Durch Dummheit zur ersten Heimniederlage
von Thoralf Wätzold
Eine vorbildliche kämpferische Einstellung, teilweise gute spielerische Ansätze und Chancen für 3 Spiele - das ist die positive Seite des heutigen Heimspiels unseres Chemnitzer FC gegen Eintracht Braunschweig. Durch das hochgradig dumme und arrogante Auftreten und Verhalten einiger Spieler, und das ist die negative Seite, wurde das Spiel in den Schlussminuten aus der Hand gegeben und ein möglicher und völlig verdienter Punktgewinn verschenkt. Der CFC verlor durch ein Strafstoßtor von Jürgen Rische in der 89. Minute mit 0:1.
Das Spiel der beiden deutschen Meister von 1967 hatte einiges zu bieten. Zunächst vor allem guten Regionalliga-Fußball, was in erster Linie am engagierten Auftreten der Himmelblauen lag. Nach der unglücklichen Niederlage unter der Woche in Münster war von der ersten Minute an zu erkennen, dass nur ein Sieg zählt. Und so erspielte sich der CFC gleich gute Möglichkeiten. Nach einer Flanke verpasst Priso nur knapp, nach Freistoß Schindler rutscht Rolleder am langen Pfosten der Ball über den Kopf. Schindler per Freistoß und auch 2x Meyer mit einer Einzelaktion im Strafraum können den Ball nicht im Tor unterbringen. Die größte Chance hatte Schindler, der einen Kopfball aus Nahdistanz nur knapp neben dem Pfosten platziert. Braunschweig konzentrierte sich zunächst auf die Defensive und kam nur gelegentlich per Konter gefährlich vor das Tor. Rische per Kopf und Patschijnsky mit einem Schuss aus 10 Metern scheitern nur knapp. Es war ein ansehnliches und munteres Spielchen mit guten Strafraumszenen, was für die zweite Halbzeit hoffen ließ.
In der zweiten Hälfte nahmen die Gäste immer mehr das Zepter an sich und hatten mehr vom Spiel. Nach einer Flanke von rechts kann Kuru vollenden, doch der Assistent hat die Fahne oben und entscheidet auf Abseits. Trotz der nun zunehmenden Bemühungen der Braunschweiger zeigten sich die Chemnitzer in den Zweikämpfen konsequenter, wodurch es gelang, die Gäste schon früh im Spielaufbau zu stören. Nach dem Priso nach 50 Minuten bei seinem Gegenspieler das gestreckte Bein drüber hält und dafür Gelb sieht, ist Rohde 10 Minuten später gezwungen, ihn vom Platz zu nehmen. Nachdem das Spiel bereits unterbrochen war, beging Priso einen Rempler gegen seinen Gegenspieler. Schiedsrichter Thorsten Joerend aus Lübbecke, der heute sein erstes Regionalliga-Spiel leitete, verzichtete auf die Gelb-Rote Karte und beließ es bei einer letztmaligen Ermahnung. Für Priso kam Fillinger ins Spiel.
Ab Mitte der zweiten Halbzeit war das Spiel völlig offen, beide Teams verlegten sich aufs Kontern. Für den neutralen Zuschauer war es sicherlich eine ansprechende Regionalliga-Partie, für den CFC-Fan, der nach wie vor auf das erste Saisontor hofft, wurde die Leidenszeit immer länger. Einziger Trost war die Tatsache, dass sich der CFC spielerisch wesentlich zur Vorwoche gesteigert hat und sich immer wieder Torchancen erarbeitete. Doch Meyer aus relativ spitzem Winkel und Schindler mit einem Freistoß verpassen ebenso wie Göhlert per Kopf nach einer Ecke. Auch Braunschweig kam immer wieder vor den Chemnitzer Strafraum, direkt gefährlich wurde es aber nicht mehr. Die Abwehr um Steffen Karl machte einen soliden Eindruck, und auch Tino Wächtler machte hinten eine gute Partie.
Das Spiel plätscherte dem Ende entgegen, als der CFC noch einmal für ordentlich Stimmung sorgte. Nachdem Sebastian Meyer an der eigenen Strafraumgrenze dem ballführenden Lars Fuchs den Ball abnimmt und diesen abschirmt, kommt Fuchs zu Fall und trifft im Fallen die Beine von Meyer, wodurch auch dieser zu Fall kommt. Beide Spieler befinden sich inzwischen im Strafraum der Chemnitzer, der Ball ist zu Markus Ahlf gerollt, der den Ball an der Seitenauslinie kontrolliert.
