Das Abstiegsgespenst sagte freundlich "Guten Tag"...
von Frank Neubert
Nach dem Aus für den CFC im Sachsenpokal kam am Donnerstag auch das Aus für den "netten Onkel" Chefcoach Matthias Schulz, der noch vor gut einem Jahr "Schleifer" Dirk Karkuth beerbt hatte. Die anhaltende Niederlagenserie in der Regionalliga und vor allem die desolaten Auftritte der Truppe gaben dem Präsidium Anlaß, den bisherigen Cotrainer Dirk Barsikow als Interimscoach zu beauftragen. Fragen dazu dürfen jedoch gestellt werden - denn Schulle als alleinigen Sündenbock abzustempeln, wäre viel zu einfach. Viele Meinungen im Umfeld des CFC zielten auch in die Richtung, daß die Spieler selbst einmal ihre Einstellung hinterfragen sollten, wie die momentanen Leistungen auf dem Platz aussehen und wer bitteschön das Runde nicht im Eckigen unterbringt.
Die Fans des CFC, denen in den letzten 3 Jahren die Cheftrainer Franke, Kuze, Karkuth und Schulz präsentiert wurden, hatten ebenfalls gestrichen die Schnau.., pardon, Nase voll und entschlossen sich zu einer groß angelegten Protestaktion im Stadionrund. Unter dem Mantel des Fanprojektes trafen sich noch am Freitagabend einige der aktivsten CFC-Fanclubs und pinselten auf 80m Tapetenbahn 11 markige Sprüche, die die Mannschaft eindeutig an ihre Teilschuld erinnern sollten. Noch dazu sollte es in den ersten 45min keinerlei Support geben und die Südkurve mit schwarzen Planen verhangen werden. In der Kürze der Zeit war dies wohl die gewaltigste Fanprotestaktion, die die Fischerwiese je erlebt hat. Beinahe hätte der Dauerregen das Aufhängen der Transpis noch verhindert, aber der Fußballgott hatte kurz vor 14 Uhr den Wettergott wohl mal fix ins Kino geschickt.
Pünktlich zum Anpfiff hatten sich 2331 unerschütterliche Optimisten, himmelblaue Zweifler und freudig erregte Masochisten im Stadion eingefunden. Unter ihnen auch eine 80-köpfige Abordnung aus der Filmstadt Babelsberg, die den Gästeblock zum Käfig voller Narren machte. Allen voran das "Filmstadtinferno", von denen ca. 20 Mann mit hübschen silbrigen Schutzanzügen durch den Block hüpften - hoffentlich hatten die Herren dabei den CFC nicht mit dem unaussprechlichen Dorf in den strahlenden Bergen verwechselt.
Beim Einlaufen der Mannschaften gab es dann doch etwas längere Gesichter beim CFC, als die Truppe von Block 1 bis Block 7 mit Transpis wie "Gestern Schulle - Morgen Ihr!!", "Mobbing fetzt!!", "Schulle hat die Spiele nicht verloren!" oder "Und wann mobbt ihr Barsi raus?" begrüßt wurde. Ob es nun die Banner waren, oder die zweitägige Hand Barsikows *ähem!*, jedenfalls trabten die himmelblauen Helden ziemlich forsch über den Rasen, ja, mehr sogar - man raffte sich zu einem richtig guten Spielchen auf. Mehlhorn eröffnete den Ballermann Run mit einem hübschen Freistoß aus 30m, kurz darauf köpft Schmidt nur knapp neben das Tor, und schließlich bringt Meissner den Babelsberger Keeper aus 20m in ärgste Nachfassnöte. Höhepunkt der Anfangsoffensive war nach 17 Minuten ein genialer Trick vom stark agierenden Rainer Krieg, der sich wie in besten Zeiten um seinen Gegner herumwindet und urplötzlich frei vor Herber zum Schuß kommt - leider klatscht das Geschoß nur an den Pfosten. Trotz dieser guten Szenen eisernes Schweigen in der schwarz verhüllten Südkurve.
Nach diesem Sturmlauf kam Babelsberg besser ins Spiel und bewies mehrfach, daß die CFC-Abwehr nur auf tönernen Mehlo-Göhli-Füßen steht. Chalaskiewicz wurde die Ehre zuteil, als ältester Spieler der Regionalliga (38) den ersten SVB-Schuß abgeben zu dürfen. Bei der nächsten Szene konnte sich der CFC schon bei He-Man bedanken, als Schmidt von Gatti überlaufen wird, dieser völlig allein auf das Tor zueilt und den Ball nicht durch die Füße von Hiemann bekommt. Nur kurz darauf wieder eine 1000-Prozentige für den SVB, als Härtel aus 5 Metern völlig freistehend über den Kasten säbelt. Glück gehabt, CFC!
