Schwerer Gang an die "Bremer Brücke"...
von Timo Görner
...zum VfL Osnabrück, der momentan die "Mannschaft der Stunde ist". Die Lila-Weißen sind seit acht Spielen ungeschlagen und seit fünf ohne Gegentreffer. Letzte Saison gab es ein trostloses 0:2 für die Himmelblauen.
Die letzte Saison unseres Gegners
Platz elf in der Dritten Liga war für den Ex-Zweitligisten von 2011 nicht das, was man im Umfeld als zufriedenstellend ansieht. Der Abwärtstrend seit 2011 mit dem Abstieg aus Liga zwei und den Plätzen drei, fünf und elf setzte sich fort. Die Rückkehr in die Zweite Bundesliga lag immer weiter entfernt. 25 Punkte fehlten zum Relegationsplatz drei, dagegen waren es nur 13 auf Abstiegsplatz 18.
Platz drei nach 18 Spieltagen war der einzige Moment, als man "oben mit dran war". Der Auftakt mit den "nordostdeutschen Wochen" gegen Cottbus (1:3), in Chemnitz (0:2) und gegen Dresden mit 2:2 ging daneben. Bis zur Winterpause gelang die Trendwende, beginnend mit dem überraschenden 2:1 im Derby bei Zweitligaabsteiger Bielefeld. Neun weitere Siege, drei Remis und fünf Niederlagen schlossen sich an. Der VfL gewann an Heimstärke, schmerzlich allerdings die Pleite im zweiten Derby gegen Münster (0:1) sowie gegen Wehen Wiesbaden (1:3). Ohne Zählbares mussten aber Großaspach (2:0), Erfurt (3:1), Kiel (2:1), Regensburg (2:0), Mainz II (2:0) und Stuttgart II (3:1) abreisen, ebenso wie ein kriselnder CFC. Auf Reisen holte man gleich dreimal ein 2:2 heraus, verspielte dabei in Rostock in der Schlussminute und Nachspielzeit ein 2:0. Auf Reisen gab es in Duisburg (0:3) und Halle (1:2) lange Gesichter. Zum Finale 2014 kassierte man in Dresden ein richtungsweisendes 1:2.
Die Chancen auf den Aufstieg blieben mit nur drei Zählern auf Relegationsplatz drei und nur vier auf das Zweitligaticket als Tabellenzweiter dennoch durchaus gut. 2015 verabschiedete sich dann jedoch der VfL schrittweise aus dem Abstiegsrennen. Der Start aus der Winterpause mit 4 Niederlagen in Folge wurde ein Desaster. In Münster (0:2) gab es nichts zu holen, zu Hause ebenso nichts gegen Köln (0:1) und einem bitteren 0:4 gegen Bielefeld. Weitestgehend chancenlos war man auch beim Auftritt in Erfurt (1:3). Trotz der noch 12 ausstehenden Spiele nahm das Umfeld Abschied von den Ambitionen auf Liga 2. Für den Rest der Saison wurstelte man sich so durch, ohne noch mal oben anzugreifen. Die "schwarze Serie" erhöhte sich auf sechs Spiele mit dem 1:1 gegen Duisburg und einem 0:1 in Kiel bevor der erste Dreier des Jahres gegen die Stuttgarter Kickers mit einem 4:1 folgte. Es war der letzte Höhepunkt der Saison. Die letzten 8 Spiele wurden mit 7:4 Toren bestritten.
Der VfL blieb eher Durchschnitt dieser Liga mit 14 Siegen und 14 Niederlagen. 49:51 Tore waren offensives wie defensives Mittelmaß. Die Lila-Weißen waren im Niemandsland der Dritten Liga angekommen. Den Schwachpunkt bildete die Auswärtsbilanz mit nur drei Siegen bei neun Pleiten. Dafür wurden der Landespokal und damit der Einzug in den DFB-Pokal 2015/2016 in einem dramatischen Finale beim SV Meppen (5:4 nach Elfmeterschießen) geholt.
Delegierungen für diese Saison bislang
Verglichen mit Jahren davor drehte sich das Personalkarussell ein wenig langsamer. Es gab insgesamt sieben Ab- und sechs Neuzugänge.
Torwart Daniel Heuer Fernandes (22) schaffte den Aufstieg, er heuerte in Paderborn an. Aus dem Mittelfeld wechselte der gebürtige Münchner Nicolas Feldhahn (28) zum FC Bayern II in die Regionalliga Süd. Nicht zu halten war auch Torjäger Stanislav Iljutcenko (25), der mit einer Empfehlung von 13 Toren und 9 Vorlagen zum Zweitligaaufsteiger MSV Duisburg ging. Das sind die Abgänge, die eine wichtige Rolle in der abgelaufenen Saison spielten.
