Spitzenspiel beim Meister …
von Timo Görner
… zu DDR-Zeiten konnte man vor den Auftritten des damaligen FCK beim BFC Dynamo das "Spitzen" abgesehen von den letzten 2 Jahren der Republik in der Regel streichen. Diesmal ist es ein solches, beide Teams überzeugen seit Wochen mit Ergebnis und Auftritten.
Die aktuelle Saison bislang:
Die Weinrot-Weißen sind wieder drin im Rennen um den Staffelsieg, nachdem der Zug schon abgefahren schien. Das, weil das erste Drittel zäh verlief mit 6 Punkten aus 7 Begegnungen. Dem Auftaktsieg in Meuselwitz (2:1) schlossen sich 5 sieglose Partien an, darunter 3 Niederlagen ohne Torerfolg mit dem Hinspiel gegen einen Mitfavoriten der Staffel. Angesichts der Abgänge und Trainerwechsels war nicht unbedingt von einer ähnlich erfolgreichen Saison auszugehen, ein wenig ernüchternd war es dennoch.
Sieg Nr. 2 feierten die Berliner an Spieltag 8 mit 4:1 gegen "Kellerkind" TeBe. Start für den Umschwung. Der BFC wieder heimstark nach den Pleiten gegen den BAK und Jena, gewann mit dem TeBe-Dreier auf eigenem Platz 5-mal in Folge bei 19:8 Toren. Cottbus reiste beim 4:1 geschlagen ab, wichtig auch das 2:1 gegen den damaligen Zweiten Babelsberg sowie Altglienicke zum Heim-Abschluss 2022. Auswärts lief es nicht so glatt, nach dem Sieg auf der "Glaserkuppe" gab es keinen weiteren vollen Erfolg, dafür das 1:4 in Erfurt und 2:3 in Luckenwalde.
Mit Änderungen am Kader hielt man sich zurück, vertraute auf die Mannschaft der Herbstrunde. Bislang hält der positive Trend an. Die Hauptstädter sind 2023 gut in Fahrt. Alle 3 Begegnungen wurden siegreich beendet. Im Ortsderby gegen Lichtenberg machten es die Gäste noch mal spannend, kamen auf 3:2 heran. Gegen Meuselwitz wurde das 0:1 in der Schlussphase noch gedreht. Am letzten Samstag war es die Effizienz beim BAK mit den Toren zum 2:0. Mit jahresübergreifend 4 Siegen in 5 Punktspielen ist man wieder oben angekommen.
Das "Sportforum" in Hohenschönhausen ist eine absolute Festung, die letzte Pleite auf eigenem Platz datiert mittlerweile vom 26.08.2022 – gegen Jena. Danach gab es 7 Siege und 1 Remis, nur Hertha BSC II (0:0) reiste unbesiegt wieder ab. Der BFC hier die Nr. 1. Dafür ist die Auswärtsbilanz leicht defizitär mit 2 Siegen und 3 Niederlagen sowie 10:12 Toren. 30:24 Tore insgesamt bedeuten sechstbeste Offensive und siebtbeste Defensive.
Neben der Liga steht auch der Landespokal im Blickpunkt, 7-mal konnte der DDR-Rekordmeister diesen für sich gewinnen, zuletzt 2021. Im letzten Jahr kam das Aus als Titelverteidiger bereits in Runde 2 bei den Reinickendorfer Füchsen. Am 25.03.2023 steht das Viertelfinale an, gegen die VSG Altglienicke.
Delegierungen seit dem Hinspiel:
Es blieb eher ruhig, 2 gingen und 1 kam neu dazu. Hauptgrund dürfte gewesen sein, dass man beim Vorjahresmeister nicht mit aller Macht wieder auf Rang 1 will.
Beide Abgänge betrafen das defensive Mittelfeld mit Philip Schulz (30/Tasmania Berlin) und Anton Rücker (21). Schulz hatte Verletzungspech, letzte Saison Stammspieler. Der Abschied nach 5 ½ Jahren. Rücker spielte keinerlei Rolle, ging nach 6 Monaten ohne neuen Verein.
