Nach einer Stunde kam das Zittern
von Erik Büttner
Wolkenloser Himmel, Sonnenschein und Temperaturen um 10°C legten über Dresden einen Hauch von Frühling. Eine optimale Anfahrt in die Landeshauptstadt lies zudem noch einen Smalltalk in einem stadionnahen Biergarten zu. Kurzum, es konnte an diesem Samstagnachmittag eigentlich nichts mehr schief gehen. Doch es blieb ein flaues Gefühl im Magen, wie der CFC gegen die seit der Winterpause wiedererstarkten DSCer zurecht kommen würde. Zudem fehlte ja mit Tzwetomir Tchipev ein wichtiger Mann bei den Himmelblauen.
Doch die Chemnitzer stellten schnell die Kräfteverhältnisse auf dem Platz klar. Von wiedergewonnener Spielkultur bei den Dresdnern war nicht viel zu sehen. Der CFC verlagerte das Spielgeschehen fast ausschließlich in die Hälfte des Gastgebers. Ein Tor war nur noch eine Frage der Zeit, aber auch dringend notwendig.
Erste ernsthafte Tormöglichkeiten gab es für die Gäste dann nach etwa 20 Minuten. Nach einer Ecke trifft Zedi per Kopf nur den Pfosten. Schiedsrichter Rafati hatte aber eh schon abgepfiffen. Kurz drauf wieder Eckball für den CFC. DSC-Torhüter Keller patzt, aber Demir kann das Leder im Gewühl noch nicht über die Linie drücken.
Knapp eine Halbe Stunde war nun gespielt und so langsam meldet sich auch der Dresdner SC im Spiel an. Eine erste gute Möglichkeit versiebte Trehkopf nach einem dicken Ahlf-Fehler. Kurz darauf klärt Jörres vor dem erneut heranstürmenden Trehkopf.
Der Chemnitzer FC braucht nun unbedingt ein Tor um nicht den Spielfluß zu verlieren. Und dafür hat man ja in Reihen der Himmelblauen Ersin Demir. Nach einer Mboma-Ecke segelt Keller wieder am Ball vorbei, Zedi's Schuss aus 11m wird auf der Linie geklärt, der Ball fällt aber vor Demirs Füße. Und aus einem Meter zu Treffen ist nun eigentlich nicht schwer. Die gut 700 mitgereisten Fans aus Chemnitz waren aus dem Häuschen nachdem sie bisher Dauersupport lieferten.
Der CFC war nun wieder sicher im Spiel und legt nach. Doch ein Demir-Kopfball wurde von Keller über das Tor gelenkt. Steffen Süssner erfuhr seine erste Bewährungsprobe dann nach etwas mehr als 40 Minuten. Oeiras wanderte von der CFC-Defensive unbehelligt über das Spielfeld und feuert dann einen gut platzierten Schuss aus gut 20m ab. Doch Süssner zeigte sich trotz vorheriger Unterbeschäftigung hellwach.
Schon nach gut 10 Minuten Pause erschienen die Himmelblauen wieder im Innenraum und zeigten damit, dass sie hier noch mehr vor hatten, als bloß 1:0 über die Zeit zu retten. Und genau das wurde auch auf den Platz umgesetzt. Der CFC drängte der DSC nur verteidigte. Und da war ja noch dieser Enrico Keller im DSC-Tor, der wirklich einen miserablen Tag erwischte. Nach einem Freistoß an der Mittellinie griff er an der Strafraumgrenze wieder einmal mehr ins Leere, Meyer schnappte sich den Ball, schlenzte ihn wunderschön mit links ins entblößte Tor und krönte damit seine bärenstarke Leistung. 0:2 für den CFC verkündete die Anzeigetafel des Rudolf-Harbig-Stadions. Die Anhänger der Himmelblauen waren nun entgültig in Feierlaune. "Oh, wie ist das schön!" schallte es durch das mit 1325 Zuschauern (davon ja gut die Hälfte aus Chemnitz!) nur spärlich besetzte Dynamo-Stadion, wohl aber ein wenig zu früh.
Eigentlich sollte ja eine 2-Tor-Führung Sicherheit verleihen, doch beim CFC scheint das irgendwie anders zu sein. Alles begann mit einem dicken Schnitzer von Demir. Nachdem Meyer sich herrlich durch die DSC-Verteidigung gewühlt hatte, legte er Quer auf den Top-Torjäger der Chemnitzer, der aber drosch den Ball aus 5m über das Tor und verpasste somit die Möglichkeit mit einem 3:0 den DSC entgültig zu erlegen. In der Konsequenz daraus übernahmen die Dresdner nun zunehmend die Initiative und Süssner bekam richtig zu tun.
