Spielbericht

31. Spieltag - 2. Bundesliga - Saison 2000/2001
Chemnitzer FC
Chemnitzer FC
0:2
Stuttgarter Kickers
Stuttgarter Kickers

Eine himmelblaue Zumutung - Rückfall in schlimmste Zeiten

von Frank Neubert

Nachdem der CFC in den letzten beiden Heimspielen ausgerechnet gegen Nürnberg und Mannheim verdient gepunktet hatte, war dem geneigten Fan Appetit auf mehr gekommen. Wenn man gegen Teams mit Bundesligaambitionen fast gewinnt, war es sicher nicht allzu vermessen, gegen den Fast-Mitabsteiger aus Stuttgart auf die ersten drei Punkte der Rückrunde zu hoffen. Immerhin wurden die Kickers nach dem CFC als zweitschwächstes Team in puncto Tore und Auswärtspunkte geführt.
Und immerhin galt es auch, diese ruhmlose Serie von 22 nichtgewonnenen Pflichtspielen zu beenden, bei welcher man den bisherigen Spitzenreiter FC Schweinfurth 05 locker eingeholt hatte. Na und den bisherigen Negativrekord von 12 Pünktchen (94/95: FSV Frankfurt, 3-Punkte-Regel) wollte man doch auch noch irgendwie hinter sich lassen.
Knapp 3000 Zuschauer hatten wohl selbige Hoffnungen und fanden sich im himmelblauen Tempel namens Fischerwiese ein. Darunter auch 150 Stuttgarter Fans, welchen die 20DM-Fahrt mit Kickers-Basecaps, Freibier, Freibrezeln und Freischokolade schmackhaft gemacht wurde - der harte Schwabenkern war also da...

Der erste Schock kam aber schon vor dem Anpfiff - Stadionsprecher Olaf Kadner verlas emotionslos eine Erklärung des Präsidiums des CFC. Darin hieß es, das sich der Verein gegen die Ausschreitungen seiner Fans verwahre, und dagegen in Zukunft auch mit aller Härte vorgehen werde. Insbesondere die Ultras wären mit ihren pyrotechnischen und provokativen Auftritten vor allem bei Auswärtsspielen negativ aufgefallen. Deprimiertes Schweigen in der Südkurve, dieser Schlag ging tief rein. Scheinbar ist sich der CFC nicht im Klaren, wer die Choreos in der Fankurve organisiert und was der Begriff "Ultras" überhaupt bedeutet. Anderen Informationen zufolge könnte der Anstoß aber auch vom DFB gekommen sein, der im Vorfeld der WM "saubere" Stadien und Fans haben möchte. Oder war es die behördliche Antwort für ein Ultra-Plakat zum letzten Heimspiel, auf welchem der maßlose Polizeieinsatz in Ahlen (zurecht) verbal kritisiert wurde!? Wie auch immer, das Entsetzen in der Südkurve war nahezu körperlich spürbar.