Neu im Tor ist Marvin Schwäbe (20), gekommen von der TSG Hoffenheim als "Leihgabe". In der Abwehr wurde Lars Bleker (21) vom FC Twente Enschede II aus den Niederlanden geholt. Anthony Syhre (20) spielte zuletzt mit Jamil Dem bei Hertha BSC II. Für das Mittelfeld zogen die Niedersachsen Pascal Richter (18) von der A-Jugend Bayer 04 Leverkusens ins Osnabrücker Land. Der Deutsch-Türke Deniz Taskesen (22) kam aus der eigenen U23. Im Angriff gibt es mit Halil Savran (30) einen "guten alten Bekannten", der nach der letzten Station in Rostock mit sechs Toren und fünf Vorlagen sein Glück in Osnabrück versucht.
Trainer
Den US-Amerikaner Joe Enochs (44) kennt der eine oder andere vielleicht noch als Spieler in der Relegation 1999 zur Zweiten Liga. Er übernahm das Amt am 24.08.2015 vom erfolglosen Maik Walpurgis als Interim, der mit nur zwei Punkten aus vier Spielen gestartet war. Auch die enttäuschende letzte Saison mit Rang elf spielte eine Rolle. Unter Enochs ging es stetig bergauf. Am 3. September 2015 wurde er dann zum Chef befördert. Die Bilanz mit sieben Siegen, vier Remis und zwei Niederlagen stimmt. 2008 startete Enochs als Trainer beim VfL für die Reserve. Danach agierte er wechselnd als Co-Trainer für die 1. Mannschaft, A-Jugend und U23. Sein Vertrag gilt noch bis Ende der kommenden Saison. Er ist seit nunmehr fast 20 Jahren an der "Bremer Brücke". 1996 kam er als Spieler vom FC St. Pauli II. 78 Zweitligaspiele und 160 Einsätze in Liga drei für den VfL stehen zu Buche.
Die aktuelle Saison bislang
Es läuft derzeit beim VfL, nach einer eher trostlosen Startphase mit der Trainer-Entlassung von Maik Walpurgis. Aus den ersten vier Spielen zeitigte man nur ein mageres Törchen beim 1:1 gegen die Stuttgarter Kickers in Runde zwei. Vergeblich wurde auf Treffer in Aue (0:0), in Aalen (0:1) und gegen Rostock (0:1) gewartet. Es war das Aus für den Coach, längst umstritten nach der schwachen Frühjahrsrunde 2015. Im DFB-Pokal hatte man das bis dato einzig gute Spiel absolviert, das Ende gegen Leipzig ist bekannt...
Joe Enochs übernahm, vorerst als interne Übergangslösung - und ist geblieben. In Cottbus steckte man den erneuten Rückschlag weg, drehte das Spiel zum 2:1. Der VfL gewann an Fahrt, führte gegen den Vorjahresdritten Kiel (3:2) zur Halbzeit mit 3:0 und fertigte Wehen Wiesbaden mit 4:0 ab. Unglücklich wurde hingegen wieder im Nordosten, in Magdeburg (0:3) und Dresden (1:2) agiert. Es war ein kleines Zwischentief mit fünf Spielen ohne Sieg, nach Dresden folgten Münster (2:2) – wiederum mit unschönen Begleiterscheinungen – und Stuttgart II (1:1) sowie dem Ausflug nach Großaspach (3:3/Endstand nach 28 Minuten). Man straffte sich und ist seit mittlerweile 512 Minuten ohne Gegentreffer. Erfurt wurde kurz vor Ende noch besiegt (1:0), Halle reiste mit 0:2 nach Hause. Die "Null stand" auch in Würzburg (1:0), Mainz (0:0) und vergangenes Wochenende in Bremen (1:0). Vier der acht Heimspiele waren Siege, die letzte Niederlage an der "Bremer Brücke" datiert vom 22. August 2015 gegen Hansa. Auf Reisen ist der Saldo mit 3/3/3 ausgeglichen. 22:17 Tore sind offensiv solide (8.), defensiv ebenso und leicht besser (6.).
Im DFB-Pokal warf man sich selber aus dem Rennen. Im Landespokal steht man nach einem 4:0 bei Regionalligist VfV Borussia 06 Hildesheim im Halbfinale. Mögliche Gegner sind dort der Spitzenreiter der Regionalliga Nord VfB Oldenburg, die gleichklassige SpVgg Drochtersen/Assel und Oberligist 1.FC Germania Egestorf-Langreder.
Die Mannschaft
Im Tor hat sich Neuzugang Marvin Schwäbe (20) durchgesetzt. Frank Lehmann (26), der im Vorjahr auf immerhin 12 Einsätze kam, steht momentan hinter ihm.
In der Abwehr haben sich Kapitän Tobias Willers (28), Alexander Dercho (28), Michael Hohnstedt (27), David Pisot (28) und Anthony Syhre (20) etabliert. Hohnstedt und Pisot erzielten zwei Tore. Beim 1:0 in Bremen begann Enochs in der Viererkette mit Kim Falkenberg (27) - David Pisot (28) - Tobias Willers (28) - Alexander Dercho (28).
