Ein Wiedersehen mit den "Unaufsteigbaren aus dem Norden" ...
von Timo Görner
... Irgendwo hat jede Ecke Deutschlands seine "Unaufsteigbaren" Vereine. Im Osten durfte sich der 1. FC Union Berlin jahrelang das ans Revers heften, im Westen die Kölner Fortuna mit seinem "bekloppten Schäng" als Präsident, im Süden wird´s schon schwieriger, dort würde ich mal den SV Waldhof Mannheim in Ermangelung eines "klassischen Kandidaten" als einen solchen Verein hier preisen. Wenn ein Verein diesen "Kunstbegriff" in Norddeutschland verdient hat, dann sicherlich der "Braunschweiger Turnsportverein Eintracht", so die offizielle Bezeichnung der Blau-Gelben "Leibesertüchtiger". 1993 sahen sich der CFC und die Eintracht zum bis Freitag letzten Mal in einem Kampf um Punkte, dies in der 2. Bundesliga und der CFC fegte den späteren Absteiger im Sportforum mit 4 : 0 vom heiligen Rasen. Bis heute gelang der Eintracht nicht die Rückkehr in die 2. Bundesliga, trotz relativ guter Vorraussetzungen. Ein begeisterungsfähiges Umfeld mit bekloppten Fans im positiven wie negativem Sinne, fachlich durchaus guten Trainern (Sandhowe, Fanz) und einer zumeist durchaus solide und gut besetzten Mannschaft. Man scheiterte seit 1993/1994 beständig am immer wieder verschobenen Wiederaufstieg, mal am VfB Lübeck (1995), mal am VfL Osnabrück (1999, 2000), mal an Hannover 96 (1997, 1998). Immer wenn es drauf ankam, zeigten die benannten Rivalen dem BTSV die "lange Nase" zum Frust einer Anhängerschaft, die vor allem zu den Derbys in Lübeck, Osnabrück und vor allem Hannover locker mit einer vierstelligen reisenden Fanschar beeindrucken konnte, die bei diesen Derbys aber zuweilen durch Chaoten in den eigenen Reihen verunglimpft wurde. Womit ich im Fall von Hannover 96 vom absoluten Erzfeind der Blau-Gelben Supporter sprechen würde, knapp gefolgt vom VfL Wolfsburg mit seiner eher drögen Anhängerschaft. Aber auch zu eigentlich "richtigen Auswärtsspielen" wie vergangene Saison beim FC Sachsen Leipzig brachten die Braunschweiger eine beachtliche Truppe im Away-Sektor zusammen und brüllten die Niedersachsen zu einem 3 : 0 - Sieg. In dieser Hinrunde überzeugten die Braunschweiger die Konkurrenz und die Rückkehr in den überbezahlten Fußball schien nur eine Formsache zu werden.
Besonders gefrustet war die Blau-Gelbe Fraktion deshalb nach einer katastrophalen Rückrunde in der vergangenen Regionalliga-Saison, als eine hervorragende Ausgangsposition nach der Hinserie geradezu dilletantisch und kläglich vergeben wurde. Vor der Rückrunde von fast allen Trainern der RL-Vereine noch als sicherer Aufsteiger gesehen mutierten die Niedersachsen vor allem zum Schluss zum Punktelieferanten für Abstiegskandidaten, zum Zorn der Beteiligten, welche noch gegen die Braunschweiger spielen mussten, als diese "noch gewinnen wollten". Woran es lag darüber wurde heftigst diskutiert und wie so oft wurde letztendlich der Trainer gefeuert, wobei dies als letzter Akt einer Selbstzerfleischung galt, denn Reinhold Fanz war mit den Niederlagen noch umstrittener geworden, als er es zuvor schon war und letztendlich sah man in ihm den großen Sündenbock. Die Ursachen für die Misere lagen aber auch in der Zerstrittenheit der Mannschaft, die sich in öffentlichen Vorwürfen vor allem gegen "Fanz-Liebling" Frank Edmond manifestierte und dem Unvermögen, mit dem Druck vor allem in den Spielen gegen "Grottenmannschaften" wie Sachsen Leipzig (nur 1:1 zu Hause) u. a. klarzukommen, denn mit Punktverlusten gegen diese leichten Gegner begann der gnadenlose Absturz bis zum Saisonende und meine damalige Prognose, man wäre sogar noch abgestiegen, hätte die Saison 3,4 Spieltage länger gedauert, sehe ich als gar nicht mal so abwegig an. Am Ende stand man vor einem Scherbenhaufen sportlich und fast auch wirtschaftlich durch die Turbulenzen beim Geldgeber "Sportwelt" und mal wieder vor einem neuen Anlauf, den auch der zwischenzeitlich gekrönte Eintracht-Chef Gerhard Glogowski als ehemaliger Ministerpräsident und "Castor-Durchpeitscher" nicht verhindern konnte. Aber manchmal ist so ein krasses Ende auch die beste Chance für einen Neuanfang und mit Peter Vollmann als überaus