Was für ein Wahnsinnsspiel!!! Nach einem völlig verdientem 0:2 Rückstand zur Pause, gewann der Chemnitzer FC die Partie gegen den SV Wehen Wiesbaden noch mit 3:2. Mit Kampf und Glück drehten die Himmelblauen durch 2 Tore von Selim Aydemir und einem Treffer von Anton Fink das Spiel. Alf Mintzel und Milan Ivana hatten zuvor die Hessen in Führung gebracht.
Vor dem Anpfiff der Begegnungen des 6. Spieltages regieren zunächst natürlich noch die Geschehnisse vom Montag auf der Fischerwiese. Es wird intensiv diskutiert, eine Erklärung der Fans gegen Rassismus und Gewalt verlesen und Rote Karten gegen Rassismus werden beim Auflauf der Mannschaften präsentiert. Unabhängig davon verliest auch CFC-Kapitän Carsten Sträßer eine vom DFB verordnete Erklärung gegen Rassismus, Gewalt und Pyrotechnik. Dass beim Pyro-Passus die Südkurve „Pyrotechnik ist kein Verbrechen“ skandiert, ist in der aktuellen Situation wenig sachdienlich.
CFC-Trainer Gerd Schädlich nimmt gegenüber dem Pokalspiel zwei Wechsel vor: Mit Benjamin Förster spielt wieder ein zweiter Stürmer und Selim Aydemir darf für Sascha Pfeffer von Beginn an ran. Die 4.300 Zuschauer versuchen mit „Auf geht’s Chemnitzer Jungs, schießt ein Tor für uns.“ sofort Stimmung auf die Fischerwiese zu bringen. Die Mannschaft nimmt das mit, Fink hat die frühe Chance auf die Führung, übersieht aber den besser postierten Förster (6.). Das war es dann aber auch mit Himmelblau. Die Stimmung flaut ab und Wiesbaden reißt das Spiel an sich. Janjic und Stroh-Engel schießen Phillip Pentke warm oder nur knapp am Tor vorbei. Der CFC kann froh sein, dass es noch 0:0 steht, als Anton Fink nach knapp einer halben Stunde die nächste Chance für Chemnitz hat: Seinen guten Freistoß lenkt Wehen-Torwart Gurski aber über die Querlatte. 3 Minuten später ist es dann passiert: Die Chemnitzer Defensive befindet sich im Tiefschlaf und Alf Mintzel schließt freistehend vor Pentke zum 1:0 ab (30.). Dann muss auch noch Innenverteidiger Toni Wachsmuth verletzt raus, es kommt Marcel Wilke (32.). Das Aufbäumen des CFC beschränkt sich auf einen Pfostenschuss von Anton Fink nach einer Ecke. Ansonsten aber kommt von den Himmelblauen nicht viel. Es fehlt einfach an allem: Kampfgeist, Präzision in den Zuspielen und Ordnung auf dem Feld. Der Kontrahent dagegen dominiert das Spiel mit schnellem, überlegten Spiel und hoher Ballsicherheit. So fällt das 2:0 durch Ivana (39.) auch völlig verdient. Einen strammen Schuss kann Pentke nur prallen lassen und der von Stenzel völlig allein gelassene Mintzel braucht nur noch zu Ivana zu schieben.
Mit Pfiffen wird die CFC-Elf in die Pause geschickt. Dazu scheidet mit Christoph Buchner auch noch der zweite Innenverteidiger aus, Thomas Birk rückt auf seine Position und Sascha Pfeffer übernimmt die Stelle des nach hinten beorderten Josip Landeka. Die Stimmung auf den Rängen ist am Boden. Die Erinnerung von Stadionsprecher Olaf Kadner, dass Wiesbaden in den letzten beiden Begegnungen ein 2:0 verspielte, wirkt wie der letzte schwache Hoffnungsfunke.
