Sachsenz Glanz und Preussens Gloria fanden nicht statt
von Frank Neubert
Das war es nun - das erste Heimspiel um Regionalligapunkte unter Matthias Schulz. Eine Woche hatte der designierte zukünftige Cheftrainer Zeit, seinen ersten Stempelabdruck zu hinterlassen. Gegen den 1.FC Köln hatten sich die Jungs in den ersten 10 Minuten schon glänzend präsentiert und ein 2:0 herausgeschossen.
Wie schon gewohnt, war natürlich wieder Pieselwetter und der geneigte Fan rätselte verzweifelt, ob er sich die Blöße als Schirmhalter geben sollte. Die Clubsurfer hatten zur Abwechslung mal ihre Zaunfahne vergessen - letzter Versuch der Schaffung einer Glückskonstellation für Heimsiege. Dafür hatten die 30 Gästefans 3 große Schwenkfahnen angeschleppt, mit denen sie fleißig herumwedelten. Ansonsten recht magerer Besuch, gerademal 2600 Unentwegten fiel zu dieser Zeit kein besseres Hobby ein.
Auf dem Rasen wurde bei den ersten Rollversuchen des Spielgerätes klar, daß Bittermann mal wieder zentral spielte und Walther unterstützen sollte. Interessant war die Besetzung der rechten Außenbahn mit Podzus, der Renn auf dieser Position ersetzte, und dies ganz gut umsetzen konnte.
Nach dem Überfall auf die Kölner ließ der CFC dieses Heimspiel gemütlicher angehen. Dem Gegner wurde ausgiebig Zeit und Raum gegeben, die Fischerwiese aus allen Perspektiven gut studieren zu können. Ein Stochern im Nebel beider Teams, welchen man anmerkte, daß beide unter enormen Druck standen. Nach einer guten Viertelstunde reifte dann bei den Himmelblauen die Erkenntnis, daß man wohl zu Hause spielen müsse, ein paar Zuschauer aus Block 7 hatten wohl zuviel Lärm gemacht. Der CFC nun etwas besser und geordneter im Mittelfeld, Fröhlich machte viel Betrieb über links. Erste gefährliche Aktion dann ein Freistoß von rechts, den Mehlhorn ohne jedes Gefühl am Tor vorbei fast ins Seitenaus ballerte. Die Preussen nun mit üblichen Konterfußball, wobei einem Angst und Bange werden konnte, wenn der 38jährige Lesniak unsere vergleichsweise "junge" CFC-Abwehr auseinandertanzte. Aber zum Glück gabs nur einen von der Sorte und das Schießpulver hatten die Münsteraner an diesem Tage auch nicht erfunden. Keine einzige Torchance für Gäste bisher.
Der CFC weiter am Drücker. Walther war im Mittelfeld oft am Ball, aber wie schon gehabt, fehlte ihm dann jegliche Inspiration, die Kugel verwertbar nach vorn zu passen. Podzus setzte sich auf der rechten Seite immer wieder gut durch und kam zumeist vor der Grundlinie zum Flanken, oder zog selbst nach innen - das sah richtig gut aus. Aber im Sturmzentrum passierte nicht viel, oder besser gesagt, gar nichts. Die Preussenabwehr hielt stand oder der Mann an der Linie gab Abseits. Selten wurde auf der Fischerwiese ein inkompetenteres Schieri-Gespann gesehen, als bei diesem Spiel. Vielleicht hatte der Herr in Grün-Schwarz ja auch gedacht, die ähnlich behosten Gäste wären alles Kollegen und er ist der Preisrichter beim Schiedsrichterballett. Dunkelgelb für diesen Auftritt !!
Dann wieder Freistoß für den CFC, wieder von rechts, wieder von Mehlhorn. Der Ball schwebt herein und sieht, wie sich zwei Abwehrspieler auf Rainer Krieg stürzen, der Torwart kommt zu allem Überfluß auch noch herzu und kollidiert bei dieser Menschenansammlung mit dem eigenen Verteidiger. Bei soviel Tumult dachte sich der Ball wohl "flieg ich halt weiter" und senkt sich nach 1m auf den Kopf des völlig vereinsamten Bittermanns, der keine Mühe hat, die Kugel ins leere Tor zu köpfen. Puh, was für ein Tor - aber egal, die Führung zählt. Jubel, Trubel, Heiterkeit auf dem Rasen und den Rängen.
Die Himmelblauen nun gelöster und die Gäste noch bißchen verkrampfter. Der CFC fing nun an, sich die Führung zu verdienen. Auch die Südkurve raffte sich zu einer Uffta auf und verbreitete gediegene Heimspielatmosphäre. Jetzt Ecke für die Heimmannschaft: Fröhlich zirkelt nach innen, der Keeper fliegt vorbei und Mehlhorn knallt von der Strafraumgrenze drauf, abgewehrt, Nachschuß von Hauptmann, wieder abgewehrt. Kurz darauf verlieren die bisher harmlosen Gäste den Ball im Mittelfeld, die Pille kommt zu Fröhlich, der noch zwei Abwehrspieler austanzt und dann aus 30m fulminant schießt - doch Stuckmann hält.
Es war wirklich kein gutes Spiel, von beiden Seiten nicht - und die Preussen waren bisher der schwächste Gegner, der auf der Fischerwiese in diesem Jahr vorspielen durfte. Nach einem Freistoss, der die Volksseele wieder zum Kochen brachte, setzt Küsters den Ball knapp neben den himmelblauen Pfosten - die erste Chance der Gäste. Dann wieder der CFC mit Göhlert, welcher auf und davon saust, doch im Abschluß Mehlhorn nacheifert und das Leder unter schmerzhaften Gestöhn der Zuschauer deutlich neben das Tor setzt.