Der Neuzugang ist quasi ein "Rückkehrer" mit dem Deutsch-Iraker David Al-Azzawe (30). 2017 bis 2018 da und feste Größe, ging es danach für 4 Jahre zu Regionalligisten TSV Steinbach Haiger. Ausbildungsbetrieb der Hallescher FC, der Club seiner Heimatstadt.
Die Sportliche Leitung:
Heiner Backhaus (40) hat auch im Rückspiel das Sagen, konnte die Mannschaft in den letzten Wochen wieder in die Erfolgsspur führen. Christof Reimann (39) unterstützt als Co-Trainer, Ex-Hertha-Keeper Marco Sejna (50) betreut die Torhüter.
Als sportlicher Direktor übernahm am 15.09.2022 Ex-Profi Angelo Vier (50), zuvor in gleicher Funktion von 2017 bis 2018 beim FC Ingolstadt 04, zuvor übrigens bei Dynamo von 2015 bis 2017. Stationen als Aktiver u. a. der SC Verl, Rot-Weiß Essen, Osnabrück, Oberhausen und Rapid Wien.
Das Kollektiv:
Im Tor konnte sich Matthias Hamrol (29) bis Anfang November als klare Nr. 1 durchsetzen, fiel dann wegen Hüftverletzung kurzzeitig aus. Seitdem vertrauen die Trainer auf "Eigengewächs" Kevin Sommer (20). Paul Hainke (18) gilt als dritte Kraft.
Der BFC agiert meist mit Dreierkette. Als feste Größen gelten Chris Reher (28/2), der US-Amerikaner Dominic Duncan (24) und Michael Blum (34). Mit Winter-Neuzugang David Al-Azzawe hat man nun eine weitere denkbare Option. Gelernter Linksverteidiger ist Felix Meyer (20), der Kameruner Arthur Ekallé (26) ist nominell für die rechte Abwehrseite zuständig, aufgrund des Systems im Mittelfeld eingesetzt.
Im Mittelfeld ist Kapitän Niklas Brandt (31/1) für die defensive Absicherung verantwortlich und Eckpfeiler, Leonidas Tiliudis (22) kommt überwiegend von der Bank ins Spiel wie Marvin Kleihs (28). Offensiv im Zentrum ausgerichtet ist Ex-Spielführer Andreas Pollasch (28/1) wie Alexander Siebeck (29/1). Siebeck im Vorjahr herausragend: 9 Treffer und 13 Torbeteiligungen. Bislang deutlich weniger effektiv. Für Joey Breitfeld (26) auf Rechts trifft das auch zu. Letztes Jahr Top-Vorbereiter mit 13 Vorlagen, diesmal steht er bei deren 2. Für Links steht Max Klump (23) im Kader.
Die "Lebensversicherung" bleibt Christian Beck (34/10) in der Sturmzentrale, die "Buden" verteilen sich dabei auf 6 Begegnungen. 4-mal schnürte er den "Doppelpack". Seine Top-Quote beim BFC: 64 Spiele – 40 Tore + 10 Vorlagen. Keine Chance derzeit für Erlind Zogjani (18/1). Cedric Euschen (24/4) spielt als "hängende Spitze" eine durchaus ordentliche Saison, auch dort angesiedelt ist der Bosnier Amar Suljic (24/3). Euschen ist an 6, Suljic an 7 Toren beteiligt. Darryl Geurts (28/2) bedient den Linksaußen, Maximilian Franke (20) kam hier noch nicht zum Zug.
Mit 23 Kickern hat der Vorjahresmeister eines der kleinen Aufgebote der Liga, darunter liegt nur Lok mit 21. 25,9 Jahre im Schnitt sind Spitzenwert der Staffel gemeinsam mit Babelsberg. Gegenüber den 26,4 zuvor fand eine gewisse Verjüngung statt. Dennoch gelten Beck, Brandt, Blum weiter als Schlüssel-Spieler.
