Spielbericht

17. Spieltag - Regionalliga Nord - Saison 2002/2003
Chemnitzer FC
Chemnitzer FC
2:0
1. FC Köln II
1. FC Köln II

Ein Hauch von alter FCK-Luft schwebte über der Fischerwiese

von Frank Neubert

Nachdem sich der CFC in den letzten Tagen intensiv um die Verpflichtung eines neues Chefcoaches bemüht hatte, wurde Anfang der Woche das FCK-Urgestein Joachim Müller als neuer Trainer der Himmelblauen präsentiert. Die älteren Fans schnalzten mit der Zunge und die jüngeren waren voll gespannter Erwartung. Und so kam es, daß mit 2.753 Leutchen trotz der ständigen Mißerfolge immerhin 400 Fans mehr als zur Heimniederlage gegen Babelsberg auf die Fischerwiese pilgerten. Gegen den SVB gut gespielt und nun noch JM als Trainer? Das mußte doch eindeutig einen Heimsieg ergeben! Das die Kölner momentan eine Serie von 3 Siegen in Folge, 6 ungeschlagenen Spielen und eine imponierende Auswärtsbilanz von 12 Punkten vorweisen konnten, haben wohl die wenigsten Fans wirklich gewusst. Aus der Domstadt hatten sich handgezählte 21 Fans nach Sachsen verirrt.
Vor dem Anpfiff präsentierten die Ultras am Südkurvenzaun die Worte "Was gut war - kommt wieder", wobei genau in der Mitte ein Transpi mit dem alten FCK-Trikot von Joachim Müller und seiner legendären Nummer 8 gezeigt wurde. Fein gemacht - und schon gab der Schieri die Kugel in Richtung Fankurve frei.

Die ersten 5 Minuten sahen sich die Kölner einer regelrechten Lawine ausgesetzt, die unaufhörlich auf sie zurollte. Jeder Kölner wurde zum frühestmöglichen Zeitpunkt attackiert und dem Ball unaufhörlich hinterhergerannt. Erinnerungen an alte FCK-Zeiten wurden wach, als man dort ebenfalls von der ersten Minute an überhaupt keinen Zweifel aufkommen ließ, wer auf der Fischerwiese zu Hause war und wer lediglich mal zu Besuch war. Müller bot mit Demir, Mboma und Meyer 3 nominelle Spitzen auf, die von Meissner extra noch unterstützt wurden. Ausdruck der offensiven Spielweise dann auch Beifall auf offener Szene und erste Torchancen, von denen Demir zwei halbe Chancen zu zwei ganzen Torschüssen verwertete und Meissner einen Kopfball über die Latte jagte. Kurz darauf zieht wiederum Meissner aus ca. 25m trocken ab, sein Schuß wird jedoch vom Torwart glänzend pariert.
Nach dem stürmischen Anfang ließ der CFC die sichtlich beeindruckten Amateure erst einmal etwas Luft holen, was denen nur zu gut gelang. Erste Ausflüge in Richtung Hiemanns Kasten sorgten für erste Stirnrunzler. Zum Glück machte die Abwehr gegenüber dem Spiel gegen Babelsberg einen etwas gefestigteren Eindruck. Mit zunehmender Spielzeit kamen die Kölner Amateure immer besser ins Spiel und so kamen diese durch ihren Torschützen vom Dienst, Frederico, zur ersten guten Chance - sein direkter Freistoß aus 20m wird aber zur sicheren Beute von Holger Hiemann.
Beim CFC lief sehr viel über die linke Seite, und da vor allem über den stark spielenden Andreas Biermann, der an vielen Aktionen beteiligt war. Ab und zu ließ auch Mboma sein Können aufblitzen, zeigte jedoch gegenüber der Kölner Abwehr klare Schnelligkeitsnachteile. Insgesamt konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß der CFC gegen Babelsberg agiler und spielfreudiger gewirkt hatte. Vor allem aus dem Mittelfeld kam durch den stets defensiv agierenden Walther und den angeschlagenen Tchipev diesmal sehr wenig Unterstützung für den Sturm. Beleg dessen auch die Szene, als Demir im Mittelfeld einen Angriff der Kölner abfangen muß, den startenden Meissner sieht und seinen Stürmerkollegen glänzend bedient. Meissner setzt sich geschickt gegen 2 Abwehrspieler durch, hebt dann jedoch die Kugel über den Torwart und am rechten Pfosten vorbei - die einzige Hundertprozentige der ersten Halbzeit war vertan.
Kurz vor dem Pausentee setzten auch die Domstädter noch ein Achtungszeichen, als deren Kapitän unvermittelt aus dem Hinterhalt abzieht und das Leder nur knapp am linken himmelblauen Pfosten vorbeizischt. Dann war Halbzeit in einem mittelmäßigen Regionalligaspiel, welches nicht zu Unrecht noch 0:0 stand.