Was dann passiert, umreißt eine aufgeschnapptes Telefonat nach dem Spiel: „Robby, du hast hier echt was verpasst – ein Wahnsinnsspiel. Zur Halbzeit hab ich noch gedacht, wir verlieren hier wie gegen Schalke II 0:6.“ Aber es dauert 45 Sekunden nach Wiederanpfiff, da ist Chemnitz wieder oben auf. Maik Kegel und Selim Aydemir nehmen im Zusammenspiel die Hessenabwehr auseinander und Aydemir schiebt zum Anschlusstreffer ein. Der Funke springt sofort auf das Publikum über und wieder auf den Rasen zurück. Keine fünf Minuten später steht es wieder Remis. Aydemir schickt Fink in den Sprint, der lässt Jeff Gyasi stehen und schlenzt den Ball ins lange Eck (50.). Die himmelblaue Elf wird von den singenden Rängen nach vorn gepeitscht und macht jetzt Druck auf Wiesbaden. Die Gäste verlassen sich nur auf ihre technische Überlegenheit, können damit aber nicht mehr das Spiel dominieren. Es reicht nur noch zu einzelnen, aber gefährlichen Chancen durch Mintzel und Stroh-Engel. Auch wenn nicht alles gelingt, Chemnitz kämpft um jeden Ball und spielt auf Sieg. Doch dafür fehlen die großen Chancen – bis zur 86. Minute. Da schlägt Fink den Ball weit auf Aydmir, der geht an Günther vorbei und hämmert den Ball unter die Latte. Die Fischerwiese bebt auch mit den nur reichlich 4.000 Zuschauern in ihren Grundfesten. Nun hat es Wiesbaden auf einmal ganz eilig, aber sie bringen den Ball nicht mehr vor das Chemnitzer Tor. Und so gewinnt der CFC eine Partie, in der man zur Halbzeit große Angst um Chemnitz haben musste.
Verdient ist der Sieg unterm Strich, weil sich der CFC in der zweiten Halbzeit sensationell steigerte, kämpfte und einfach mehr ins Spiel investierte. Wehen dagegen nahm den Ausgleich fast gleichgültig hin und verließ sich zu sehr auf seine spielerischen Qualitäten. Schade nur, dass die himmelblaue Elf erst eine Pausenpredigt brauchte, um in die Gänge zu kommen. Heute hat es zum Glück noch gereicht, in den kommenden Spielen darf sich aber die CFC-Mannschaft nicht darauf verlassen.
Man muss schon lang ins Spielarchiv hinab tauchen, um ein CFC/FCK-Spiel zu finden, das nach einem 0:2 noch in einen Sieg gedreht wurde: Die CFC-Fanpage ist erst im Jahr 1969 fündig geworden, als im FDGB-Pokal sogar ein 0:3 gegen das aber dezimierte Wismut Gera noch in ein
5:3 [^] gedreht wurde. In der Liga war es am 14. Oktober 1967, als ein Heimspiel gegen Union Berlin ebenfalls nach 0:2 zur Pause noch
3:2 [^] gewonnen wurde – der FuWo-Bericht liest sich in Teilen ähnlich wie der heutige…
"Eine richtige Erklärung für die erste Halbzeit habe ich nicht. Warum auch immer - wir waren mit dem 0:2 gut bedient. Dazu gesellten sich in der ersten Halbzeit noch personelle Problem durch den kompletten Ausfall der Innenverteidigung. Ab der 46. Minute hat meine Mannschaft eine gute Reaktion gezeigt. Es wurde schnell und sehenswert kombiniert. Kompliment auch an die Zuschauer, wie sie die Mannschaft in der zweiten Halbzeit unterstützten."
"Glückwunsch und Kompliment an den CFC, der die richtigen Mittel gefunden hat, ein Spiel zu drehen. In der ersten Halbzeit hätten wir mindestens 3:0 führen müssen, aber so war es nur ein 2:0. Ich habe meine Mannschaft noch in der Halbzeit vor einem schnellen Gegentor gewarnt. Dann haben wir den CFC aber zwei Mal zu Toren eingeladen. Nach diesen schnellen Treffern konnten wir das Spiel normalisieren und hatten auch selbst gute Chancen, wieder in Führung zu gehen. Durch einen erneuten individuellen Fehler sind wir in Rückstand geraten, wobei wir in der Kürze der Zeit nicht mehr reagieren konnten."