Einkaufsbilanz:
11 Neue gibt es bis heute, 10 vor der Winterpause.
Von den 10 konnten sich Matthias Hamrol (Meuselwitz), Arthur Ekallé, Dominic Duncan (beide TuS Rot-Weiß Koblenz) und Cedric Euschen (SF Lotte) als Stammkader etablieren. Leonidas Tiliudis (FC Gießen), Amar Suljic (FC Schweinfurth 05) gelang dies zumindest zeitweise.
Maximilian Franke (SC Verl) sollte beim BFC mehr Spielpraxis bekommen, ist noch nicht der Fall. Erlind Zogjani (Stuttgarter Kickers U19) kam aus dem A-Jugend-Bereich, eine sofortige Etablierung war nicht zu erwarten.
Fazit: alles in allem ganz gut.
Strafbank / Krankenlager / Parteistrafen:
Christian Beck musste gegen Meuselwitz wegen Oberschenkelproblemen pausieren, nach 4 Toren in den 2 Spielen zuvor. Saß beim BAK wieder auf der Bank, kam aber nicht zum Einsatz. Am Freitag wieder im Kader. Darryl Geurts fehlt seit Mitte Januar wegen muskulärer Probleme. Cedric Euschen plagt sich mit Knieproblemen.
Die Bilanz gegen den BFC Dynamo:
Schon 65 Partien gab es, ein echter Klassiker des Nordostens. Erst 17-mal gewann Himmelblau, 37-mal jubelte Weinrot-Weiß bei 68:119 Toren aus unserer Sicht. In der Hauptstadt stehen nur 2 Siege gegen 24 Niederlagen für unsere Farben zu Buche, zuletzt am 10.04.1999 beim 2:0 im Aufstiegsjahr. Danach gab es allerdings auch nur 2 Gastspiele: 1:2 – 1:1 im Vorjahr, wo der CFC den Ausgleich erst kurz vor Ende kassierte.
Prognose:
Der BFC hat die Qualität, um wieder bis zum Schluss oben mitzuspielen. Um wieder auf Rang 1 zu landen, muss man auswärts zulegen. Wenn man dann die Heimstärke noch beibehält, kann es reichen.
Das Umfeld:
Egal in welcher Liga kommende Saison gespielt wird, es wird wieder unter dem alten Logo mit dem "D" sein. 1990 gingen die Rechte nach der zwischenzeitlichen Umbenennung zum "FC Berlin" verloren. 1999 die Rückkehr zum alten Vereinsnamen, 2009 der vorläufige Abschied, da eben die Rechte am Logo Voraussetzung zur Teilnahme am Spielbetrieb waren. Im Januar floss eine sechsstellige Summe an einen bekannten Berliner Merchandising-Händler.
Die früheren Erfolge feierten die Weinrot-Weißen bekanntermaßen fast ausschließlich im "Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark" am Prenzlauer Berg. Dorthin wollen aber die wenigsten Fans zurück, das Signal ist klar "Pro Sportforum". Wo auch das Relegations-Hinspiel gegen den VfB Oldenburg stattfand. Aktuell begeistern sich im Schnitt 1.698 für die Spiele in Hohenschönhausen, letzte Saison am Ende 1.668. Also fast exakt der gleiche Zuspruch. Cottbus lockte 2.543 an, Jena deren 2.099. Am wenigsten waren es zuletzt gegen Meuselwitz (1.390). Am Freitag sollen es wohl knapp unter 2.000 Freunde der Gastgeber werden.
Hauptsponsor ist auch diese Spielzeit eine Bau-Holding aus Charlottenburg. Unterhalb dieser Ebene engagiert sich u. a. die Fitness-Studio-Kette des ehemaligen Vereinschefs von Lokalrivale Tennis Borussia. Beim Sponsoring sind die Hauptstädter recht gut aufgestellt, verfügen über eine große Anzahl an Unterstützern ohne die großen Geldgeber. Der verpasste Aufstieg in die 3. Liga war eine Enttäuschung, aber kein Genickbruch. Die Lizenz für die dritte Etage 2023/2024 würde vermutlich schwierig werden, aber durchaus machbar.