Rund 80 Sportfreunde des guten alten FC Karl-Marx-Stadt hatten sich am Vortag der Deutschen Einheit im noblen Bremer Vorort Oberneuland eingefunden, um den Auftakt des zehnten Spieltages in der Regionalliga Nord mitzuerleben. Ein gutes Dutzend PKW's aus allen Himmelsrichtungen der vor zwei Jahrzehnten wiedervereinigten Republik, das himmelblaue Fanmobil, Thortis Sauerland-Fraktion, Gerd'ls Südkurvenbus, ein Kleinbus mit den schmeckfreudigen Herren der UC an Bord, sogar Edelfans wie Olsen und Schwinge tauchten auf - es war erstaunlich, was zu diesem äußerst mißlichen Termin an einem Freitagabend in Oberneuland trotzdem anrollte. Auch die Bremer Polizei meinte es gut und stellte jedem Club-Fan rein numerisch gesehen einen persönlichen Bewacher zur Verfügung. Nach 90 Minuten gab es ein schickes 3:0 in die sächsische Heimat zu vermelden, mit dem der Club nach Spielschluß auf den zweiten Tabellenplatz vorgerückt war.
Vor Spielbeginn beeindruckte neben dem Bremer Polizeiaufgebot zunächst die Größe der Eintrittskarte. Mit nahezu unglaublichen 21 x 9,7 Zentimetern führt das Ticket jetzt die langjährige CFC-Eintrittskartensammlung des Schreibers dieser Zeilen unangefochten an! Vielleicht sollte das XXL-Ticket aber auch nur der Gegenpol zu dem einsamen, kleinen Kassenhäuschen sein, welches auf dem Gästeparkplatz den Eindruck eines vergessenen Dixies machte, bis es tatsächlich von einer Gestalt zwecks Kartenverkauf besetzt wurde. Das Stadion selbst machte für RL-Verhältnisse einen soliden Eindruck. Minuspunkte gab es allerdings dafür, daß die Bratwurstbude aufgrund der Verspätung des Maschinisten des Bratwurstbratgerätes zu Spielbeginn unbesetzt blieb. Erwähnenswert auch die Hilfsbereitschaft der Ordner, die himmelblauen Flaggen zu Spielbeginn am Zaun zu befestigen, was sich aber nach Spielschluß wieder relativierte, als die Heiligtümer lieblos und ohne Kontakt zu den Besitzern einfach zurück über den Zaun geworfen wurden.
Die erste Halbzeit brachte wenig Erwärmendes zu Tage, obwohl die herbstlichen Temperaturen und der kühle Wind danach verlangt hätten. Der CFC mühte sich, keine Frage, aber die FCO-Sspieler stellten vor allem die Außenbahnen stets mit zwei oder gar drei Leuten konsequent zu. So rannten sich Löwe und Garbuschewski immer wieder fest, und falls der Ball doch einmal durch die Mitte kam, rannten eben Vrtelka oder Emmerich vergebens gegen das Bollwerk an. Torchancen waren in den ersten 45 Minuten echte Mangelware - auf beiden Seiten. Hampf versuchte sich in der 30. Minute mit einem Schuß von halbrechts, ohne dabei aber Gefahr zu versprühen. Gefährlich wurde es lediglich für die Autofahrer auf der ca. 40 Meter neben dem Stadion verlaufenden A 27, als Richter mit brachialer Gewalt das Leder kurz vor dem Eindringen in den CFC-Strafraum aus der Gefahrenzone beförderte. Der Ball flog erst über das Fangnetz, setzte dann auf dem Gästeparkplatz auf, um von dort über die Palisade auf die Bundesautobahn zu springen! Von dort hörte man noch das laute Hupen eines LKW's und eine Mischung von Plopp+Zisch - unser aller Freund aus Leder war tot!
Auch die zweite Hälfte begann zunächst mit wenig erbaulichen Fußball. Emmerich tauchte zwar mehrmals mit dem Ball am Fuß in jener Entfernung auf, von wo er gegen Lübeck und Wolfsburg sensationell aus der Ferne traf, aber der CFC-Kapitän scheute diesmal davor, den Hammer auszupacken und spielte lieber (nutzlos) ab. Nach etwas mehr als einer Stunde Spielzeit kam dem Chemnitzer Schnauzbart Nr.1 eine Idee - Jansen raus, Boltze rein, Vrtelka raus, Unversucht rein, und Reinhardt vor! Das wirkte. Nur vier Minuten später wurde Reinhardt im Strafraum des FCO umgerissen - und Richter verwandelte den Elfmeter eiskalt! Und plötzlich lief das Ganze wie ein Länderspiel: Garbuschewski wurde gelegt, Freistoß für den CFC - der Gefoulte trat selbst an, und dessen abgefälschter Schuß landete zum 2:0 in den Maschen des Bremer Tores. Aber damit nicht genug - der fleissige Löwe zauberte mit Hampf im Doppelpaß, stand plötzlich frei vor Keeper Ceglarek, und schob eiskalt zum 3:0 für die Guten aus Chemnitz ein! Jubel, Trubel, Heiterkeit im Gästeblock!! Der Club im Stile eines abgezockten Spitzenteams - jeder Schuß ein Treffer. Benduhn wurde eingewechselt und hatte sogar das 4:0 auf dem Kopf - aber das Leder sprang von der Lattenunterkante leider zurück ins Spielfeld.
Nach dem Abpfiff gab es natürlich die große Party im Gästeblock, der über volle 90 Minuten lobenswert versucht hatte, das Team zu unterstützen und Stimmung zu verbreiten. Wie bereits gegen Wolfsburg wurden selbst alte FCK-Klassiker wie "Auf einer grünen Wiese zwei Tore aufgestellt..." mehrmals bemüht (ein Sonderlob des Autors dafür!!) und auch ein schöner Wechselgesang zwischen Bierbude und Gästeblock kam erfolgreich zustande. Die siegreichen himmelblauen Götter tanzten kurz vor dem Block, um sich dann in einer Abklatsch-Orgie am Zaun - vollkommen zu Recht - ihr ganz persönliches Lob abzuholen. Ebenfalls erfreulich war, daß ein Großteil der eingesetzten Bremer Polizisten die Lage richtig erkannte und schon weit vor Spielschluß aufgrund der feiernden Chemnitzer Partymeute bereits das Weite gesucht hatte.
Fazit: Wenn der Club nur immer so konzentriert und effizient spielen würde! Aus vier Torchancen ergaben sich satte drei Tore! So spielt ein Spitzenteam! Leider weiß man aus dem Saisonverlauf, daß dem nicht immer so ist. Trotzdem steht man derzeit auf dem zweiten Tabellenplatz. Sollte es dem CFC gelingen, dieses Spiel zum weiteren Maßstab dieser Saison zu machen, dann werden alle Club-Fans noch ganz viel Freude an diesem Verein haben. Mit dem Aufsteiger und tabellarischen Emporkömmling TeBe kommt jetzt genau der richtige Gegner, um die aufkeimenden himmelblauen Ambitionen mit Nachdruck unterstreichen zu können!
"In der ersten Spielhälfte waren wir zu passiv und nicht zielstrebig genug. Deshalb konnten wir da noch nicht ganz zufrieden sein. Nach dem Wechsel sind wir aggressiver und temposchärfer in das Spiel gegangen. Ab der 60. Minute hatten wir dann deutliche Vorteile. Die Tore waren logische Folge. Damit geht auch der Sieg vollkommen in Ordnung."