An dieser Stelle hätte der Schiedsrichter das Spiel bereits abpfeifen können. Zunächst lag ein Foul an Meyer vor, denn Fuchs trifft ihn an beiden Beinen, wodurch er zu Fall kam. Da der Ball aber von Ahlf an der Seitenauslinie kontrolliert wurde, entschied der Schiri hier auf Vorteil. Das kann man sicherlich machen, auch wenn der DFB sagt, dass ein Freistoß in der eigenen Spielhälfte meist der größere Vorteil ist. Da der Schiri aber bereits das gesamte Spiel über sehr großzügig agierte und sehr viel Vorteil laufen ließ, blieb er auch in dieser Szene seiner Linie treu. Es war also keine Fehlentscheidung, im Nachhinein betrachtet allerdings eine sehr unglückliche Entscheidung. Ebenfalls zu beurteilen war in dieser Situation, ob Fuchs Meyer nur im Fallen getroffen hat oder ob es ein absichtliches Treten war. Selbst die Fernsehbilder geben hier keinen genauen Aufschluss, nur Fuchs selber wird wissen, was er gemacht hat. Hätte der Schiedsrichter auf Treten entschieden, hätte Fuchs mit Rot vom Platz gemusst. Nach seinem Ermessen war es aber unabsichtlich, daher Vorteil und Weiterspielen.
Über das Foul bzw. das absichtliche Treten war Sebastian Meyer jedoch sauer, stand auf und rempelte Lars Fuchs um, der dadurch natürlich wieder zu Fall kam. Dummerweise ereignete sich dies alles noch im Strafraum, wodurch der Schiedsrichter gar keine andere Möglichkeit hatte, als auf Elfmeter für Braunschweig zu entscheiden und Meyer für diese Aktion Gelb zu geben. Helle Aufregung bei den Chemnitzer Spielern, Karl holte sich prompt Gelb wegen Meckern und auch Wächtler hatte Glück, dass sein Zupfer am Trikot des Schiedsrichters ungeahndet blieb. Nach dem die Beleidigungen und Reklamationen eingestellt wurden durfte Jürgen Rische zum Strafstoß antreten und verwandelte sicher zum 0:1.
Da im Stadion unter vielen Fans Diskussionen aufkamen, ob der Strafstoß denn berechtigt gewesen sei und viele wieder einmal dem Schiedsrichter die Schuld in die Schuhe schieben wollten, zitiere ich hier kurz aus dem Regelwerk des DFB, was eigentlich alle Unklarheiten aus dem Weg räumen sollte:
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Fußball-Regeln 2004/2005, Seite 36:
"Direkter Freistoß
Ein Spieler verursacht einen direkten Freistoß für die gegnerische Mannschaft, wenn er einen der nachfolgend aufgeführten sechs Verstöße nach Einschätzung des Schiedsrichters fahrlässig, rücksichtslos oder mit unverhältnismäßigem Körpereinsatz begeht:
- einen Gegner tritt oder versucht, ihn zu treten,
- einem Gegner das Bein stellt oder es versucht,
- einen Gegner anspringt,
- einen Gegner rempelt,
- einen Gegner schlägt oder versucht, ihn zu schlagen
- einen Gegner stößt.
Der gegnerischen Mannschaft wird ebenfalls ein direkter Freistoß zugesprochen, wenn ein Spieler einen der nachfolgenden vier Verstöße begeht:
- beim Tackling im Kampf um den Ball den Gegner vor dem Ball berührt,
- einen Gegner hält,
- einen Gegner anspuckt,
- den Ball absichtlich mit der Hand spielt (dies gilt nicht für den Torwart in seinem eigenen Strafraum).
Der direkte Freistoß wird an der Stelle ausgeführt, wo sich der Verstoß ereignete.
Strafstoß
Begeht ein Spieler der verteidigenden Mannschaft innerhalb seines eigenen Strafraumes einen der vorstehend genannten zehn Verstöße, so ist er durch einen Strafstoß zu bestrafen. Dies gilt ohne Rücksicht auf die jeweilige Position des Balles, aber vorausgesetzt, dass der Ball im Augenblick des Verstoßes im Spiel war."
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Ich denke, diese Regelung ist eindeutig. Der Ball war im Spiel, und die Spielfortsetzung ist dort, wo das Vergehen statt gefunden hat. So traurig es auch ist, der Elfmeter war berechtigt. Dabei kann man noch von Glück reden, dass der Schiri das Rempeln nicht als Tätlichkeit ausgelegt hat und Meyer deshalb "nur" Gelb gesehen hat.