rühriger und erfolgreicher Coach der Kölner Fortuna schien der richtige Mann gefunden, der nun in dieser Saison unter dem Motto "Nur der Aufstieg zählt !" Vollmann wurde bereits Tage vor dem Ende der vergangenen Saison verpflichtet und brachte im Schlepptau gleich 5 Spieler mit (Schanda, Ridder für die Abwehr; Nadj und Schuchardt für das Mittelfeld sowie Sümnich für den Angriff). Dazu wurden noch 6 weitere neue Spieler verpflichtet, macht also immerhin 11 Neuzugänge für die anstehende Saison, wobei Mark Barton (1. SC Göttingen 05, ehemals SV Werder Bremen), Rudi Istenic (KFC Uerdingen, ehemals Fortuna Düsseldorf) sogar über Erstligaerfahrung verfügen. Ansonsten stehen mit Frank Edmond (VfB Leipzig Saison 1993/1994), "Torwart-Dino" Uwe Zimmermann (VfL Wolfsburg) und natürlich "Bomber" Dirk Weetendorf (HSV, Werder Bremen) 3 weitere Spieler im Kader, die schon mal in der 1. Bundesliga aktiv waren, wobei Dirk Weetendorf seit knapp 4 Monaten verletzt ist, aber am Freitag zumindestens wieder zum Kader gehören soll. Dagegen verließen den Verein insgesamt bemerkenswerte 13 Spieler zuzüglich 2 Akteure, die fortan in der Eintracht-Reserve die Töppen schnüren. Schaut man sich die Neuzugänge an, so sind die Spieler darunter, die in der Rückrunde der vergangenen Saison eher für die Störfaktoren sorgten und das nicht nur mit schlechteren Leistungen auf dem Rasen wie Patrick Falk, der sich nicht genügend gewürdigt fühlte. 8 Spieler gingen Richtung "Unbekannt". Dienstältester Eintrachtler ist damit Jan Spoelder, der seit 1992 beim BTSV den Sprung in das Tor zu schaffen versucht sowie sein Reservisten-Kollege Sascha Kirschstein, welcher 1994 vom mir gänzlich unbekannten Lokalrivalen BSC Braunschweig zum BTSV kam. Der Rest hat eine "Verweildauer" von maximal 2 Jahren. Schon bemerkenswert. Als den "Kracher" unter den Neuzugängen wurde schließlich Daniel Texeira wenige Stunden vor Saisonbeginn an die Hamburger Straße geholt, nachdem sich Uerdingen-Präsident Herrmann Tecklenburg im Ablösepoker mit Union Berlin eine Nase geholt hatte. Das er die eigentlich mal angestrebten 1 Million DM oder wenigstens die 750.000 DM für den Brasilianer an Land gezogen hat, bezweifle ich mal ernsthaft.
Mit dieser eigentlich fast völlig neuen Mannschaft ging Peter Vollmann ins Rennen und bislang nimmt sich das Vorhaben "Wiederaufstieg Anlauf Nr. 8" so schlecht nicht an. Nach 7 Spieltagen steht man in Reichweite der Aufstiegsplätze. Es begann mit einem überzeugenden 4 : 0 - Heimerfolg gegen die U21 von Bayer Leverkusen und dem Rückschlag mit dem 1 : 3 in Essen, aber anders als in der vergangenen Saison folgte daraufhin kein Wehklagen und Zedern, es war eher sachlicher Realismus angesagt, so mindestens mein Eindruck. In den folgenden Spielen wurde dann auch wieder fleißig gepunktet, so mit einem 2 : 1 beim 1. FC Magdeburg, begleitet von fast 4.000 Blau-Gelben Schlachtenbummlern. Dann kamen 2 Spiele gegen Mannschaften, an denen man in den Jahren zuvor stets gescheitert war und hier blieb man tor-und sieglos. 0 : 0 gegen die Osnabrücker und 0 : 1 beim VfB Lübeck, wiederum begleitet von rund 3.000 Fans. Deshalb war das Spiel vor dem Spiel an der Gellertstraße gegen den KFC Uerdingen 05 auch eine Art "Schicksalsspiel" und dieses wurde wenn auch nach schwerem Kampf so doch insgesamt verdient mit 1 : 0 gewonnen, auch wenn das Braunschweiger Spiel kurioserweise nach dem Führungstor durch Dirk de Witt (Neuzugang aus Trier) von Unsicherheiten und Nervosität geprägt wurde, aber das kennen wir ja, oder ? Bei diesem Spiel traten von den insgesamt 11 neuen Leuten 5 von Anfang an gegen den Ball. Gerade aber "Mr. Tor" Daniel Texeira hat seine Torgarantie offensichtlich in Krefeld respektive in Berlin-Köpenick zurückgelassen, denn bislang konnte er nach meiner Statistik noch keinen Treffer erzielen.
Wer sich angesichts der Darbietungen unserer Spieler, abgesehen von "Hieme" und "Fröh", nicht abhalten lässt, am Freitag sich in die Kälte und gegebenenfalls den Regen an die Gellertstraße zu stellen, dem wünsche ich einen schönen Abend, ebenso den Eintracht-Supportern, eventuell ja von befreundeten Magdeburgern unterstützt.