Im Mittelfeld haben sich bislang Christian Groß (26) und der Italiener Massimo Ornatelli (29) als Gerüst empfohlen. Groß glänzte bereits viermal als Torschütze, Ornatelli war zweimal erfolgreich. Marcel Kandziora (25) als potentieller Stammspieler konnte sich mehrmals nicht für den Kader empfehlen, steht bei elf Einsätzen und einem Treffer. Dahinter kämpfen mehrere Spieler um einen dauerhaften Stammplatz, wie der Deutsch-Tunesier Sofien Chahed (26). Für Simon Tüting (29) läuft es nach dem Wechsel Anfang Februar 2015 vom Zweitligisten SV Sandhausen durchwachsen. In der Frühjahrsrunde 2015 stand der neunmal im Aufgebot, kam nur in zwei Spielen in der Anfangsformation zum Einsatz. Auch fehlte er zeitweise wegen Verletzung und stand nicht im Kader. 2015/2016 bis Ende August das gleiche Spiel, seitdem fällt er verletzungsbedingt aus.
Der Angriff ist stark besetzt mit Halil Savran (30), Addy-Waku Menga (32), dem Deutsch-Spanier Marcos Alvarez (24) und dem Kongolesen und Ex-Hallenser Francky Sembolo (30). Nummer eins ist bislang Halil Savran (30), der bei vier Toren und drei Vorlagen steht. Zuletzt traf er allerdings vor zwei Monaten beim 3:3 in Großaspach. Knapp dahinter rangiert Marcos Alvarez (24), der ebenfalls vier Treffer für den VfL beisteuerte; gegen Halle war es das wichtige 1:0. Addy-Waku Menga hingegen, vergangene Saison mit 13 Toren einer der Top-Torjäger der 3. Liga, wartet auf seinen ersten Treffer. Francky Sembolo spielt nur eine untergeordnete Rolle und war ausschließlich "Joker".
26 Akteure bietet man auf, inklusive dreier Keeper. Mit 25,6 Jahren im Schnitt liegt man etwas über dem CFC und hat damit einen der älteren Kader dieser Liga.
Das Krankenlager/Strafbank
Simon Tüting (29/Mittelfeld) muss am Samstag auf das Wiedersehen mit dem CFC auf dem Rasen definitiv verzichten. Er fällt aufgrund eines Verrenkungsbruchs des Sprunggelenks noch auf unbestimmte Zeit aus.
Prognose
Der VfL Osnabrück bleibt eine "Wundertüte". Starken Phasen wie dieser, folgte in den letzten Jahren zu oft eine Krise. Das Aufgebot ist eigentlich nicht schlechter besetzt als letztes Jahr, die Chancen zumindest auf Relegationsplatz drei zu schielen, scheinen günstig. Denkbar, dass es VfL-"Urgestein" Enochs gelingt, dauerhaft dem Team die notwendige Stabilität zu geben. Mitentscheidend wird sein, dass es wirtschaftlich im Umfeld mal ruhiger bleibt.
Das Umfeld
Eben angesprochen, so richtig Ruhe scheint beim VfL Osnabrück nicht einzukehren. Die bisherige Saison war vor allem auf dem Platz gekennzeichnet von Turbulenzen. Das DFB-Pokalspiel gegen Leipzig mit einer gut gemachten optischen Demonstration von Tradition und Vereinskultur sowie einem starken Spiel auf dem Platz geriet durch die Dummheit eines Einzelnen zum Fiasko - finanziell und vom Image her. Durch den Spielabbruch wurde eine mögliche zweite Runde zu den Akten gelegt und nach offiziellen Mitteilungen bislang rund 200.000 EUR verloren. Viel Geld für einen Verein, der finanziell seit Jahren am Limit agiert. Gegen Preußen Münster mussten die Gästefans an der "Bremer Brücke" draußen bleiben, im Rückspiel wird man das Gleich erleben. Eskalation auf einer anderen Ebene: ein VfL-Kicker nutzte eine Spielpause um mit einem Münsteraner Akteur eine private Rechnung zu begleichen.
Die Profifussball KGaA kam im abgeschlossenen Geschäftsjahr auf ein Minus von rund 1,07 Millionen EUR. Der Etat für diese Saison liegt bei rund 8,7 Millionen EUR. Davon entfallen 3,3 Millionen EUR für die Profiabteilung. Die Unterlagen wurden auch für die Zweite Bundesliga eingereicht, dabei hätte man auf 14,5 Millionen EUR erhöhen und das Crowfounding der Fans ablösen können. Der Großteil der Fans beziehungsweise Darlehensgeber verlängerte das Engagement, es spülte rund 480.000 EUR in die Kassen für die Lizenz. Bei den Zuschauern wurde mit einem Schnitt von 9.000 kalkuliert, momentan bewegt man sich mit 7.640 relativ deutlich darunter. Dabei ist das Derby gegen Münster als traditioneller "Kassenschlager" bereits absolviert und wurde von nur 8.590 zahlenden Fußballfreunden gesehen. Viel mehr durften nicht, in Folge der Vorkommnisse beim letzten Duell. Ein durchaus veritabler Einschnitt für den chronisch klammen VfL. Der Minusrekord wurde gegen Erfurt mit 4.900 verbucht, im folgenden Heimspiel kamen dann 9.600 gegen den Halleschen FC. Am Samstag sollte der reisende himmelblaue Fan in der Gästekurve mit 8.500 Einheimischen rechnen.