Im Gästeblock war jetzt Zirkuszeit. Die Ganzkörperkondome rannten erst mit einer irischen, dann einer finnischen und zum Schluß mit einer Jungpionierfahne durch den Block. Und dann rannte die ganze Truppe gemeinsam um die Wette und und setzte immer mal wieder zu einem Scheinsturm auf den Zaun an. Auf dem Rasen war jetzt wieder der CFC am Drücker - diesmal prüfte Meyer den Potsdamer Schlußmann, Nachschuß von Meissner - Demir steht diesem im Weg, nimmt an, und verwandelt. Tor!! Nee, denkste - Abseits !! Argghh !! Und weiter ging es: Krieg in Glanzform mit einem guten Schuß aus dem Hinterhalt, aber Herber kann mit viel Mühe klären. Kaum hatte der Keeper durchgeatmet, flog schon wieder eine Freistoßbombe von Mehlo auf das SVB-Gehäuse, doch wieder kriegt der Teufelskerl die Hände an den Ball. Es war schlichtweg zum Heulen. Als in der Kabine schon der Pausentee gebrüht wurde, gab der Schieri noch einmal Freistoß vor dem CFC-Tor. Hiemann dirigiert seine Mauer und Schlitzohr Chalaskiewicz schaut interessiert zu. Ein paar Sekunden später weißt der Pole den CFC-Keeper in Form des unhaltbaren 0:1 deutlich darauf hin, daß auf der rechten Seite der Mauer gut 2 Leute gefehlt haben. Irgendwie unfassbar. Mit dem Pfiff des Schieris und den Pfiffen der Zuschauer ging es in die Kabine.
Der Start zur zweiten Halbzeit begann äußerst nebulös, oder anders, aus dem Gästeblock stieg eine gewaltige Rauchsäule in den Himmel, aus deren dickster Mitte dann noch 3 Leuchtraketen aufstiegen. Für Freunde der italienischen Ess- und Fankultur ein echtes Schmeckerchen. Die Nebelbombe war derart heftig, daß die Spieler bis auf Biermann (lehnte am Zaun von Block 4) allesamt in den Tunnel zurückeilten. Als der Nebel aufzog, ergab sich dann das lustige Bild, daß Biermann scheinbar völlig allein den Schwaden auf dem Platz getrotzt und widerstanden hätte. Dann wurde Fußball gespielt, und zwar vornehmlich von den Himmelblauen. Tchipev schließt den ersten Angriff nach der Hz mit einem sattem Flachschuß ab, doch statt dem 1:1 nach Toren folgte nur das 2:0 nach Pfostentreffern *plong*. Die himmelblaue Lawine kam nun erst recht ins Rollen - nach einem erneuten Freistoß von Mehlo versucht Meissner, die Kugel aus 15m im Kasten zu versenken, aber Torwart Herber bekommt im Fallen den Ball an den ausgestreckten Fuß - resignierendes Kopfschütteln aller Orten. Und wieder Meißner, diesmal aus 11m mit einem verdeckten Schuß - und wieder kriegt der Goali den Ball zwischen die Finger. Es ist müßig, alle CFC-Chancen aufzuzählen - der treue Fan wird bestätigen, daß allein in den letzten 4 Spielen nicht so viele Torchancen herausgearbeitet wurden. Später erzielte Demir sein zweites Abseitstor in diesem Spiel, noch etwas später pfefferte auch Krieg nach einem Abseitspfiff die Kugel in die Maschen - scheinbar hatte sich der Fußballgott entschieden, den Ball heute nicht über die Linie des Babelsberger Tores rollen zu lassen. Babelsberg selbst blieb durch die Löchrigkeit der CFC-Abwehr zwar stets gefährlich, aber eine verdiente Führung sieht anders aus. Nur einmal unterstrich der SVB vehement seine Qualitäten, als Biermann für den geschlagenen Hiemann einen Kopfball von Fensch von der Linie kratzen muß.
Gegen Ende des Spieles sorgte dann Interimscoach Barsikow mit seinem Wechselspielchen für allgemeines Kopfschütteln, als er für den agilen Meyer den "Schauhasen" Walther einwechselte. Für einige Fans immer noch Fußballgott, aber gemessen an der sportlichen Leistung ein erstklassiger Kandidat für die Tribüne. Der zu diesem Zeitpunkt eher erwartete Mboma durfte dann die letzten 5 Minuten (!) ins Geschehen eingreifen und, als ob der CFC eine Führung über die Zeit retten müsse, wurde 1 Minute später erneut ausgewechselt - diesmal traf es den starken Krieg, der für die restlichen 4 Minuten Rolleder Platz machen mußte. Egal wie, am Ende half alles nix, der CFC hätte trotz respektabler Leistung wohl noch 3 Stunden spielen können, ohne daß die Pille in der SVB-Schachtel versenkt worden wäre. Böse Erinnerungen an die Katastrophensaison wurden wach, als der CFC unter Karkuth ebenfalls das Pech gepachtet hatte und die häßliche Fratze des Abstiegsgespenstes Dauergast auf der FiWi war. Nach dem Schlußpfiff blieben einige Spieler (Biermann, Zedi) enttäuscht auf dem Rasen liegen, andere zogen den Gang in die Kabine vor. Ein Abklatschen am Zaun fiel komplett aus, wozu auch, die immer noch hängenden Transpis brachten ungewollt auch nach diesen 90 Minuten genau die richtigen Worte zur mißlichen Stimmung zwischen Fans und Mannschaft herüber.