Dann rollte der Ball. Oder besser gesagt, er wurde umhergestoßen. Das nächste Entsetzen machte sich breit - diesmal im ganzen Stadion. Keine der beiden Mannschaften sah sich in der Lage, einen halbwegs geordneten Spielaufbau zustande zu bringen. Keine Spur vom zuletzt gesehen himmelblauen Offensivfußball, mit welchem Schwung und Mut für die nächstjährige Regionalligasaison geholt werden sollte.
Die Anfangsoffensive der Gastgeber fiel komplett aus, da diese den Ball einfach nicht konstruktiv durch das Mittelfeld brachten und die Kickers natürlich früh störten. Sobald die Kickers im Ballbesitz waren, wiederholte sich das Gegurke in der anderen Richtung. Auch bei den Schwaben war in keinster Weise erkennbar, das hier eine Mannschaft um den letzten Strohhalm der zweiten Bundesliga spielt und fightet. Das beim CFC das Nachholespiel (Reutlingen) vom Mittwoch noch in den Knochen steckte, konnte aber auch nicht sein, dann hätte man zumindest in den ersten 30min etwas Feuer erwarten dürfen. Nein, hier wurde einfach lustloser Fußball gespielt - kein Anbieten, kein Freilaufen, kein Ballfordern. Ein Rückfall in längst überwunden geglaubte CFC-Zeiten unter Kuze und Franke vom letzten Herbst. Im Stadion herrschte fast absolute Stille, irgendwie waren alle sprachlos - auch die Südkurve schwieg sich als Dankeschön für den Verbalschlag zu Spielbeginn eisig aus. Auch der Himmel begann nun zu weinen und nieselte bis Spielende trotzig vor sich hin.
Dann doch etwas Ähnliches wie Fußball - Jendrossek kommt über links und flankt nach innen. Logischerweise auf den Kopf eines Stuttgarters. Weil dessen Abwehr leicht verunglückt, macht sich der nächste Schwabe am Ball zu schaffen. Nun springt das Leder zu Peer Kluge. Und dieser unterbricht diese schöne Kette von Mißverständnissen und drischt die Kugel beherzt aus 25m aufs Tor. Keeper Ramovic kann mit den Fäusten klären.
Podzus machte sich dann auch noch bemerkbar, allerdings ohne Ball. In bester Dittgenmanier stand der Stürmer im Abseits herum, so daß eine Hand zum Mitzählen bis zur Halbzeit nicht mehr ausreichte. Oswald gefiel sich in ständigen Falleinlagen, und Jendrossek übte sich fleißig im Diskutieren mit dem Schiedsrichter. Auf Gegenseite entpuppte sich Cassio als Fallsüchtiger, wobei der auf beiden Seiten schwächelnde Referee hier mal etwas Gutes tat, indem er dem Stuttgarter nach einer Schwalbe im Strafraum Gelb zeigte.
Nach gut einer halben Stunde kamen dann auch die Kickers bei Ananiew zum Antrittsbesuch vorbei. Einen weiten Pass aus der Kickershälfte nimmt Carnevale auf, geht durch den CFC-Strafraum, passt quer zum heranlaufenden Zimmmermann - und dieser zieht aus 5m mutterseelenallein vor Ananiew ab. Mit einer Reflexbewegung verhindert Toni das sichere Führungstor für die Kickers.
Dann noch 2 himmelblaue Events: In Ermangelung anderer Anspielmöglichkeiten schießt Podzus aus 30m tatsächlich Richtung Tor, doch der Stuttgarter Schlussmann faustet die Kugel zur Ecke. Kurz vor der Halbzeit macht es Kapitän Bittermann besser - und trifft - allerdings nicht das Tor, sondern die DSF-Kamera in Höhe der Mittellinie.
Zum Halbzeitpfiff gellendes Pfeifkonzert an der Gellertstrasse (Nanu? - gellen, Gellert, ...!) nach einem wirklich grottenschlechten Kick beider Teams.

Die zweite Hälfte begann mit 2 dicken CFC-Chancen. Aus dem Mittelfeld wird Kujat bedient, der mit einem Stuttgarter Abwehrspieler im Gepäck auf das Kickerstor zumarschiert. Der Ball rollt sauber am herauseilenden Torhüter vorbei - aber leider auch knapp neben dem linken Pfosten ins Aus. Es sollte eben einfach nicht sein. Dann mogelt sich Podzus ohne Abseits zu stehen in den Strafraum. Renn schlägt eine mustergültige Flanke nach innen - der Ball segelt auch genau auf Podzus zu, aber anstatt irgendein Körperteil zum Abprallertor nach vorn zu bewegen, zieht der Stürmer wahrscheinlich extra noch den Bauch ein, um die Flugbahn des Leders nicht unnötig zu stören.
Das wars dann auch schon mit himmelblauer Herrlichkeit, denn wer nun gedacht hatte, das die zweite Hälfte besser würde, unterlag einfach einer böswilligen Täuschung. Zumindest aus himmelblauer Sicht. Die Kickers wurden nun etwas mutiger, wohl in der leisen Ahnung, das bei diesem plan- und lustlosen sächsischen Team vielleicht sogar 3 Punkte drin waren.
Die Stuttgarter waren nun zumindest erkennbar bemüht, Druck aufzubauen und den Ball auch mal mehr als 3 Stationen halten zu wollen. Das Ergebnis ließ nicht lange auf sich warten - die löchrige CFC-Abwehr lud herzlichst ein. Carnevale bekommt auf der rechten Seite den Ball und darf, nur zaghaft von Schmidt gestört, auf den links völlig freistehenden Cassio passen. Der hat keine Mühe, aus 5m die Kugel an Ananiew vorbei in die himmelblauen Maschen zu dreschen. 0:1 für die Kickers (64.min), nicht ganz unerwartet, denn die Initiative war auf die Schwaben übergegangen. Allerdings war wohl allen Anwesenden auch klar, das der CFC heute zu keiner Antwort in der Lage war.
Damit aber nicht genug - es wurde scharf nachgewaschen. Nur 3 Minuten später Freistoß für die Gäste aus ca. 35 Metern. Eigentlich eine ungefährliche Position. Keuler läuft an und schiesspasst zu Zimmermann, welcher im Zweikampf mit Schmidt mit dem Rücken zum Tor steht. Genial oder zufällig kommt dieser mit den Hacken ans Leder, welches durch die völlig veränderte Laufrichtung beim verdutzten Ananiew in die lange Ecke kollert. 0:2 für die Blauen aus Stuttgart. Der CFC für heute endgültig besiegt.
Natürlich großer Jubel unter den Gästefans, die sich jetzt wieder ans Rechnen für den Klassenerhalt machten. Sogar eine zaghafte Uffta wurde versucht. Das veranlaßte die leidenden CFC-Fans dann doch noch, das ihrerseitige Schweigen aufzugeben und wenigstens gegenüber den Gästefans zu zeigen, das man noch körperlich und stimmlich präsent war.
Was nun folgte, war einfach nur gruselig anzusehen. Die Kickers hatten genug getan und sicherten einfach das Mittelfeld. Zur himmelblauen Lustlosigkeit kam nun auch noch Selbstaufgabe hinzu, ein Armutszeugnis im Landesligaformat. Der Torwart der Kickers übte sich zeitweise in Leibesübungen, weil ihn das Spiel nicht erwärmen konnte.
Hatte der CFC doch einmal den Ball, wurden zumeist Lachnummern daraus. Lakies bekommt ein Anspiel in den Strafraum - aber anstatt die Kugel irgendwie anzunehmen, läuft der ehemalige Bayernstürmer (!!) daneben her und kann sich nicht entscheiden, wie das Spielgerät am besten zu bedienen sei, bis es dann ungestört ins Aus kullert. Oder Kujat - kommt von links aus einer längst gepfiffenen Abseitsstellung auf das Kickerstor zugestürmt, der Torwart reagiert schon gar nicht mehr - aber noch nicht mal jetzt kriegt Kujat das Runde in das Eckige. Die CFC-Fans feierten am Ende zum Spott jede etwaige Ballberührung der Himmelblauen mit Ole-Rufen. Einziger Lichtblick in den einheimischen Reihen war der junge Daniel Göhlert, der anscheinend vom Antifußballvirus noch nicht befallen ist.
Kurz vor Spielschluss verstolpert nochmal Bittermann im Mittelfeld erfolgreich den Ball, welcher zu Cassio gespielt wird. Dieser geht halblinks alleine auf Ananiew zu, schiesst scharf aus 10m, aber Toni kann den Ball mit der Faust an den Pfosten lenken. Ein drittes Tor wäre aber aufgrund der ebenfalls nur dürftigen Leistung der Kickers auch etwas zuviel gewesen.

