symptomatisch für die Auftritte der Himmelblauen in den vergangenen Wochen. Der Hauptregelverstoß im Chemnitzer Buch der vielen Sünden lautet: Ein Fußballspiel dauert nun mal 90 Minuten. [..] In Aue mussten die Nachlässigkeiten schief gehen. Denn da zeigte sich der CFC nur die ersten 25 Minuten auf der Höhe des Geschehens.

Freie Presse Chemnitz (aus Auer Sicht)
FC Erzgebirge: Ronny Jank: Ein Sieg für die Auer Fans [..] FC Erzgebirge feiert im 72. Aufeinandertreffen mit dem CFC verdienten 3:0-Erfolg - Das Wort Aufstieg wird vermieden [..]

Blick Chemnitz
Erzrivale erteilte Lehrstunde

26. Spieltag - Regionalliga Nord - Saison 2002/2003
Samstag, 12. April 2003, 14:00 Uhr
Erzgebirgsstadion, Aue
Zuschauer: 9.750
Schiedsrichter: Scheppe (Witten)
FC Erzgebirge Aue
T Petkov
A Jasarevic
A Emmerich
A Noveski
M G. Berger
M Kurth
M Heidrich
M GrundGelbe Karte (88. Jendrossek)
S  Jank
S Broum
S Shubitidze (67. Frank Berger)

Trainer: Schädlich
Chemnitzer FC
T Süssner
A GöhlertGelbe Karte
A JörresGelbe Karte
A Ahlf (46. Simic)
A Mehlhorn (60. Mboma)
M Meyer (81. Baumann)
M Meissner
M Zedi
M Walther
S Rolleder
S Demir

Trainer: Müller
Tore
1:0 Jank (25.)
2:0 Noveski (42.)
3:0 Jank (76.)