Fazit: Die erfreuliche Botschaft lautet: Der CFC kann noch Fußball spielen! Einsatzfreude und Kampfmoral haben endlich wieder einmal gestimmt. Mit einer konstanten (!) derartigen Leistung werden früher oder später auch wieder Tore fallen und Punkte eingefahren. Lediglich das Spielverständnis untereinander ist, wie so oft, ausbaufähig. Die schlechte Nachricht lautet: In der himmelblauen "Familie" gibt es menschliche Abgründe. Niemand wird einem Aussenstehenden erklären können, daß zwei Tage Training unter Barsikow eine derartige Leistungsexplosion bewirken können. Scheinbar wird der CFC von einigen seiner Spieler regiert und trainiert. Innerhalb eines Jahres wurden sowohl Karkuth als auch Schulz "gegangen". Wer jedoch nach außen hin eine derartige Macht demonstriert, darf sich nicht über eine kritische Fanszene und harte Worte in der Öffentlichkeit wundern, sondern sollte einmal seine eigene Einstellung zum Beruf hinterfragen. Karlheinz Schrauber kann sich bei VW seinen Chef auch nicht aussuchen, sondern muß mit ihm gemeinsam auskommen und erfolgreich sein. Unter diesen düsteren Vorzeichen bleibt dem gemeinen Fan nur die Hoffnung, daß die Herren Profis genügend Gefallen daran finden, den Verein vor dem Gang in die Oberliga zu bewahren.
Wertung: 2,5 (gut gekämpft, aber verloren)
Beste Himmelblaue: Krieg, Meyer, Tchipev
Pressestimmen
Freie PresseDer alte Chalaskiewicz linkt CFC mit rechts"
"[..] Ein bisschen war bei der 0:1-Schlappe gegen Babelsberg das Gute auch das Schlechte dabei. Denn worauf soll der geneigte Fan noch hoffen, wenn auch die zuletzt vermissten Tugenden wie bedingungsloser Einsatz und Kampfgeist nicht zum Sieg reichen? [..] Zwölf gute Torchancen, davon zwei Pfostentreffer von Rainer Krieg und Tzvetomir Tchipev, lautete die große, aber nicht gewinnbringende Ausbeute. [..] Dass der 38-jährige Pole
(Chalaskiewicz ist gemeint), der älteste Spieler der Regionalliga, gedanklich frischer ist als die halbe CFC-Elf, spricht Bände und verdeutlicht die verzwickte Situation. [..]
Märkische AllgemeineMit Leidenschaft zum Sieg"
"[..] Vor allem in der ersten Hälfte hatte Babelsberg bei ein paar schnell und dynamisch vorgetragenen Kontern mit Direktkombinationen die besseren Chancen (Gatti, Härtel, Lorenz). [..] Chemnitz war in der zweiten Hälfte optisch überlegen und bei einigen tumultartigen Strafraumszenen und Pfostenschüssen kassierte der SVB nur durch den starken Keeper Oliver Herber und Glück keinen Gegentreffer. [..]
DPASchlechter Einstand von CFC-Coach: 0:1 gegen Babelsberg"
"[..] Die Gastgeber begannen engagiert, wirkten in ihren Offensivbemühungen aber verkrampft. [..] Nach dem Wechsel drückten die Chemnitzer verzweifelt auf den Ausgleich, konnten den Ball aber trotz vieler Chancen nicht im Gehäuse des Gegners unterbringen.
Kicker[..] Der Erfolg war verdient, weil Babelsberg auch in Unterzahl mit viel Kampf die Führung verteidigte. [..] Die Chemnitzer kämpften um jeden Ball, waren in ihren Mitteln aber beschränkt. Im Abschluss fehlte es zudem an Durchschlagskraft. [..]
MDR-OnlineFreistoßtor besiegelt CFC-Niederlage"
"[..] Chemnitz agierte über die gesamte Spielzeit mit viel Leidenschaft und Einsatzfreude. [..] Chemnitz machte das Spiel - Babelsberg konterte. Die schnellen Tempogegenstöße waren brandgefährlich. [..] Chemnitz blieb am Drücker und bestürmte das Gäste-Tor, doch der Ball wollte einfach nicht über die Linie. [..]
Trainerstimmen
Dirk Bariskow bei MDR-OnlineIch bin natürlich traurig, dass es nicht zu einem Punktgewinn gereicht hat. Es war eine deutliche Leistungssteigerung erkennbar, die Mannschaft hat sich bemüht.
Wolfgang Sandhowe bei MDR-OnlineMit der kämpferischen Leistung bin ich zufrieden. Wir haben zum Schluss auch in Unterzahl toll gefightet. Bemängeln muss ich die Chancenverwertung. Wir hätten in der ersten Halbzeit eher in Führung gehen müssen.