Dann erlöste der Schlusspfiff die noch anwesenden Zuschauer von ihren masochistischen Gefühlen, und die Spieler von ihrer samstäglichen Arbeitsverweigerung. Ein ordentliches Pfeifkonzert mit vielen Buhrufen begleitete die Mehrzahl der Herren in die Kabine. Man hätte meinen können, der Bundeskanzler habe die Idee zur Faulheitsdebatte nach Besuch dieses CFC-Heimspieles gehabt. Göhlert, Bittermann und Schmidt trauten sich noch, zu den Fans abklatschen zu kommen - ein ehrliches 'Hut ab' !! Im kurzen Plausch am Zaun wurde klar, das die Jungs sehr wohl wussten, was sie hier abgeliefert hatten - nur, das Warum konnten sie sich auch nicht erklären.

Fazit: Mit so einer "Leistung" wird der CFC zum Gespött der Liga. Fans vergrault, Sponsoren vergrault, Medien aufgescheucht. Den ersten zweifelhaften Titel des deutschen Profifussballs hat man nun mit 23 sieglosen Pflichtspielen schon in der Tasche. Und man ist auf allerbesten Wege, auch am Rekord des traurigsten Punktekontos (12 Punkte) Teilhaber zu sein.
Es ist rätselhaft, wie manche der abwanderungswilligen Spieler sich mit derartigen "Empfehlungen" einen neuen Verein suchen, oder den CFC zu einem besseren Angebot bringen wollen. Mit diesem Team und dieser Einstellung ist die Regionalliga nur eine Zwischenstation auf dem Weg nach unten.
Noch drei Spieltage, dann ist der Spuk vorbei - Augen zu und durch. Aber was kommt dann!? CFC - mir graust vor dir.

Wertung: 6,0

Bester Himmelblauer: Göhlert

31. Spieltag - 2. Bundesliga - Saison 2000/2001
Samstag, 28. April 2001, 15:00 Uhr
Fischerwiese, Chemnitz
Zuschauer: 2.777
Schiedsrichter: Rafati (Hannover)
Chemnitzer FC
T Ananiev
A Bittermann
A Holetschek
A SchmidtGelbe Karte
M Renn
M Podunavac (27. Göhlert)
M KlugeGelbe Karte
M OswaldGelbe Karte
M JendrossekGelbe Karte (58. Sobiech)
S PodszusGelbe Karte (64. Lakies)
S Kujat

Trainer: Karkuth
Stuttgarter Kickers
T Ramovic
A Keuler
A Maric
A Kritzer
M Marell (61. Silvinho)
M Fiel (70. Heberle)
M Raspe
M MinkwitzGelbe Karte
S Zimmermann
S Carnevale
S Cassio (82. Kümmerle)

Trainer: Zobel
Tore
0:1 Cassio (64.)
0:2 Zimmermann (69.)