Vorbericht

1. Runde - DFB-Pokal - Saison 2008/2009
Chemnitzer FC
Chemnitzer FC
0:1
TSG 1899 Hoffenheim
TSG 1899 Hoffenheim

In der Bundesliga zu Gast, in der Provinz zu Hause

von Erik Büttner

Als am 18. Mai 2008 auch der letzte Aufsteiger in die 1. Bundesliga feststand, da freute sich ein kleiner Landstrich namens Kraichgau im Südwesten der Republik. Doch der große Rest Fußballdeutschlands rümpfte sich die Nase: Die TSG 1899 Hoffenheim hatte es tatsächlich in die höchste deutsche Spielklasse geschafft.

Per ICE in die Bundesliga

19 Jahre ist es her, dass der Sturmlauf des Dorfvereins aus dem Rhein-Neckar-Kreis begann. Coup Nummer 1 war der Aufstieg der TSG aus der Kreisliga B. Die Kreisliga A wurde wie die Bezirksliga in einer Saison überwunden. Landes- und Verbandsliga waren je weitere 4 Spielzeiten Zwischenstation für die Sportgemeinschaft aus dem Sinsheimer Ortsteil. Im Jahre 2ooo zog Hoffenheim in die Oberliga ein. Nicht einmal ein Jahr später sahen über 4.000 Zuschauer – soviel Einwohner hat Hoffenheim nicht einmal – den Aufstieg in die Regionalliga durch ein 1:1 über den heutigen Drittligisten SV Sandhausen. Schon fast eine Ewigkeit verbrachte der Verein in der Regionalliga. „Erst“ 2007 konnte die nächste Versetzung, diesmal in die 2. Bundesliga, gefeiert werden. Dafür war die 2. höchste Spielklasse wieder nur einjährige Durchgangsstation und Hoffenheim im Sommer 2008 in der 1. Bundesliga angekommen.

Investor statt Mäzen

Der rasante Aufstieg hat natürlich einen Übervater: Dietmar Hopp. Der Gründer einer der größten Softwareschmieden der Welt, der SAP AG schnürte in seinen Jugendtagen bei der TSG die Töppen und unterstützt heute mit seinem milliardenschweren Vermögen unter anderem seinen Heimatverein. Diese Tatsache gepaart mit dem Aufschwung führte zu viel Neid in der Fußballszene. Nicht nur Anhänger der konkurrierenden Vereine schauen argwöhnisch auf den Werdegang der kleinen Sportgemeinschaft. Selbst Führungskräfte renommierter Vereine ließen sich zu polemischen Aussagen hinreißen. So sprach beispielsweise der Präsident des TSV 1860 München der TSG die Existenzberechtigung im Profifußball ab.
Doch Dietmar Hopp beteuert immer wieder, so auch in einem Interview der WELT, dass er der Turn- und Sportgemeinschaft kein Geld schenke. Er würde lediglich in den Verein investieren, mit entsprechenden Hoffnungen auf Gewinne, z.B. durch Transfererlöse oder Mieteinnahmen. Denn 1899 müsse für sämtliche Infrastrukturmaßnahmen an den Eigentümer, die „Dietmar Hopp Besitzgesellschaft“, Miete zahlen.
Doch die Aussage klingt nach „Milchmädchenrechnung“. Denn wie groß ist schon die Chance, dass der 68-jährige Hopp seine gesamten Investitionen in den Verein je vollständig zurück bekommt? Inklusive des neuen Stadions dürften die schätzungsweise bald die 100 Mio. EUR-Grenze knacken.

Neues Stadion in der Provinz

Die neue Arena in Sinsheim, direkt an der Autobahn A6 gelegen, wird übrigens einmal 30.000 Zuschauern einen Platz bieten und soll ein Austragungsort der Frauen-WM 2011 werden. Bis sie fertig ist, wird das Mannheimer Carl-Benz-Stadion Schauplatz der Bundesligaspiele sein. Fragen, ob der Neubau für die ehrgeizigen Pläne des Hoffenheimer Clubs nicht zu kleine geplant sei, verneint Hopp. Ebenso erteilt er Unkenrufen, die die neue Heimstatt der TSG als zu überdimensioniert ansehen, eine Abfuhr. Hopp sieht in einer Region mit 2,4 Mio. Einwohnern ein großes Zuschauerpotential für seine „Jugendliebe“. Das muss ich aber wohl noch im Rhein-Neckar-Raum rumsprechen. Zwar stieg der Zuschauerschnitt in den letzten 9 Jahren von knapp 1.500 auf knapp 6.000 in der letzten Saison an. Doch wenn Hopp bei 1.500 Mitreisenden nach München (1860) ins Schwärmen gerät und 3.500 nach Dortmund aufbrechende TSG-Anhänger eine Invasion nennt, dann weiß man, wo die Meßlatte liegt. Da passt es ins Bild, dass Hoffenheim am Sonntag genau einen Fanbus nach Chemnitz entsenden wird.

