Fünffacher Torjubel und für 11 Minuten im siebten Himmel
von Frank Neubert
Die Konstellation vor diesem vorletzten Spieltag war klar: Drei Punkte Abstand zwischen dem Spitzenreiter aus Cottbus und dem Tabellenzweiten aus Chemnitz, und noch dazu eine gleiche Tordifferenz. Da galt es ordentlich Meter zu machen gegen den Vorletzten aus Dessau, um einerseits das himmelblaue Torepolster auszubauen, gleichzeitig ein deutliches Ausrufezeichen in Richtung Spreewald zu setzen, auf das die dortigen Gurken so richtig sauer würden und natürlich Daumen zu drücken für den dortigen Gast Jena II, auf das die Thüringer den Spreewaldkahn vielleicht ins Schaukeln bringen könnten. Nun, geschaukelt hat der Spreewaldkahn, und auch der Club hat seinen Kantersieg geschafft - aber leider blieb alles so, wie vor diesem Spieltag...
Der Club begann gegen die Gäste aus der Junkers-Stadt ungewohnt zerfahren und nervös. Man merkte den Jungs an, dass sie sich viel vorgenommen hatten, aber Beine und Kopf spielten (noch) nicht so richtig mit. Dies nutzte Dessau, um immer wieder die himmelblauen Bemühungen zu unterbinden, und selbst den Ball nach vorn zu tragen. Nach etwas mehr als 10 Spielminuten plötzlich Raunen und Unruhe im Stadion - mit Windeseile verbreitete sich die Führung von Jena II ! Die Südkurve erwachte jetzt in ihrer ganzen akustischen Pracht und das ganze Stadion zog mit. Dies übertrug sich sogleich auf die Jungs auf dem Platz, welche jetzt umso mehr den Vorwärtsgang suchten. Kelle drosch mit brachialer Gewalt die Murmel in Richtung Tor und Gästeblock (19.). Sechs Minuten später vielleicht die Schlüsselszene des Spiels: Nach einer abgewehrten Ecke trudelt der Ball Schumann vor die Füße. Ausgerechnet Schumann, dem Chancentod dieser Saison! Doch Schumann schlägt einen Haken und zieht ab - und, nahezu unglaublich, der Ball schlägt aus gut 20m Entfernung mit schönster Flugbahn im Tor der Dessauer ein!! Grenzenloser Jubel bei Schumann selbst, und natürlich auf den Rängen!
Nachdem der Bann gebrochen war, lief es bei den himmelblauen Jungs wie am Schnürchen. Einmal noch durfte Dessau kurz Chemnitzer Strafraumluft schnuppern (Lesch, 30.), dann ging es bei den Himmelblauen so richtig "steil": In allerhöchster Not kratzte der Dessauer Keeper einen Baumann - Kopfball gerade noch von der Linie (31.). Dann wurde Kellig von Schlosser lang bedient, stürmte in den Gästestrafraum und wurde dort vom Gästekeeper von den Beinen geholt - Elfmeter für Chemnitz. Schumann übernahm die Verantwortung und erzielte souverän das 2:0 für den CFC. Eine Minute später schickte Schlosser erneut Kellig in den Strafraum, der zog sofort ab, und Spielau parierte per Glanzparade zur Ecke. Als genau jene Ecke hereinsegelte, war der Chemnitzer Torjäger zur Stelle und erzielte per Kopf das 3:0 (37.). Kurz vor der Pause bediente Sieber mit einem langen Ball aus der Abwehr den startenden De Napoli, der auf den Dessauer Kasten zulief, kurz davor blitzsauber auf Kellig ablegte, welcher locker-flockig zum 4:0 abstaubte (45.). Was für ein sensationeller Halbzeitstand !! Die Freude darüber trübte allerdings ein Blick aufs Handy und die dort vorhandene SMS, das es in Cottbus mittlerweile 1:1 stand.
Auch die zweite Hälfte begann mit einem Achtungszeichen der Sachsen-Anhaltiner. Frank Berger, letztes Jahr noch einer der "Garanten" des CFC-Abstiegs und mittlerweile in Dessau angestellt, bediente El Bousidi, der den Ball per Lupfer (48.) auf das Chemnitzer Tornetz setzte. Und genau da setzten sie wieder ein, die Sprechchöre: "Jena führt" !! Kurzer Blick aufs Handy, jawohl, 1:2 in der Lausitz, der Club war Tabellenführer !! Ein Traum. Sollte der Fußballgott etwa wirklich... !? Nach all diesen Jahren!? Rumms - und Baumann machte nach einem Freistoß von Schumann sogar das 5:0 !! Jubel, Trubel, Heiterkeit !! Der Club zu diesem Zeitpunkt Tabellenerster, zwar punktgleich mit Cottbus, aber mit +6 (!) Toren in der Vorhand !!
Doch dieser wunderbare Traum sollte noch zerfliessen wie eine Fata Morgana im Sand der brandenburgischen Kiefernwälder. Für genau 11 Minuten war der CFC ganz vorn, dann kam die schlechte Nachricht vom Ausgleich der Cottbusser (59.). Auf dem Rasen der Fischerwiese schaltete zudem der Gastgeber einen Gang zurück und verwaltete fortan das Resultat. Zwar brachte CFC-Coach Tino Vogel zehn Minuten vor Schluß noch Spielmacher Tomoski, doch Großchancen für den Club ergaben sich keine mehr. Im Gegenteil, der angesichts dieses Ergebnisses feststehende Absteiger aus Dessau legte Klömich sogar noch ein Ei ins Nest (Jahnke / 84.). Dieser Ehrentreffer interessierte aber nicht wirklich - auf den Rängen ging es nur noch um den Zwischenstand aus Cottbus. Beim gegenwärtigen 2:2 wäre man den jungen Senfgurken bis auf einen Zähler auf die Pelle gerückt. Schlußpfiff auf der Fischerwiese - 5:1 der Endstand. Und in Cottbus wurde noch gespielt. Dann plötzlich, der Alptraum: News aus Cottbus, das 3:2 war gefallen...
Und so wurden aus den eben noch freudigen Gesichtern, welche sich über den schicken, hohen Heimsieg und den vermeintlich auf einen Punkt verkürzten Abstand zum ersten Tabellenplatz freuten, sehr, ja sogar sehr lange Gesichter. Die Fanseele, ob man angesichts des Heimsieges nun jubeln oder ob des Cottbusser Treffers in der Schlussminute heulen sollte, tendierte dabei klar zum Letzteren...
Fazit: Der Club hat weiterhin seine kleine Chance, doch noch in die Regionalliga aufsteigen zu können, souverän bewahrt. Mit dem Kantersieg ist man nun sogar mit dem Torverhältnis in der Vorhand gegenüber den jungen Lausitzern. Gut so. An der Gesamtkonstellation hat sich jedoch leider gar nix geändert. Nur bei einem Ausrutscher der Cottbusser in Pössneck kann der Club am letzten Spieltag bei einem eigenen Sieg in Halberstadt den Aufstieg in die RL noch schaffen. Das diese Hoffnung nicht gänzlich unbegründet ist, hat das heutige Spiel in Cottbus bewiesen. Der Spitzenreiter hat gegen Jena mächtig Nerven gezeigt. Für den Club kann dies wiederum nur heissen: Auf sich selbst konzentrieren, gut vorbereiten, dass Spiel in Halberstadt gewinnen, und dann abwarten, was die Konkurrenz aus der Lausitz macht. Ach ja, und natürlich - alle Clubfans auf zum letzten Auswärtsspiel !!!
Wertung: 2,0
Beste Himmelblaue: Kellig, Schumann, Adamu, Sambou