Spielbericht

13. Spieltag - Regionalliga Nord - Saison 2002/2003
Chemnitzer FC
Chemnitzer FC
0:2
SC Paderborn
SC Paderborn

Ein Schadensbericht über erschreckende 90 himmelgraue Minuten

von Frank Neubert

Eigentlich sollte an dieser Stelle der Fanpage ein "Spiel"bericht stehen - aber damit würde man dieses Wort mit sich selbst beleidigen - denn das, was am letzten Samstag auf der Fischerwiese zu Chemnitz dargeboten wurde, hatte nicht im Entferntesten mit einem "Spiel" zu tun. Nennen wir es daher vielleicht lieber Schadensbericht...

Fangen wir am besten mit den Leuten an, die am Samstag mal wieder nix mit sich anzufangen wußten und sich auf die Fischerwiese schleppten. Immerhin lag die Anzahl derartiger Leute am Samstag bei stolzen 2.700 - fast schon erstaunlich bei den zuletzt gezeigten "Leistungen" der himmelblauen Antihelden. Lediglich Petrus hob seinen mahnenden Finger eine Stunde vor Anpfiff und ließ kleine Eiskörnchen vom Himmel fallen, naja, vielleicht rettete er so wenigstens ein paar der himmelblauen Ureinwohner vor dem Ungemach der nächsten 90 Minuten.

Vom Gegner aus Paderborn hatten sich handgezählte 9 Fans bis in den Gästeblock der Fischerwiese getraut - vielleicht war der Sonderzug steckengeblieben oder die A4 mal wieder unterspült - jedenfalls passte der fahnenlose Gästeblock am Ende ganz gut zur tristen Kulisse des Dramas. Beim Einlaufen der Mannschaften präsentierten die Ultras Papptafeln mit den Spielminuten der Gegentreffer in Uerdingen, Dortmund, Verl und dem HSV - und ein schickes Banner, auf dem der Satz "Bei euren Frauen klappts doch auch bis zum Ende..." zu lesen war. Feine Aktion, aber da kannte man eben den Ausgang dieses Spieles noch nicht...

Dann ging es los - oder sagen wir lieber, der Schieri ließ die Pfeife ertönen. Der himmelblaue Troß setzte sich in Bewegung und versuchte, das Spielgerät kontrolliert in den eigenen Reihen zu halten. Zumindest versuchte man es. Mehlhorn durfte sich dabei wieder als Neulibero produzieren, Walther sollte Meißner auf der rechten Seite imitieren und Rolleder stürmte an der Stelle des bankdrückenden Krieg's. Für den Verlauf der ersten Viertelstunde konnte man dem CFC zwar noch bescheinigen, den Ball desöfteren willentlich in des Gegners Hälfte gekickt zu haben, aber schon hier war die erschreckende Plan- und Ideenlosigkeit des CFC unübersehbar. Kein Spielaufbau, kein erkennbares taktisches Konzept, Einzelvorstöße ohne Wirkung. Lediglich Biermann konnte auf der linken Außenbahn einige wenige Impulse setzen und verdiente sich am Ende des Tages den Titel des Einäugigen unter den Blinden. Torchancen? Fehlanzeige! Zum Glück hatte auch Paderborn die Trickkiste zu Hause gelassen und studierte staunend die nicht vorhandene Spielkultur der Chemnitzer Kicker. Nach einer halben Stunde dann doch so etwas wie Action: Rolleder war gefoult worden und Mehlo legte sich den Ball für den Freistoß zurecht - und siehe da, die Kugel flog mit richtig rasanten Tempo auf des Gegners Tor, wo aber Joswig als Spielverderber auf seinem Posten stand. Später schickte Biermann noch einen schönen Fernschuß aus 25m auf Reisen, aber auch hier keine echte Gefahr für das Gästegehäuse. Ja, und das war's dann auch schon mit der ersten Halbzeit - es gibt einfach nicht mehr zu berichten. Leere, nur große Leere - und große Fragezeichen. Mit vielen Pfiffen wurden die Herren Balltreter in die Kabine verabschiedet.

Zweite Halbzeit - gleiche Formation - gleiches Gewürge. Der CFC vielleicht mit einem Quentchen mehr Elan, aber selbst wenn der Ball in Einzelaktionen erkämpft wurde - im Spiel nach vorn wurde spätestens nach der zweiten Station die Kugel wieder verloren. Man kann am Ende keinem Einzelspieler vorwerfen, nicht gekämpft zu haben, aber es war keinerlei Team und keine Ordnung auf dem Rasen. Pässe und Flanken in nicht besetzte Räume, Zuspiele zum Gegner, Fremdwort "Doppelpass" - es war schlichtweg ein himmelgrauer Albtraum. Die Südkurve sah dies ebenso und brachte daher den Singsang "Wir woll'n die Mannschaft sehen..." bereits während des laufenden Spiels. Unschön, weil überflüssig, waren allerdings Sprechchöre für Rainer Krieg, die bei fast jeder Aktion von Rolleder zu hören waren. Rolle war blaß, keine Frage (Kopfbälle!), aber erstens war der himmelblaue Rest nicht besser und zweitens blieb Krieg nach seiner Einwechslung mindestens ebenso blaß. Apropo auswechseln - Paderborn tat dies auch, und zwar kam nach 66 Minuten Saglik für Schmidt. Das Spiel plätscherte weiter auf unterstem RL-Niveau vor sich hin und hatte bisher zu Recht keine Tore und keinen Sieger verdient. Ohne nennenswerte Strafraumaktionen schleppte man sich bis zur berühmten Schlußviertelstunde des CFC - und prompt wurde der Gegner stärker. Der Club jetzt in der eigenen Hälfte damit beschäftigt, sich des Gegners zu erwehren. Genau 80. Minuten waren gespielt, als der SCP eine Ecke von rechts ausführt - Saglik kommt zum Kopfball, Hiemann faustet den Ball lediglich an den Innenpfosten und von da plumpst die Pille ins Netz. Entsetzen, Frust und Wut? Nein, eher ein resignierendes Abnicken unter den Zuschauern. Der CFC hatte mal wieder sein "Soll" erfüllt. Frustzustände und hilfloses Kopfschütteln wie in der letzten Zweitligasaison. Fünf Minuten später das 0:2 durch ein erneutes Kopfballtor von Saglik nach einer Ecke - Gegenspieler Vesovic hatte zum zweiten Male gepennt. Ein Teil der Zuschauer quittierte den Treffer nur noch mit höhnischen Beifall. Nach 90 Minuten durfte dann auch Rest der verbliebenen Zuschauer nach Hause gehen und sich zum wiederholten Male in diesem Jahr fragen, ob es an einem Samstag wirklich nichts Besseres gibt, als zu einem Trauerspiel des CFC zu gehen.