Dann war Pause in diesem Gekicke, es gab artigen Beifall für die Führung, mehr aber nicht. Für Erheiterung der Fans sorgte dann lediglich die Ansage von Olaf Kadner, das die F-Jungend irgendwelche armen Willis mit 25:1 abgeschossen hatte. Tja, am besten Düngen und Gießen, damit die mal fix groß werden...
Über die zweite Halbzeit sollte man fast den Mantel des Schweigens hüllen, einfach schaurig, darüber berichten zu müssen. Wer gedacht hatte, der CFC kommt nun mit breiter Brust aus den Katakomben der FiWi, sah sich bitter enttäuscht. Im Gegenteil, die Gäste witterten Morgenluft und schickten sich an, auf dem Trümmerhaufen des ehemaligen Heimnimbuses der Himmelblauen fleißig herumzutrampeln.
Die Sachsen schauten locker zu, wie die Münsteraner 10% (mehr nicht !) drauflegten und nun zu richtig guten Chancen kamen. Links setzt sich Oldie Lesniak locker durch, flankt, schon liegt Winter quer in der Luft und ballert das Runde zum Glück für Hiemann über das Eckige. Die einheimischen Fans schauten betröppelt zu, wie sich die CFC-Abwehr mal wieder in Wohlgefallen auflöste - eigentlich wie immer. Als nächstes wurde Kruskopf herzlich zum Scheibenschießen eingeladen - aber immer noch ging die Kugel daneben. Zwischendurch ein himmelblauer Konter im eigenen Stadion - Krieg vergibt nach schöner Flanke von Walther. Und die Preussen schossen sich ein - Stefan Schmidt wird nicht gestört (wozu auch?) und knallt das Leder aus 35m an die Latte des CFC-Tores. Durchatmen bei den Fans und die bange Frage, wie lange das noch gut geht. In der 66. Minute endlich die erlösende Antwort auf diese Frage - Lesniak flankt von rechts und Antwerpen vollendet mit gekonnten Drehschuss in die lange Ecke. "Neuer Spielstand: 1:1" tönte es aus den Lautsprechern, und keiner konnte sich beschweren, daß es so gekommen war. Mein Gott, CFC - was ist nur mit dir los !!??
Es blieb, wie es war - die Gäste hatten mehr vom Spiel und die Platzbesitzer konterten. Eigentlich gab es zu den bisherigen Heimpartien nur einen Unterschied - die Gäste vergaßen, daß zweite Tor zu schießen. Und das sollte sich noch bitter rächen. Wenn man sich momentan auf Eines verlassen kann, dann ist es die Schlußoffensive der Chemnitzer Rasenkünstler. Wie, als wenn einer den Wecker gestellt hätte, ging 15 Minuten vor Spielende ein Ruck durch die Truppe. Meissner erwurstelt sich den Ball und legt quer auf den freien Krieg ab -der stürmt allein auf Stuckmann zu und setzt den Schuß, anstatt gefühlvoll zu heben, knapp über das Tor. Einfach zum Winseln. Aber es ging sofort weiter - Göhlert flankt von links und Meissner kommt in der Mitte frei zum Kopfball, leider behindert die Wade eines Gegners den Torerfolg. Aber dann, die 80. Minute - Walther passt quer durch das Mittelfeld auf den in den Strafraum startenden Krieg. Der Ex-Karlsruher bekommt auch das Streitobjekt, wofür er von hinten vom Gegner beharkt wird. Krieg fällt zusammen mit dem Abwehrspieler um - und es gibt berechtigten Elfmeter wegen Prassligkeit des Münsteraners. Also doch ein netter Schieri. Mangels anderweitiger Interessenten schnappt sich Walther den Ball und verwandelt dank seiner Stahlnerven und dem Pulleralarm sicher und gekonnt zum 2:1 für Himmelblau. Grenzenloser Jubel und Balsam auf die geschundene Chemnitzer Fußballseele.
Nun hektische Aktivität auf Münsteraner Seite - ein letzter Angriff der Gäste - doch man blieb sich treu, und so durfte Nischkowsky das Spielgerät noch einmal deutlich über die Latte knallen. Dann war Schluß in einem schlechtem Spiel, wo außer den 3 Punkten nicht viel Positives abfiel. Die Spieler kamen Hand-in-Hand mit dem Trainer in die Kurve und feierten den ersten Heimsieg der neuen Saison, was die Fans gerne über sich ergehen ließen...
Fazit: Gewonnen ist gewonnen. In 3 Wochen fragt danach keiner mehr. Fakt ist aber, daß die Mannschaft noch immer an ihrem Heimnimbus schwer zu basteln hat. Die Zeiten einer "Festung" Gellertstrasse sind nach wie vor nicht erreicht. Was zählt, sind die 3 Punkte - nur darauf läßt sich aufbauen. Die Art und Weise des CFC-Spiels läßt viele Fragen offen. Aber vielleicht sieht der CFC nach den Spielen gegen Kiel und Braunschweig, wo er nicht unbedingt das Spiel machen muß, ja gerade eine Chance zur Befreiung Viel Glück, Matthias Schulz, du kannst es momentan brauchen...
Wertung: 1.Halbzeit: 3, 2.Halbzeit: 5
Beste Himmelblaue: Fröhlich, Podzus, Bitterman
Pressestimmen
Chemnitzer MorgenpostKretschmann sagte Bitti-Tor voraus
Freie PresseMit Hängen und Würgen [..] Drei Punkte im Kasten - und Schwamm drüber!
BILD Chemnitz2:1! CFC siegt - aber spielt wie ein Absteiger [..] Die 2600 Zuschauer (Negativrekord in diesem Spieljahr) begleiteten die "Vorführungen" ihrer Chemnitzer teilweise mit Gelächter. Die höhere Form der Kritik...