Erfahrung trifft auf Jungspunde

Mit Mitarbeitern stattlich ausgestattet ist auch die Bundesligamannschaft. In ihr finden sich prominente Namen, wie Jochen Seitz (31 /162x 1.BL, 15 Tore / 67x 2.BL, 7 Tore), Francisco Copado (34 / 43x 1.BL, 6 Tore / 160x 2.BL, 52 Tore), Vedad Ibisevic (24 / 24x 1.BL, 6 Tore / 31x 2.BL, 5 Tore), Selim Teber (27 / 37x 1.BL, 2 Tore / 86x 2.BL, 13 Tore) oder Zsolt Löw (29 / 31x 1.BL / 86x 2.Bl 5 Tore). Dazu gesellen sich eine Reihe hoch dotierter, junger (National-)Spieler, wie das Talent Andreas Beck (21), Sejad Salihovic (23 / Bosnien und Herzegowina), der Brasilianer Carlos Eduardo (21), der Franko-Senegalese Demba Ba (23) oder der Olympiateilnehmer Chinedu Obasi (22) aus Nigeria. Spieler Nr. 26, der Brasilianer Wellington Luis de Sousa (20 / Sturm), wurde am Donnerstag für vermutete 4,5 Mio. EUR verpflichtet. Er wird aber in Chemnitz noch nicht spielen. Mit einem Durchschnittsalter von 23,9 Jahren ist Hoffenheims Kader hinter dem HSV und neben Hertha BSC das Zweitjüngste der Liga. Man könnte meinen, in diesem Fakt spiegelt sich die gute Jugendarbeit wieder, die 1899 seit Jahren forciert. Natürlich auch durch Hopp gefördert, spielen die A- und B-Jugend in den jeweiligen Bundesligen; dazu gibt es jeweils eine 2 Mannschaft in der Verbandsliga. Auch in der C-Altersgruppe startet die TSG mit 2 Mannschaften.

Vom DFB verschmäht, von der TSG dankend genommen

Atemberaubend scheint auch der Betreuungsstab der Bundesligaelf. Cheftrainer ist seit Juli 2006 Ralf Rangnick. Er beerbte den heutigen Nationaltrainerassistenten Hansi Flick. Trotz schwäbischem Akzent hat Rangnick übrigens sächsische Wurzeln. Im Chemnitz-nahen Lichtenstein wohnt noch immer sein Bruder und eine Cousine. Deshalb ist auch die Fischerwiese Rangnick nicht fremd, stand er doch mit seinem Bruder schon in früheren Jahren auf deren Rängen. Der 50-jährige betreute neben Hoffenheim u.a. auch schon den VfB Stuttgart, Hannover 96 und Schalke 04
Zur Seite stehen Rangnick 3 Co-, 1 Athletik- und ein Torwarttrainer – darunter mit Tomislav Maric und César Thier bekannte Namen aus der 2. Bundesliga. Dazu gibt es einen Sportpsychologen und mit Bernhard Peters einen Direktor für Sport- und Nachwuchsförderung. Das ist genau jener Peters, der die deutsche Hockey-Mannschaft zu 2 Weltmeistertiteln führte und den Jürgen Klinsmann gern auf dem Stuhl des DFB-Sportdirektors gesehen hätte...

Peking statt Chemnitz

Natürlich lässt sich eine Stammelf nach lediglich ein paar Testspielen nicht bestimmen. Im Tor scheint nach der Muskelverletzung von Ramazan Özcan (24) Daniel Hass (25) die besten Karten zu haben. Das Gerüst der Abwehr werden wohl der erfahrene Seitz sowie Löw bilden. Die Fäden im Mittelfeld ziehen vermutlich Luiz Gustavo, Teber und Carlos Eduardo. Salihovic könnte aufgrund einer Muskelverletzung ausfallen. Das wird definitiv auch Stürmer Chinedu Obasi, der trotz heftigem Widerstand des Vereins zu den Olympischen Spielen gefahren ist. So werden wohl Ba und Ibisevic die Sturmführer sein.

Es bleibt der Zwiespalt, ob man sich als CFC-Anhänger auf die Partie am Sonntagabend freuen sollte, oder ob doch der Gram überwiegt. Immerhin kommt ein Erstligist, es ist aber eben auch nur Hoffenheim... Doch trotz aller (nicht unverständlicher) Polemik über den kleinen Verein aus dem Kraichgau sollte man Eines nicht vergessen: Zwar steckt ein schwerreicher Mann sein Geld in einen Provinzverein. Doch die Macher dort verstanden es bislang auch sehr gut, das Geld sinnvoll einzusetzen. Und da unterscheidet sich die TSG beispielsweise stark von manch anderem Verein, auch aus unseren Gefilden...
1. Runde - DFB-Pokal - Saison 2008/2009
Sonntag, 10. August 2008, 17:30 Uhr
Fischerwiese, Chemnitz
Zuschauer: 6.758
Schiedsrichter: Perl (München)


Tore

Die Bilanz

 ZahlSUNTore
Alle Spiele00000:0
Heimspiele00000:0
Auswärtsspiele00000:0
Ligaspiele00000:0
Pokal-/Relegationsspiele00000:0