Krise gegen Höhenflug, Zweifel gegen Selbstvertrauen pur …
von Timo Görner
… an einem Freitag, wo im Grunde alles für die Gäste spricht. Zumal der CFC bislang gegen die VSG Altglienicke nicht besonders gut aussah.
Die aktuelle Saison bislang:
Die Südost-Berliner spielen wie erwartet ganz oben mit, wobei man zeitweise schon weg vom Fenster schien. Wie andere Clubs dieser Staffel u. a. der CFC und Lokalrivale BFC war es aber eine konstanten Trendwende zum Guten, welche die Chancen zumindest zwischenzeitlich wieder erhöhten. 6 Punkte sind es als Dritter auf Tabellenführer Erfurt, bei allerdings 1 Spiel weniger. Hilfreich zudem die gute Tordifferenz, nur 3 schlechter als die Thüringer.
Die Blau-Weißen kamen gut rein, ungeschlagen 6 Spiele mit dem vielversprechendem Auftakt gegen Cottbus beim 2:0 und dem folgenden Sieg bei Chemie (2:1). Torreich der Heimsieg gegen Meuselwitz (5:2). Einzig das 2:2 gegen Luckenwalde unter den Erwartungen und Möglichkeiten. Die VSG gleich oben mit dabei, 14 Zähler waren absolut in Ordnung. Den ersten Dämpfer gab es dann beim Lokalderby, der BAK schickte die Mannschaft mit 4:0 nach Hause.
Bis zur Winterpause wurde der direkte Kontakt zum Staffelsieg verloren. Runde 8 bis 10 sah 3 sieglose Begegnungen nach dem BAK-Gastspiel gegen den CFC, Jena (0:0), Lok (1:2). Dazu der überraschende Patzer gegen Aufsteiger Greifswald (2:3). Dem standen die Gastspiele bei Hertha BSC II (5:0) und TeBe (6:0) gegenüber. Zum Abschluss 2022 ging das Ortsderby beim BFC knapp verloren, wurde die Führung nicht behauptet. Aus 1 Punkt waren deren 8 zu Platz 1 geworden.
In der Winterpause wurde personell reagiert, 2 vertraglose drittligaerfahrene Akteure geholt. Bislang mit vollem Erfolg, Altglienicke ist die Mannschaft der Stunde. Holte aus 7 Begegnungen 19 Punkte. Konnte in Erfurt und Cottbus mit 2:0 gewinnen, ganz wichtig. Chemie war in Berlin beim 0:4 auch chancenlos, wie Lichtenberg (3:0). Die VSG reist somit mit ganz viel Selbstvertrauen nach Chemnitz.
Ist beste Auswärtsmannschaft mit 8 Siegen und nur 2 Niederlagen bei 24:9 Toren – beste Defensive. Auf dem eigenen Platz im "Jahn-Sportpark" oder Amateur-Stadion von Hertha BSC sieht es nicht so überragend aus. 48:23 Treffer sind offensiv deutlich besser als wir, zweitbeste Bilanz. Als Abwehr auch noch Platz 5. Im Landespokal geht es am 25.03. zum Viertelfinale beim BFC Dynamo. Dem ranghöchsten Konkurrenten neben dem FC Viktoria.
Delegierungen seit dem Hinspiel:
Es gab 3 Ab – und 3 Neuzugänge, bei letzteren einen mit CFC-Vergangenheit.
Innenverteidiger Tim Häußler (25) war in den ersten 5 Spielen gesetzt, wurde dann suspendiert und schloss sich TuS Makkabi Berlin in der Oberliga Nordost Nord an. Die anderen beiden spielten gar keine Rolle.