Fazit: Der CFC hat seinen spielerischen Offenbarungseid abgelegt. Schlimmer geht's nimmer. Vom respektablen Saisonstart hinweg hat sich die Truppe von Spieltag zu Spieltag verschlechtert und ist auf allerbestem Wege, in den Tabellenkeller abzustürzen. Die Lage erinnert fatal an die Hilflosigkeit beim Abstieg aus der zweiten Liga. Kein System, keine Mannschaft, kein Selbstvertrauen. Der Verweis auf die Verletztenliste spielt dabei keine Rolle - es darf von jedem Spieler auf dem Platz verlangt werden, daß er das taktische System der Mannschaft verstanden hat und weiß, wo sich seine Mitspieler auf dem Platz befinden. Zumindest sollte es ihm vom Trainer vermittelt werden - wobei man hier auf ein brisantes Thema stößt. Im Stadion gab es keine Sprechchöre gegen Matthias Schulz - aber viele Fans brachten das Thema auf den Rängen zur Sprache. Dirk Karkuth warf zum Anfang der letzten Saison von selbst das Handtuch, als der CFC ähnlich system- und hoffnungslose Auftritte ablieferte. Dies geschah nach dem Auswärtsspiel bei den Bremer Amateuren - genau dort, wo der CFC als Nächstes antreten muß...


Wertung: 6

Beste Himmelblaue: Biermann, Mehlhorn

Pressestimmen

Freie Presse
Ein grausames Gekicke"
"[..] Am Ende war es wiederum eine Niederlage mit Ansage. Je länger das Spiel dauerte, desto konfuser agierten die Gastgeber. Paderborn brauchte nur auf die Chancen zu warten, die dann auch prompt kamen. [..] Meist wurden die Bälle schon im Mittelfeld leichtfertig verloren. Von Flügelspiel war so gut wie nichts zu sehen. Andreas Biermann und der amtierende Kapitän Ingo Walther offenbarten schon bei der Ballannahme eklatante Schwächen. [..] Trainer Matthias Schulz, der am Donnerstag die Mannschaft noch für ihren Trainingsfleiß gelobt hatte, fand nur schwer Worte für das grausame Gekicke seiner Elf. Er muss sich aber fragen lassen, warum der CFC nach einem passablen Saisonstart immer schwächer wird und warum die Mannschaft offenbar nicht fit ist, was die 13 Gegentreffer jeweils in der letzten Viertelstunde belegen.

DPA
Chemnitzer FC weiter mit Abwärtstrend"
"[..] Beide Tore in der schwachen Begegnung erzielte der eingewechselte Mahir Saglik. [..] Auf der Gegenseite zeigte sich Chemnitz spielerisch schwach. Chancen ergaben sich auf beiden Seiten meist aus Standardsituationen. [..]

Kicker
[..] Gegen Paderborn fanden die Gastgeber nie ins Spiel, offenbarten erschreckende Schwächen im Zweikampfverhalten und individuelle Fehler in der Abwehr. Bezeichnend war, dass sie während der 90 Minuten keine zwingende Torchance herausarbeiten konnten. So war es nur eine Frage der Zeit, bis Paderborn, das ohne vier Stammspieler antrat, die Gunst der Stunde nutzen konnte. [..]

MDR-Online
[..] Eine sportlich indiskutable Leistung lieferte indes der Chemnitzer FC ab. [..] Ganze drei Möglichkeiten konnte sich der CFC erarbeiten. Somit war die Niederlage hochverdient.

13. Spieltag - Regionalliga Nord - Saison 2002/2003
Samstag, 19. Oktober 2002, 14:00 Uhr
Fischerwiese, Chemnitz
Zuschauer: 2.790
Schiedsrichter: Marks
Chemnitzer FC
T Hiemann
A Mehlhorn
A Vesovic
A ZediGelbe Karte
M Walther
M Göhlert
M Jörres
M Biermann (79. Simic)
M Mboma
S Rolleder (64. Krieg)
S Demir

Trainer: Schulz
SC Paderborn
T Joswig
A DotchevGelbe Karte
A Krösche
A Glöden
A Becker
M Siebert
M Manthey
M Canale
M DevoliGelbe Karte (89. Zschiesche)
S Schmidt (66. Saglik)
S Gerov (86. Dobry)

Trainer: Erkenbrecher
Tore
0:1 Saglik (80.)
0:2 Saglik (85.)