Nach 78. Minuten war es dann soweit: Der CFC bekam die Quittung für seine Passivität. Nach einem geblockten Freistoss schießt Schwanke von der Strafraumgrenze und der Ball kullert an den Pfosten und ins Tor. Kurzer Schock auf den Rängen (DSC-Jubel war nicht zu vernehmen) aber der Support ging wenn auch etwas zaghafter weiter.
Anders auf dem Spielfeld. Dort verloren die Chemnitzer nun entgültig jegliche Linie. Selbst der sonstige Ruhepol Süssner segelt jetzt am Ball vorbei. Doch er sollte seinen kleinen Lapsus bei Chancen von Oeiras und Kurilenko mit Super-Paraden wieder vergessen machen. Auf den Rängen war schon längst kollektives Zittern angesagt. Doch dann knapp 5 Minuten vor Schluss ein Freistoss für den DSC auf der Strafraumgrenze. Lange Beratungen der DSC-Spieler mit dem Ergebnis, dass der Ball in der Mauer hängen blieb. Das war es, das war der CFC Sieg! Trotzdem, das Spiel lief noch ein wenig. Keller patzte noch einmal, Hoßmang konnte aber noch vor Simic und dem leeren Tor klären. Und dann der erlösende Schlusspfiff von Schiri Rafati.
Freudentaumel beim Chemnitzer Anhang und auf dem Spielfeld. Der obligatorische Freudentanz der Mannschaft fand seinen Abschluss mit einer Welle vor dem Gäste-Block.
Unter dem Strich bleiben 3 ganz wichtige Punkte stehen. Die zählen mehr als alles andere. Aber man kann dem CFC auch eine durchaus engagierte Leistung bescheinigen. Reichlich eine Stunde lang wurde ordentlich Fußball gespielt, wobei man sagen muss, dass der DSC in diesem Zeitraum allenfalls körperlich auf dem Spielfeld anwesend war. Unerklärlich bleibt aber, warum nach dem 2:0 wie schon in der Vorwoche jeglicher Spielfluss verloren ging. Hier muss Trainer Müller unbedingt Abhilfe schaffen. In jedem Fall hat sich die sportliche Situation etwas entspannt. Bleibt nur zu hoffen, dass das in den kommenden Spielen Fortsetzung findet damit die Fans das Frühjahr weiter so genießen können wie am Samstag.
Wertung: 2,5 (erst überzeugend, dann unterirdisch)
Beste Himmelblaue: Meyer, Mboma
Pressestimmen
Dresdner Neueste NachrichtenDurchhalteparolen etwas leiser [..] José Morais ist ein freundlicher Mensch, der fast immer mit lächelnder Miene die sicher langsam nervenden Fragen nach dem Klassenerhalt seines DSC optimistisch erwidert. Doch am Sonnabend um 15.45 Uhr schlug der Trainer die Hände vors Gesicht, als wäre er den Tränen nahe. Die Rot-Schwarzen hatten soeben gegen den Chemnitzer FC mit 1:2 verloren. "Meine Mannschaft hat nur 30 Minuten lang mit Herz und Siegeswillen gespielt", resümierte der Portugiese traurig. "Das ist leider nicht genug."
Freie Presse ChemnitzSieg wiegt mehr als lange Mängelliste [..] CFC macht großen Schritt in Richtung Klassenerhalt - 2:1 beim DSC - Höchststrafe für Baumann [..] Manchmal ist es wahrhaft gut so, dass im Fußball am Ende nur die Tore zählen und fertig! [..] Und trotzdem wird man in der Auswertung über die lange Mängelliste sprechen: Dass der CFC aus 70 Minuten Überlegenheit, kämpferisch wie spielerisch, so wenig machte. Am Ende gab es sogar noch eine 20-minütige Zittereinlage, „die man in der Regel bitter bezahlt“, raufte sich Müller die Haare. Der Fußball-Lehrer wird gesehen haben, dass die Abwehr, wenn gefordert, nicht den sichersten Eindruck hinterließ. Dass in der Schlussphase fast alle CFC-Akteure zu weit weg standen von ihren Gegenspielern. Dass in Kapitän Stefan Meißner mehr Potenzial steckt, als er in 90 Minuten zeigte. Und dass Ersin Demir eine Zweikampfbilanz aufwies, die - ketzerisch formuliert - nur Steigerungsraten zulässt. Aber solange Demir eben zur richtigen Zeit am richtigen Fleck steht - Schwamm drüber! [..]