Für das Tor kam Lino Kasten (21), 2020 aus der U19 des VfL Wolfsburg in die Profimannschaft berufen und zuletzt ausgeliehen an Zweitligist SKN St. Pölten in Österreich. Dort bis zur Verletzung im April 2022 klare Nr. 1. Steffen Schäfer (28) spielt die Häußler-Position, im Vorjahr bei Drittligist Verl. In der Herbstrunde gesetzt. Danach nicht mehr im Kader. Für Philip Türpitz (31) im offensiven Mittelfeld gibt es am Freitag ein Rückkehr an die alte Wirkungsstätte von 2014 bis 2016 wie auch zum Trainer. Stationen nach dem Weggang Magdeburg, Sandhausen, Rostock und Türkgücü München bis zu dessen Rückzug in der Vorsaison.
Die Sportliche Leitung:
Karsten Heine (67) hat im 4. Jahr das Sagen bei der ersten Mannschaft, Vertrag noch bis Ende der Saison. Unterstützt wird er von Torsten Mattuschka (42) und Dan Twardzik (31) als Co-Trainer. Oliver Hähnke (68) kümmert sich um die Torhüter. Lothar Hamann (71) fungiert seit über 5 Jahren als Sportlicher Leiter. Heine, Mattuschka und Hamann bilden ein eingespieltes Trio.
Das Kollektiv:
Im Tor ist Leon Bätge (25) klar gesetzt, ausgebildet beim VfL Wolfsburg und seit 2020 hier. Sogar mit einem Treffer, zum 2:2 in der Nachspielzeit in Babelsberg. Dahinter kommen Jonas Dieseler (23), 2 Einsätze im Pokal neben Florian Horenburg (21) und Winter-Neuzugang Lino Kasten (21), der auf 9 Spiele in der DFB U15 bis U18 kommt.
Als Innenverteidiger ist Kapitän Philipp Zeiger (32/3) die Konstante. Lucas Albrecht (32), Steffen Schäfer (28) und Charmaine Häusl (27) kämpfen um den festen Platz in der Kette. Als Linksverteidiger können die Trainer auf Gordon Büch (32) und Stephan Brehmer (30) bauen, wobei Büch zuletzt als Manndecker agierte und Brehmer die linke Seite besetzte. Rechts verteidigt meist der Kosovare Florijon Belegu (28/1), Alternativen sind John Liebelt (21) und Florian Sander (22).
Zentral vor der Abwehr gelten Jonas Dirkner (20) und Jamil Dem (30) als die wichtigen Spieler, wobei unser Ex-Kicker weiter vom Verletzungspech verfolgt ist. Das Prunkstück der Mannschaft ist die Offensivabteilung im Mittelfeld mit dem Türken Tolcay Cigerci (28/9), Philip Fontein (28/1) und Philip Türpitz (31). Cigerci als einer der Top-Spieler der Liga mit 18 Torbeteiligungen. 38% aller VSG-Treffer. Mit Benito Fritzsche (19) muss sich ein U19-Kader hinten anstellen.
Nr. 1 im Angriff ist Mittelstürmer Tugay Uzan (29/10), bereits 3 "Doppelpacks" stehen auf der Habenseite. Mit Patrick Breitkreuz (31/6) gibt es hier zudem eine mehr als solide Nr. 2 in der Zentrale und auch der Ghanae Peterson Appiah (26/2) ist kein Flop. Keine Chance für Arlind Shoshi (25). Stark besetzt auch die Flügel, Linksaußen der Schwede Kolja Oudenne (21/5). Rechts überzeugt Appiahs Landsmann Shean Mensah (23/3), klar vor dem Letten Aleksandrs Guzlajevs (25). Oudenne legte für 7 Tore auf, Mensah noch mal für 6.
Der Kader der VSG hat enorme Qualität. Mehrere Akteure haben höherklassig gespielt. Türpitz, Breitkreuz, Uzan, Cigerci, Zeiger, Schäfer, Dem, Häusl, Albrecht. Vor allem die Abteilung "Tore vorbereiten und machen" ist Spitzenniveau in dieser Liga.