Matchwinner mit dem Treffer zum 1:0 und der Vorbereitung zum 2:0In der zweiten Halbzeit setzte sich der müde Kick erst einmal fort. Aber auch hier ein Hauch vom alten FCK, den Müller wohl mitgebracht hatte - es wurde nicht direkt schlecht gespielt, nein, es langte heute eben zu nicht mehr. Trotzdem gab die Truppe durch Einsatz, simples Rennen und Schießen zu verstehen, daß sie heute einfach siegen wollte. Tchipev war der Nächste, der sich im Schießen versuchen durfte, sein Freistoß aus 30 Metern wird jedoch locker vom Torwart pariert. Die Kölner brachten zu diesem Zeitpunkt gar nix nach vorn zustande - dem CFC konnte es nur lieb und recht sein. Vielleicht ärgerten sich die Kölner auch über die fleissigen Uffta-Gesänge in der Südkurve, die immer wieder die Textzeile "Schei* Amateure" wiederholten, obwohl gerade die Kölner vielleicht noch diejenige Ama-Truppe sind, die die wenigstens Profis zum Einsatz gebracht hat.
Der CFC versuchte immer wieder, sich vor das Tor der Gäste zu kämpfen. Diesmal holt sich Ersin Demir den Ball aus dem Mittelfeld, kurvt einmal links und einmal rechts durch die Abwehr und zieht von der Strafraumgrenze ab. Leider bekommt auch diesmal der Keeper die Fingerspitzen an den Ball. Nach 68 gespielten Minuten gibt es Freistoß im Mittelfeld, Tchipev und Mehlhorn stehen am Ball. Die werden doch nicht etwa aus 35m auf die Kiste schießen? Doch! Mehlos linker Fuß hatte kinematische Energie abgesondert und den Ball auf Reisen geschickt - erste Begegnung mit einem fremden Bein, zweite Begegnung mit dem Torpfosten, dritte Begegnung mit der Wade des fallenden Torhüters und vierte Begegnung mit dem Netz des Tores. JAAA! Was für ein Gurkentor, aber egal - der Club führte 1:0 gegen Köln - Erlösung pur!!
Joachim Müller reagierte auf seine Weise auf die Führung, indem er Schmidt für Biermann einwechselte. Sollte das Ergebnis etwa "nur" gehalten werden? Ach wo! Etwas mehr als 7 Minuten waren vergangen, als sich Mehlhorn im Zusammenspiel mit Mboma erneut auf der linken Seite nach vorn schleppte. Schon steht der Oldie allein vor Sokolov, schießt aber nicht, sondern legt quer nach rechts. Demir stolpert in der Mitte über den Ball, aber rechts außen wartet bereits Meyer auf die Kugel, dieser nimmt kurz an und schießt überlegt in die lange Ecke zum 2:0 für den CFC ein! Grenzenloser Jubel bei Spielern und Fans - das herrliche, lang vermisste Gefühl eines zu erwartenden Heimsieges machte sich breit. Einfach gigantisch.
In den Schlußminuten machte der CFC hinten dicht und stellte sich mit Mann und Maus den Angriffen der Kölner entgegen. Und Köln kam - nach einer Ecke steht Niedrig völlig frei vor Hiemann, jedoch prallt sein Schuß am Chemnitzer Keeper ab. Nur kurz darauf gibt es Einwurf für Köln, die Abwehr kriegt den Ball nicht heraus und schon wieder taucht Niedrig völlig frei vor dem Tor auf. Diesmal kracht sein Schuß ans Lattenkreuz - und von dort dem lauernden Ouedraogo vor die Füße. Auch diesmal wirft sich Hiemann in höchster Not in den Schuß des Kölners und kann klären.
Pünktlich nach 90 Minuten pfiff der gute Schieri die Partie ab und sorgte für großes Steineplumpsen unter den Himmelblauen. Endlich, endlich wieder 3 Punkte für die Guten. Die CFC-Spieler bauten zusammen mit Joachim Müller einen Jubelkreis und hüpfte freudig auf dem Rasen herum. Es war nicht alles Gold was glänzte, aber es war ein Sieg der Moral und des Willens, genauso, wie früher beim guten alten FCK!