In der Schlussminute ließ sich Tino Wächtler ausserhalb des Blickfeldes des Schiedsrichters noch zu einem Ellenbogencheck hinreißen, was aber dummerweise der Scheidsrichter-Assistent auf der anderen Seite gesehen hat. Die Rote Karte war hier die logische Konsequenz. Das Spiel war dann auch zu Ende, die Braunschweiger freuten sich über das Gastgeschenk und der CFC stand wieder einmal mit leeren Händen da.
Nach den 90 Minuten waren die Fans diesmal aber nicht enttäuscht, weil ihre Mannschaft wieder wegen eines schlechten Spiels verloren hat, sondern sie waren wütend, dass ein Spieler sich nicht in der Gewalt hatte und mit einer total dummen Aktion die Mannschaft um den Lohn ihrer Arbeit gebracht hat. Es wäre zwar "nur" ein Punkt gewesen, aber spielerisch zeigte der CFC gute Ansätze, man erspielte sich viele und auch gute Torchancen, der kämpferische Einsatz stimmte. Falk Schindler gehörte heute zu den besten Spielern in den himmelblauen Reihen, bis zur 85. Minute waren das auch Meyer und Wächtler. Sebastian Meyer besaß im MDR-Interview noch die Frechheit zu sagen, er hätte Fuchs nicht berührt, dieser wäre ohne sein Einwirken umgefallen. Die Fernsehbilder belegen jedoch deutlich das Gegenteil.
In einer Woche spielt der CFC bei den Amateuren vom VfL Wolfsburg. Wenn sie an die guten Leistungen von heute anknüpfen können und Frank Rohde seinen Schützlingen langsam mal ein paar grundlegende Fussballregeln beibringt, dann sieht es gar nicht so schlecht aus, dass bald das erste Saisontor für den CFC fallen wird.
Wertung: 3 (gute Regionalliga-Partie)
Bester Himmelblauer: Schindler
Pressestimmen
Freie PresseWer keine Tore schießt, den bestraft der Schiedsrichter [..] Adolf Prokop, langjähriger FIFA-Referee, ist eigentlich ein ruhiger Mensch. Das, was sich am Sonnabend beim Regionalligaspiel des Chemnitzer FC gegen Eintracht Braunschweig im Stadion an der Gellertstraße abspielte, trieb jedoch auch ihm, den offiziellen Schiedsrichterbeobachter, die Zornesröte ins Gesicht. [..] Die Mannschaft zeigte wiederum eine couragierte Leistung, ging kämpferisch bis an die Grenze und war auch in spielerischer Hinsicht den Gästen ebenbürtig. Vor allem Sebastian Meyer und Falk Schindler brannten auf dem rechten Flügel ein wahres Angriffsfeuerwerk ab - allerdings nur bis zum Strafraum. Denn dort, wo es richtig zur Sache geht, spielte man zu brav, wirkte zu harmlos oder hatte auch nicht das Quäntchen Glück.
Freie Presse ChemnitzViel Zwietracht im Spiel gegen Eintracht [..] Das Elfmetertor der Gäste zum 1:0-Siegtreffer in der 89. Minute erhitzte die Chemnitzer Fußballgemüter. [..] Später zeigten auch die Fernsehbilder: Das erste Foul beging eindeutig der Braunschweiger. Joerend, der den Kabinentrakt mit seinen beiden Assistenten erst anderthalb Stunden nach Spielschluss verließ, lehnte jeglichen Kommentar zu seiner umstrittenen Entscheidung ab.
Braunschweiger ZeitungAmedick: Kampf erfolgreich bestanden [..] Mit Glück, Geschick und einem nervenstarken Kapitän Jürgen Rische sicherte sich Fußball-Regionalligist Eintracht Braunschweig den ersten Auswärtssieg der Saison. [..] Völlig unnötig und ebenso unverständlich fuhr der Chemnitzer Sebastian Meyer die Schulter aus und stieß Fuchs zu Boden. [..] Es war der unrühmliche Höhepunkt einer über weite Strecken verbissen geführten Auseinandersetzung, in der die Gastgeber das aggressivere und laufstärkere Team stellten. Allerdings zeigte sich bei der Hand voll sehr guter Möglichkeiten, warum das Schlusslicht bisher noch nicht einen einzigen Treffer auf dem Konto hat. Fahrlässig wurden die mit hohem Aufwand erarbeitet Chancen vergeben.