Einkaufsbilanz:
16 Neue gab es bis heute, 13 vor der Saison.
Von den 13 konnten sich Gordon Büch (Racing FC Union Luxemburg), Tolcay Cigerci (Samsunspor), Jonas Dirkner (Hertha BSC II), Kolja Oudenne (Tasmania Berlin), Shean Mensah (Blau-Weiß 90 Berlin) als Stammspieler etablieren. Bei Oudenne, Mensah durchaus überraschend. Cigerci war der erhoffte "Volltreffer" und eine enorme Verstärkung.
Von den Winter-Neuen kommt Philip Türpitz bislang am besten zurecht, in 4 Begegnungen 2-mal in der Anfangsformation.
Fazit: quantitativ durchschnittlich, qualitativ sehr effektiv.
Strafbank / Krankenlager / Parteistrafen:
Manndecker Charmaine Häusl (25) fehlte zuletzt wegen Oberschenkelproblemen. Jamil Dem (30) aufgrund von Sprunggelenksproblemen.
Gewinner der Saison:
Kolja Oudenne schaffte mit dem Wechsel den Klassenerhalt und auch bei einem Spitzenteam der Liga den Stammplatz. Shean Mensah kam aus der Oberliga und ist meist gesetzt.
Die Bilanz gegen die VSG Altglienicke:
5 Spiele gab es bislang, von denen der CFC die letzten 4 nicht gewinnen konnte. Nur im ersten Duell am 12. September 2018 konnten wir jubeln, beim 2:1 in der Hauptstadt. Danach hieß es 4:4 – 0:2 – 1:4 und 3:3 in der Herbstrunde. 14 Gegentreffer in nur 5 Begegnungen sind ein bemerkenswert negativer Fakt.
Prognose:
Das Potential, bis zum Ende um den Staffelsieg mitzuspielen, ist zweifellos vorhanden, einziger nennenswerter Nachteil gegenüber den Konkurrenten ist die fehlende Heimstätte und Zuschauerunterstützung. Tipp: Platz 1 bis 4.
Das Umfeld:
Trotz der starken sportlichen Leistungen nicht erst seit dieser Spielzeit ist der Zuspruch eigener Fans auf den Rängen mager. Mit 293 im Schnitt befinden sich die Blau-Weißen am Ende der Liga. Etwas mehr als im Vorjahr bei 289. Eine Saison auch diesmal mit "34 Auswärtsspielen". Mal im Amateur-Stadion von Hertha BSC in Charlottenburg. Mal im "Jahn-Sportpark" am Prenzlauer Berg im Osten. Je nach Belegung der Spielstätte am Olympiastadion oder dem Zustand des Platzes. In Berlin bekanntermaßen so eine eigene Geschichte. Den besten Besuch gab es gegen Chemie (650). Den CFC wollten nur 201 sehen, Meuselwitz zuletzt 282.
Wohin der Weg bei einem Drittligaaufstieg führt: der "Jahn-Sportpark" scheint derzeit wohl realistischer als die Anlage von Hertha BSC II. 5.400 dürfen hier offiziell rein. Mindestens ein Drittel der Zuschauerplätze müssten überdacht sein. 750 wie vorhanden wären zu wenig. Ebenso unter den Vorgaben die 1.100 Sitzplätze – 2.000 + x sind gefordert. Allerding soll die Arena, wo es einst Europapokal-Spiele gab, nach den Plänen vom Dezember 2022 in 2023 abgerissen und bis 2027 umgebaut werden. Alternative Olympiastadion? Wohl kaum. Die "Alte Försterei" des 1. FC Union schon eher. 2020 hätte man im Aufstiegsfall dort spielen können, das OK von Union lag damals vor.
Wirtschaftlich gilt die Fußball-Abteilung der VSG als stabil, wobei für Außenstehende wenig bekannt ist. Mit Daniel Böhm (46) hat hier der Ex-Trainer von 2014 bis 2015 das Sagen, gilt als Mäzen und Investor. Anders sollten hier Profibedingungen zudem mit den genannten Spielern so nicht denkbar sein, die Sponsorenbasis ist eher mit kleineren Geldgebern gekennzeichnet. Ob sich das in der 3. Liga enorm verändern würde, nicht zu prognostizieren.