Fazit: Der CFC hat unter seinem neuen Trainer Joachim Müller einen hochwichtigen Sieg gegen einen unmittelbaren Tabellennachbarn eingefahren und hat somit den ersten Schritt aus dem Tabellenkeller herausgetan. Einen besseren Einstand kann man sich nicht wünschen, denn für die angeschlagene Moral der Truppe und zur Akzeptanz von Joachim Müller sind diese 3 Punkte Gold wert. Das der CFC gegenüber dem Spiel gegen Babelsberg einen kleinen Leistungsabfall gezeigt hat, sollte nicht weiter zur Debatte stehen, da bei dem prekären Tabellenstand eh keine Schönheitspreise verteilt werden. Bemerkenswert ist, daß seit langen einmal wieder mit 3 Spitzen agiert wurde und das die Abwehr keine allzu großen Löcher aufwies. Mit einer ähnlich disziplinierten Leistung sollte die Truppe auch in Münster nicht chancenlos sein, um das Ziel, bis zur Winterpause unter Müller 6 Punkte holen zu wollen, vielleicht sogar übererfüllen zu können.

Wertung: 3 (Viel Kampf, viel Krampf, aber ein Sieg!)

Beste Himmelblaue: Biermann, Hiemann, Mehlhorn

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Pressestimmen

Freie Presse
Mehlos Mehl, Müllers Mut und Meyers erstes Mal"
"[..] Ihm (Sebastian Meyer) war bewusst, dass die Spielweise seines Teams, die Anfangsviertelstunde mal ausgenommen, von brasilianischem Ballzauber so weit entfernt war wie der Nord- vom Südpol. [..] Irgendwie muss der einstige Filigrantechniker der Himmelblauen (Trainer Joachim Müller) innerlich verzweifelt sein, als er dem Treiben seiner Schützlinge zuschaute. Denn vermutlich hatte er ihnen vorher nicht mit auf den Weg gegeben, dass Keeper Holger Hiemann mit weit geschlagenen Bällen für die Spieleröffnung zuständig ist, dass man mit Rück- und Querpässen Tore erzielt oder mit Standfußball Überzahlverhältnisse schafft. So trostlos aber agierte der CFC meist. [..] Mit seiner Aufstellung - neben Demir bot er mit M’boma und Meyer zwei hängende Spitzen auf - bewies Müller Mut. Mut, der gegen müde Kölner belohnt wurde. Am Ende hüpften die CFC-Akteure vor Freude mit ihrem Trainer Arm in Arm im Kreis. [..]

Freie Presse - Lokalsport
Drei Punkte - ansonsten Schwamm drüber"
"[..] Um aus dem Tabellenkeller rauszukommen, sind Schönspielereien derzeit strikt zu vermeiden. [..] Nach 90 Minuten Grottenfußball hatten sich die Gastgeber den 2:0 (0:0)-Erfolg im wahrsten Sinne des Wortes erkämpft. [..]

Kicker
Fußball zum Abgewöhnen, am Ende gab es einen glücklichen Sieger und den ersten Heimsieg seit 8. September. [..] Doch nur eine Viertelstunde bot seine Elf Ansehnliches, die Verunsicherung nach der langen Durststrecke war nicht zu verkennen. [..]

DPA
[..] Freudentänze gab es beim Chemnitzer FC, wo Joachim Müller mit dem 2:0-Erfolg gegen den 1. FC Köln Amateure ein gelungenes Debüt als Trainer feierte. Nach der Durststrecke von acht sieglosen Spielen in Folge scheint es ihm gelungen zu sein, die Sachsen wieder zu motivieren. [..]

17. Spieltag - Regionalliga Nord - Saison 2002/2003
Samstag, 16. November 2002, 14:00 Uhr
Fischerwiese, Chemnitz
Zuschauer: 2.753
Schiedsrichter: Grudzinski (Hamburg)
Chemnitzer FC
T Hiemann
A Zedi
A Göhlert
A Mehlhorn
M Meyer
M WaltherGelbe Karte
M Tchipev
M Biermann (74. Schmidt)
M Mboma
S Meissner (62. Krieg)
S Demir

Trainer: Müller
1. FC Köln II
T Sokolov
A Kiskanc
A Schröder
A D.Ndjeng
A Ende
M Schäfer
M NiedrigGelbe Karte
M Opitz (54. Ouedraogo)
M Celikovic (72. M.Ndjeng)
S Federico
S Chitsulo (72. Lejan)

Trainer: John
Tore
1:0 Mehlhorn (68.)
2:0 Meyer (75.)